Die Inflation hat tiefe Spuren in der Kaufkraft der Tarifbeschäftigten hinterlassen. Für einen Experten bedeutet das voraussichtlich mehr Streiks. Verhandlungen stehen etwa in der Metall- und Elektroindustrie, der Chemie und im Bauhauptgewerbe an.
Bei den anstehenden Tarifverhandlungen haben die Arbeitnehmer laut gewerkschaftlicher Einschätzung erheblichen Nachholbedarf. Wegen der starken Inflation in den vergangenen Jahren seien die Reallöhne der Tarifbeschäftigten auf den Stand von 2016 zurückgefallen, erklärte der Leiter des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, Thorsten Schulten, am Dienstag laut Mitteilung. Er erwarte daher eine "offensive Tarifrunde" mit zahlreichen Arbeitskämpfen.
Vor allem in den Jahren 2021 und 2022 habe es drastische Reallohnverluste gegeben. Im vergangenen Jahr sei die Kaufkraft der Beschäftigten zwar weitgehend gesichert worden, stellte Schulten fest. "Um jedoch auch die massiven Reallohnverluste der beiden Vorjahre ausgleichen zu können, sind in den kommenden Tarifrunden kräftige Reallohnsteigerungen notwendig."
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Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten vor allem in Ostdeutschland
Nach Auswertung der Neuabschlüsse und zuvor vereinbarten Stufenerhöhungen seien die Tariflöhne im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent gestiegen und damit doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Da aber gleichzeitig die Inflation bei 5,9 Prozent gelegen habe, errechne sich auch für 2023 ein Rückgang der Reallöhne um durchschnittlich 0,4 Prozent. Allerdings könnten hier die nicht voll eingerechneten Inflationsausgleichsprämien die finanzielle Bilanz vieler Beschäftigter besser aussehen lassen.
Die Forderungen hatten im vergangenen Jahr zwischen 8 und 15 Prozent mehr Geld gelegen, häufig kombiniert mit Mindeststeigerungen, die vor allem den unteren Lohngruppen zugutekommen sollten. In einigen Runden konnte eine Lösung erst nach umfangreichen Warnstreiks gefunden werden. Die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten spielte vor allem in Ostdeutschland und in der Stahlindustrie eine Rolle.
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Wo Verhandlungen anstehen
Es sei 2024 wichtig, mit kräftigen Reallohnsteigerungen die schwache Konjunkturentwicklung in Deutschland zu stabilisieren, meinte Schulten. Dass die Inflationsrate nach Einschätzung der meisten Fachleute im laufenden Jahr auf zwei bis drei Prozent sinken wird, erleichtere zwar die Durchsetzung von realen Lohnzuwächsen. Trotzdem erwartet Schulten eine "offensive Tarifrunde", die auch von Arbeitskämpfen geprägt sein dürfte. Die Härte der Verhandlungen werde davon abhängen, inwieweit die Arbeitgeber das Interesse an Reallohnzuwächsen anerkennen.
Laut WSI-Tarifarchiv stehen im laufenden Jahr Verhandlungen über die Entgelte von 12 Millionen Beschäftigten an. Das Tarifjahr sei bereits rein quantitativ ein Schwergewicht. Unter anderem stehen Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, der Chemie und im Bauhauptgewerbe an. Zum Jahresende laufen zudem die Tarifverträge im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen aus. Besonders hoch sei dieser Nachholbedarf am Bau und bei der Deutschen Telekom, deren letzte Lohnabschlüsse noch aus der Zeit vor den hohen Inflationsraten stammten. (dpa/tas)
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