Der Megastreik der Bahn ist vorbei, doch der Konflikt mit der Gewerkschaft GDL gärt weiter. Viele Pendler und Reisende ärgert das. Aber wem schadet der Arbeitskampf sonst noch – und wer profitiert davon?
Auch wenn es am Ende fast 35 Stunden weniger waren als geplant, der Bahnstreik der vergangenen Tage zerrte an den Nerven vieler Reisender. Zwar beendeten die Lokführer der Gewerkschaft GDL ihren Arbeitskampf schon vorzeitig am Samstagabend. Dennoch waren die Züge zuvor 64 Stunden im Personenverkehr und 75 Stunden im Güterverkehr stillgestanden.
Das Verkehrschaos zeigte dabei durchaus zwei Gesichter – ein weinendes und ein lachendes. Denn auf der Seite der Frustrierten standen neben Pendlern und Reisenden die Deutsche Bahn selbst und Teile der Wirtschaft. Indessen durften sich andere als Gewinner des Streiks über zusätzliche Einnahmen freuen: Fernbus-, Mietwagen- und Taxiunternehmen. Ein Überblick.
Bahn rechnet mit mehr als 100 Millionen Euro Schaden
Während Studien die Folgen des Streiks bisher eher vage bezifferten, äußerte sich Bahnchef Rüdiger Grube am Wochenende selbst dazu: "Der Schaden beträgt bislang mehr als 100 Millionen Euro und wird sich auch in dieser Größenordnung in unserer Jahresbilanz niederschlagen", sagte er im Interview mit der "Bild am Sonntag".
Die GDL geht noch von einer weit größeren Summe aus: Mehr als 200 Millionen Euro habe der Streik die Bahn bisher gekostet, teilte die Gewerkschaft mit. Das sei mehr als ihre Forderung im Tarifstreit. Obwohl die GDL diese nicht näher erläuterte, sprechen Experten wie der Verkehrsökonom Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin von rund 35 Millionen Euro pro Jahr.
Deutsche Wirtschaft ist auf Schiene angewiesen
Neben der Bahn selbst traf der Streik auch alle anderen, die auf die Schiene angewiesen sind. Das ist vor allem die deutsche Wirtschaft. Nach mehr als drei Tagen am Stück könnte die Produktion in Firmen unterbrochen werden, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vor. Die Schäden könnten dann von einstelligen Millionenbeträgen auf täglich über 100 Millionen Euro wachsen.
Insgesamt macht die Schiene fast 17 Prozent des deutschen Güterverkehrs aus. Das betrifft vor allem Chemie, Stahl, Kohle, Autos und Papier. Fast 200 Züge pro Tag rollen allein für die Fahrzeugbranche. Laut dem Verband der Automobilindustrie transportiert die Bahn dabei nicht nur Material – auch fast jeder zweite Neuwagen wird über die Schiene ausgeliefert. Und die Wirtschaftsvereinigung Stahl gibt an, dass die Bahn täglich etwa 200.000 Tonnen Rohstoffe und Stahl befördert.
Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) kritisiert das "maßlose Verhalten der GDL" als "verantwortungslos" und spricht von "enormen volkswirtschaftlichen Kosten". Einziger Lichtblick: Der Streik im Güterverkehr dauerte drei Tage und drei Stunden – und kratzte damit nur am kritischen vierten Tag des Stillstands.
Die Gewinner: Fernbus-, Mietwagen- und Taxiunternehmen
Doch während die einen noch über den Streik schimpfen, freuen sich andere über Gewinne – allen voran die Anbieter von Fernbusfahrten. MeinFernbus vermeldete viermal mehr Buchungen als sonst. Die Firma setzte 150 zusätzliche Busse auf 500 zusätzlichen Fahrten ein. Auch Konkurrent Flixbus traf auf eine große Nachfrage: "Am Mittwoch hatten wir fünfmal mehr Buchungen als sonst", sagte Sprecherin Bettina Engert. Und am Wochenende seien mehr als die Hälfte aller Fahrten ausgebucht gewesen.
Ähnlich positiv sieht es auch Michael Müller, Präsident des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbandes. "Wir haben 50 Prozent mehr Fahrten, von 1,2 auf jetzt 1,8 Millionen Beförderungen pro Tag", sagte er am Freitag. Auch die Buchungen bei der Taxi-Bestell-App "mytaxi.de" seien nach eigenen Angaben allein am Donnerstag um 147 Prozent gestiegen.
Über Gewinne konnte sich auch die Online-Plattform "mitfahrgelegenheit.de" freuen: An einem regulären Freitag etwa 100.000 Plätze gebucht, vergangene Woche seien es mehr als 250.000 gewesen. Die Mietfahrzentrale profitiert dank einer Gebühr von jeder vermittelten Fahrt. Und stellvertretend für die Zufriedenheit, die auch bei Autovermietern herrscht, steht eine neue Werbung von Sixt: Die Firma ernannte GDL-Chef Claus Weselsky spontan zum "Mitarbeiter des Monats".
Streik schadet auch dem Image der Bahn
Dann ist da natürlich noch die Sache mit dem Image. Bahnchef Grube gab im Interview mit der "Bild am Sonntag" zu: "Vom Imageschaden und Vertrauensverlust der DB ganz zu schweigen." Während der Ruf der Bahn leidet, dürfte es hingegen für Busunternehmer kaum eine bessere Gratis-Werbung geben.
Für die Bahn könnte es sogar noch härter kommen. Laut inoffiziellen Schätzungen sollen in der Streikkasse der GDL etwa vier Millionen Euro sein, dazu kommen Zuschüsse des Beamtenbunds dbb. 50 Euro Streikgeld zahlt die Gewerkschaft ihren Mitgliedern pro Tag – bei 4.000 Streikenden, wie die Bahn zuletzt angab, macht das 200.000 Euro für einen Tag. Die GDL könnte den Arbeitskampf also noch länger durchhalten.
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