Der Schuh kocht im Topf auf dem Herd, die Fußsohlen sind morgens überraschend schmutzig und statt des Klos hat man doch glatt die Nachttischschublade benutzt: Da war man wohl im Schlaf unterwegs. Was für Außenstehende zunächst lustig klingt, kann aber auch richtig gefährlich werden.
Einmal hat der Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weeß einen Mann behandelt, der aus dem dritten Stock gesprungen war. "Er hat geträumt, dass es bei ihm brennt - und das Fenster erschien ihm als der einzige Ausweg." Solche kuriosen Fälle erlebt er zwar nicht so häufig in seiner Sprechstunde.
Stress und Schlafmangel zählen zu typischen Verursachern
Aber es kommt doch immer wieder vor, dass Menschen im Schlaf gefährliche Dinge tun. "Eine Frau hat zum Beispiel ihren Herd angestellt und ihre Turnschuhe gekocht", sagt er. "Sie ist erst aufgewacht, als die Feuerwehr sie aus dem Schlaf gerüttelt hat."
Wissenschaftler gehen davon aus, dass rund ein Prozent der Erwachsenen manchmal schlafwandeln. Kinder sind deutlich häufiger betroffen. "Wir gehen davon aus, dass rund 20 Prozent von ihnen zumindest gelegentlich schlafwandeln", sagt der Schlafforscher, der das Interdisziplinäre Schlafzentrum am Pfalzklinikum Klingenmünster leitet.
Auch wenn die Ursache für die Schlafstörung noch unbekannt ist, gibt diese Beobachtung zumindest Anhaltspunkte. "Wir gehen davon aus, dass Schlafwandeln durch ein Ungleichgewicht im Gehirn entsteht." Dafür spricht, dass Kinder viel häufiger betroffen sind: "Bei ihnen läuft die Hirnreifung oft ungleichmäßig ab."
Auch wenn die Ursache nicht bekannt ist, so gibt es doch ganz bestimmte Auslöser, die dazu führen können, dass jemand nachts aus dem Bett steigt, ohne das zu merken. So wie im Fall eines Mannes, der immer dienstags, donnerstags und sonntags schlafwandelte und dabei die Nachttischschublade seiner Partnerin als Toilette benutzte.
"Er hat an diesen Tagen immer Fußball gespielt", sagt Dr. Weeß. "Auslöser war aber nicht der Sport, sondern der Alkohol, den er danach getrunken hat." Daneben zählen auch Stress, Schlafmangel und Fieber zu typischen Verursachern.
Die meisten Menschen, die im Schlaf unterwegs sind, können sich später nicht daran erinnern. "Ich hatte zum Beispiel eine Patientin, die völlig ratlos war, wenn sie morgens in Straßenkleidung aufgewacht ist", sagt Dr. Weeß. "Gebadet hatte sie auch - und konnte sich das gar nicht erklären."
Als gesichert gilt, dass Schlafwandeln durch ein unvollständiges Aufwachen nach der ersten Tiefschlafphase in der Nacht entsteht. Weeß sagt: "Je nachdem, wie viele Teile des Gehirns wach sind und wie viele schlafen, ist das Verhalten während des Schlafwandelns dann mehr oder weniger komplex."
Wichtig ist, nachts für Sicherheit zu sorgen
Wichtig für potenzielle Schlafwandler ist vor allem, nachts für Sicherheit zu sorgen. "Es hilft aber nicht unbedingt, die Tür abzuschließen und ein Schloss ans Fenster zu machen", sagt Dr. Weeß.
Der Schlafwandler weiß ja, wo die Schlüssel versteckt sind - und kann sie sich ganz einfach im Schlaf holen. Besser sei es da schon, wenn der Partner Schlüssel an sich nehme oder sie an einem geheimen Ort verstecke.
Wenn jemand alleine wohnt, können Lichtschranken helfen, die ein lautes Geräusch auslösen. Ähnlich funktionieren auch Matten am Bett, die Lärm machen, wenn man auf sie tritt.
Wer schlafwandelt, wird anderen nur selten gefährlich. Eine Ausnahme gibt es allerdings: "Es gibt Menschen, die im Schlaf sexuelle Handlungen ausüben", sagt der Schlafforscher.
"Wir sprechen von Sexsomnia." Wenn der Partner das toleriert, gibt es kein Problem. "An so etwas sind aber auch schon Beziehungen zerbrochen." Diese Störung sei allerdings extrem selten.
Was gegen Schlafwandeln helfen kann
Und was hilft nun gegen die ungewollten nächtlichen Ausflüge? "Es ist wichtig, dass man seine Auslöser kennt", sagt Dr. Weeß. Damit könne man das Schlafwandeln oft schon eindämmen.
In einigen Fällen verordnen die Mediziner auch bestimmte Medikamente, eine Art Schlafmittel. "Das mache ich allerdings ungern, weil das abhängig macht."
Gute Erfahrungen hat Schlafforscher Weeß mit Methoden wie dem Autogenen Training gemacht. Bis zu 70 Prozent seiner Patienten hätten damit eine deutliche Verbesserung erzielt, sagt er. Die Methode wirkt allerdings erst auf lange Sicht.
"Die Patienten müssen mehrere Wochen oder sogar Monate lang regelmäßig üben." Dabei werden vor dem Schlafengehen bestimmte Glaubenssätze verankert. Eine junge Frau, die nachts vor vermeintlichen Einbrechern flüchtete und dabei über ihre Möbel sprang, fand so zum Beispiel zur Ruhe, berichtet der Experte.
Sie sagte sich beim Autogenen Training: "Heute Nacht darf ich sicher und behütet in meinem Bett unbekümmert schlafen."
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