Tools zur Kindersicherung im Netz: Wie hilfreich sind sie wirklich?
Begrenzung der Bildschirmzeit, sichere Surfzonen, Altersbeschränkung für Profile auf Netflix, Jugendschutzeinstellungen auf Android Handys und iPhones: Um Kinder vor den Gefahren im Netz zu schützen, gibt es eine Vielzahl verschiedener Tools. Wir haben die Medienexpertin Inga Klas dazu befragt.
WEB.DE Blog: Inga, die Ferien sind vorbei und viele Kinder haben auf die weiterführende Schule gewechselt. Sie besitzen nun auch ihr erstes eigenes Handy oder zumindest eine Smart Watch. Was ist aus medienpädagogischer Sicht davon zu halten?
Inga: Kinder haben wenig Berührungsängste mit der Technik und nutzen sie mit großer Neugier. Sie sind stolz auf das erste Gerät, weil es ihnen das Gefühl gibt, endlich "zu den Großen" zu gehören. Die Bedienung von Geräten und Apps ist für Kinder kein Problem. Was ihnen aber fehlt, ist die Kenntnis über Risiken der digitalen Welt und wie man sich davor schützt.
Deswegen ist die Begleitung der Eltern gerade zu Beginn der Nutzung so wichtig, um den Kindern den sicheren Umgang mit den digitalen Angeboten beizubringen. Werden Kinder gut bei der Nutzung digitaler Geräte begleitet und gibt es in ihrem Leben ausreichend nicht-digitale Aktivitäten, spricht nichts gegen die Geräte.
Leider kommt es nicht selten vor, dass Kinder von ihren Eltern mit diesen Themen allein gelassen werden, sei es, weil sie sich diese nicht die Zeit nehmen oder weil ihnen selbst das Know-How fehlt. Dann kann es zu problematischen Situationen kommen und die Kinder sind entweder selbst Risiken ausgesetzt oder werden zu einem Risiko für andere.
WEB.DE Blog: Wie genau werden sie denn zu einem Risiko?
Inga: Es gibt vieles, was im Netz im Kontakt mit anderen Menschen schief gehen kann.
Einer der problematischsten Orte für Kinder ist der Klassen-Chat. Dort werden ungeeignete oder sogar strafbare Inhalte geteilt oder Fotos und Videos von anderen Kindern veröffentlicht, die davor heimlich aufgenommen wurden. Mit am meisten leiden die Kinder jedoch unter den Beschimpfungen und Bedrohungen in diesen Chat-Gruppen. Wenn wir auf digitalen Kanälen kommunizieren, sehen wir nicht, was unsere Nachrichten mit dem anderen machen. Die Folge ist, dass Mobbing auf digitalen Kanälen viel schneller eskaliert und extremer ausfällt.
Was Eltern auch nicht unterschätzen sollten, sind die finanziellen Risiken, die durch fehlende Begleitung oder schlecht eingestellte Geräte entstehen können. Wir hören in Elternabenden immer wieder, dass Kinder ohne Wissen der Eltern Geld für Spiele, Musik oder ähnliches im Netz ausgeben und es zu Schäden in bis zu vierstelliger Höhe kommt.
Eltern sollten sich deswegen vor der Anschaffung eines Geräts fragen "Bin ich bereit, mein Kind bei der Nutzung umfassend und kompetent zu begleiten?" In unserem Wiki gibt es dazu eine Übersicht und weiterführende Links.
WEB.DE Blog: Schön und gut. Dennoch ist es doch einfach Realität, dass viele Kinder schon in jungen Jahren mit dem Handy unterwegs sind und digitale Inhalte konsumieren. Ob auf dem Tablet, dem heimischen PC oder auf einem streamingfähigen Fernseher.
Inga: Genau, auch dagegen ist nichts einzuwenden – wenn die Nutzung begleitet stattfindet und die Kinder ausreichend Erfahrungen in der analogen Welt machen, wie Freunde treffen, auf den Spielplatz gehen, Sport machen oder ein Instrument lernen.
Leider sind die digitalen Angebote so gestaltet, dass man sich nur sehr schwer davon lösen kann. Wichtig ist deswegen, von Beginn an Regeln für die Nutzung digitaler Medien zu vereinbaren und Kinder bei der Nutzung zu beobachten.
Häufig beginnt die Mediennutzung mit kurzen Videos, wie dem Sandmännchen oder Kindersendungen, bevor die Kinder ins Bett gehen. Es ist wichtig, dass Kinder hier schon lernen, sich an einfache Regeln zu halten, also z. B. nur eine Folge anzuschauen. Seitdem Medienangebote praktisch ohne Limit rund um die Uhr verfügbar sind, ist es noch viel wichtiger geworden, dass wir lernen, unseren Medienkonsum zu regulieren.
WEB.DE Blog: Und wie können Eltern sicherstellen, dass ihr Nachwuchs möglichst nicht mit jugendgefährdenden Inhalten in Berührung kommt? Welche Möglichkeiten haben sie, die Geräte kindersicher einzustellen, sie zu limitieren? Könntest du da ein paar nennen?
Inga: Ganz wichtig ist zunächst zu sagen, dass es keine technische Lösung gibt, die Kinder zu hundert Prozentvor schädlichen Inhalten oder Kontakten im Netz schützt. Der wirksamste Schutz ist die Begleitung durch einen kompetenten Erwachsenen.
Es wird an der Schule oder im Freundeskreis zum Beispiel immer Kinder geben, deren Geräte nicht gesichert sind, so dass die Kinder dort ungeeignete Inhalte sehen. Kindersicherungs-Apps oder technische Sperren sind dazu fehleranfällig oder wir Erwachsenen stellen sie oft falsch ein bzw. bedienen sie falsch. Allein der Internetbrowser gibt den Kindern praktisch Zugriff auf das gesamte Internet.
Kinder sind darüber hinaus unheimlich geschickt, die Lücken in technischen Lösungen oder im Know-How ihrer Eltern zu finden. Technische Lösungen sind immer nur ein zusätzliches Hilfsmittel, das die Eltern nicht davon entbindet, ihre Kinder eng bei der Nutzung digitaler Medien zu begleiten.
Insofern führt kein Weg daran vorbei, Kinder im Netz zu begleiten, mit ihnen über Risiken im Netz zu sprechen und ihnen zu zeigen, wie man sich davor schützt. Dazu gehört auch eine altersgerechte sexuelle Aufklärung, weil Kinder im Netz unweigerlich mit sexuellen Inhalten in Kontakt kommen oder mit Kontaktanfragen von Fremden konfrontiert werden.
In unseren Workshops berichten Grundschulkinder regelmäßig davon, dass sie auf WhatsApp, in Videospielen oder auf Social Media von Fremden angesprochen werden, mit dem Ziel einen Kontakt anzubahnen (so genanntes Cybergrooming). Sprechen Eltern mit ihren Kindern sachlich über dieses Risiko bevor etwas passiert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich Kinder an die Eltern wenden, wenn sie tatsächlich einmal Hilfe brauchen.
WEB.DE Blog: Okay, wenn die Einstellungen also eher überschaubare Wirkung zeigen und nicht die Begleitung durch die Eltern ersetzen: Hast Du Tools, die Du trotzdem empfehlen würdest?
Inga: Es fängt damit an, alle digitale Geräte (auch die der Eltern) vor fremdem Zugriff zu schützen: mit einem PIN, Passwort, Face-ID, Fingerabdruck oder was auch immer das Gerät ermöglicht. So verhindert man, dass die Geräte missbräuchlich von anderen verwendet werden. Es stellt außerdem sicher, dass die Kinder nicht ohne Begleitung an die Geräte der Erwachsenen gehen.
In der Praxis sehen wir leider häufig, dass Eltern mit dieser wirklich wirksamen Sicherung sehr nachlässig umgehen. Entweder sie schützen Geräte gar nicht oder sie verwenden schwache PINs oder Passwörter. Viele Eltern verraten den Kindern auch ihren Code, weil sie es unbequem finden, ihn jedes Mal einzugeben, wenn das Kind das Gerät nutzen möchte.
Kinder sind auch unheimlich geschickt darin, die Codes der Eltern auszuspionieren. Schon Kinder in der Klasse drei wissen genau, dass man sich in viele Geräte mit Geburtsdaten, Namen oder einfache Zahlenreihen einloggen kann oder sie beobachten die Eltern heimlich bei der Eingabe.
Noch einfacher als eine technische Lösung ist die Aufbewahrung der Geräte an einem sicheren Ort. Wenn Spielkonsolen z. B. im Wohnzimmer stehen, können Kinder nicht heimlich in ihrem Zimmer zocken. Smartphones kann man nachts im Schlafzimmer der Eltern oder in einem abschließbaren Behälter lagern.
WEB.DE Blog: Und wenn es konkret um Einstellungen auf den einzelnen Geräten geht?
Inga: Für Geräte und Anwendungen gibt es auf der Webseite https://www.medien-kindersicher.de sehr gute Schritt-für-Schritt-Anleitungen für jedes nur denkbare Gerät oder App. Hier wird z. B. erklärt, welche Familieneinstellungen das Betriebssystem eines Smartphones hergibt. Auf Apple-Geräten gibt es umfangreiche Möglichkeiten die Bildschirmzeit zu begrenzen und Freigaben, z. B. für die App-Stores einzurichten. Für Android-Smartphones gibt es vergleichbare Funktionen.
Eltern sollten unbedingt verhindern, dass Kinder Apps unbegleitet installieren oder eigenständig Einkäufe tätigen. Sie sollten deswegen keine Passwörter in den App Stores oder Bezahldaten auf den Geräten der Kinder speichern. Auch Streamingdienste sollten mit Passwörtern gesichert werden.
WEB.DE Blog: WhatsApp ist der meistgenutzte Messenger – auch auf deutschen Schulhöfen. Ihre Kinder davon auszuschließen, ist für viele Eltern keine Option. Zu groß ist der Gruppenzwang und die Angst, dass der Nachwuchs als Außenseiter dasteht. Welche Tipps hast Du für diese Eltern? Welche Einstellungen sollten sie vornehmen, um WhatsApp möglichst "sicher" zu machen?
Inga: Ich muss auch hier zuerst nochmal einhaken, denn wir empfehlen dringend, auf WhatsApp zu verzichten. Es stimmt einfach nicht, dass Kinder negative Auswirkungen davon hätten. Im Gegenteil: mit WhatsApp holt man sich eine Menge Probleme überhaupt erst ins Haus: Mobbing, Reizüberflutung durch viele Nachrichten, Inhalte, die nicht altersgerecht sind oder Kontaktanfragen von Fremden.
WEB.DE Blog: Was empfiehlst Du stattdessen?
Inga: Einen besseren Start haben Familien mit datenschutzkonformen Lösungen wie Threema oder Signal oder man nutzt erst einmal SMS. Dafür reicht sogar erst mal ein älteres Mobiltelefon ohne Internetverbindung.
Und was die beiden Apps Threema oder Signal angeht: Neben dem Schutz der Daten haben sie den großen Vorteil, dass das Risiko für Kinder allein dadurch sinkt, dass nicht so viele Menschen diese Apps nutzen. Ich vergleiche WhatsApp gerne mit einem Oktoberfestzelt abends um 21 Uhr, alternative Messenger mit einem Café im Zoo morgens um 11 Uhr. Wo sich Kinder ungefährdeter bewegen können, liegt auf der Hand.
Möchten die Kinder Chat-Gruppen nutzen, empfehlen wir, mit zwei bis drei engen Freunden zu starten, die man erfahrungsgemäß auch recht gut davon überzeugen kann, ein alternatives Chat-Programm zu installieren. Damit haben die Kinder eine soziale Gruppe für den Austausch von schulischen Dingen und fühlen sich nicht aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen.
Eltern sollten die Chat-Nutzung ihrer Kinder am Anfang eng begleiten und das bedeutet auch von Zeit zu Zeit die Chats gemeinsam anzuschauen. Bitte nicht heimlich in die Geräte schauen, sondern immer gemeinsam mit dem Kind, außer es handelt sich um eine gravierende Gefahrensituation. Wichtig ist auch, dass die Chat-Kontakte Bescheid wissen, wer die Chats mitliest. Gerade in größeren Gruppen kann dies dazu beitragen, dass die Mitglieder besser miteinander umgehen.
Was die genauen Einstellungen in WhatsApp angeht, gibt es auf medien-kindersicher ebenfalls eine sehr gute Anleitung: https://www.medien-kindersicher.de/social-media/kindersicherung-fuer-whatsapp
WEB.DE Blog: Vielen Dank für das Interview, Inga.
Lesetipp der Redaktion: Mehr Tipps zum Thema Kinder sicher im Netz finden Sie in unserer Reihe "Cybersicherheit für Kids". Wenn Sie den Artikel hilfreich fanden, teilen Sie ihn gerne auch per E-Mail.
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Inga: Kinder haben wenig Berührungsängste mit der Technik und nutzen sie mit großer Neugier. Sie sind stolz auf das erste Gerät, weil es ihnen das Gefühl gibt, endlich "zu den Großen" zu gehören. Die Bedienung von Geräten und Apps ist für Kinder kein Problem. Was ihnen aber fehlt, ist die Kenntnis über Risiken der digitalen Welt und wie man sich davor schützt.
Deswegen ist die Begleitung der Eltern gerade zu Beginn der Nutzung so wichtig, um den Kindern den sicheren Umgang mit den digitalen Angeboten beizubringen. Werden Kinder gut bei der Nutzung digitaler Geräte begleitet und gibt es in ihrem Leben ausreichend nicht-digitale Aktivitäten, spricht nichts gegen die Geräte.
Leider kommt es nicht selten vor, dass Kinder von ihren Eltern mit diesen Themen allein gelassen werden, sei es, weil sie sich diese nicht die Zeit nehmen oder weil ihnen selbst das Know-How fehlt. Dann kann es zu problematischen Situationen kommen und die Kinder sind entweder selbst Risiken ausgesetzt oder werden zu einem Risiko für andere.
WEB.DE Blog: Wie genau werden sie denn zu einem Risiko?
Inga: Es gibt vieles, was im Netz im Kontakt mit anderen Menschen schief gehen kann.
Einer der problematischsten Orte für Kinder ist der Klassen-Chat. Dort werden ungeeignete oder sogar strafbare Inhalte geteilt oder Fotos und Videos von anderen Kindern veröffentlicht, die davor heimlich aufgenommen wurden. Mit am meisten leiden die Kinder jedoch unter den Beschimpfungen und Bedrohungen in diesen Chat-Gruppen. Wenn wir auf digitalen Kanälen kommunizieren, sehen wir nicht, was unsere Nachrichten mit dem anderen machen. Die Folge ist, dass Mobbing auf digitalen Kanälen viel schneller eskaliert und extremer ausfällt.
Was Eltern auch nicht unterschätzen sollten, sind die finanziellen Risiken, die durch fehlende Begleitung oder schlecht eingestellte Geräte entstehen können. Wir hören in Elternabenden immer wieder, dass Kinder ohne Wissen der Eltern Geld für Spiele, Musik oder ähnliches im Netz ausgeben und es zu Schäden in bis zu vierstelliger Höhe kommt.
Eltern sollten sich deswegen vor der Anschaffung eines Geräts fragen "Bin ich bereit, mein Kind bei der Nutzung umfassend und kompetent zu begleiten?" In unserem Wiki gibt es dazu eine Übersicht und weiterführende Links.
WEB.DE Blog: Schön und gut. Dennoch ist es doch einfach Realität, dass viele Kinder schon in jungen Jahren mit dem Handy unterwegs sind und digitale Inhalte konsumieren. Ob auf dem Tablet, dem heimischen PC oder auf einem streamingfähigen Fernseher.
Inga: Genau, auch dagegen ist nichts einzuwenden – wenn die Nutzung begleitet stattfindet und die Kinder ausreichend Erfahrungen in der analogen Welt machen, wie Freunde treffen, auf den Spielplatz gehen, Sport machen oder ein Instrument lernen.
Leider sind die digitalen Angebote so gestaltet, dass man sich nur sehr schwer davon lösen kann. Wichtig ist deswegen, von Beginn an Regeln für die Nutzung digitaler Medien zu vereinbaren und Kinder bei der Nutzung zu beobachten.
Häufig beginnt die Mediennutzung mit kurzen Videos, wie dem Sandmännchen oder Kindersendungen, bevor die Kinder ins Bett gehen. Es ist wichtig, dass Kinder hier schon lernen, sich an einfache Regeln zu halten, also z. B. nur eine Folge anzuschauen. Seitdem Medienangebote praktisch ohne Limit rund um die Uhr verfügbar sind, ist es noch viel wichtiger geworden, dass wir lernen, unseren Medienkonsum zu regulieren.
WEB.DE Blog: Und wie können Eltern sicherstellen, dass ihr Nachwuchs möglichst nicht mit jugendgefährdenden Inhalten in Berührung kommt? Welche Möglichkeiten haben sie, die Geräte kindersicher einzustellen, sie zu limitieren? Könntest du da ein paar nennen?
Inga: Ganz wichtig ist zunächst zu sagen, dass es keine technische Lösung gibt, die Kinder zu hundert Prozentvor schädlichen Inhalten oder Kontakten im Netz schützt. Der wirksamste Schutz ist die Begleitung durch einen kompetenten Erwachsenen.
Es wird an der Schule oder im Freundeskreis zum Beispiel immer Kinder geben, deren Geräte nicht gesichert sind, so dass die Kinder dort ungeeignete Inhalte sehen. Kindersicherungs-Apps oder technische Sperren sind dazu fehleranfällig oder wir Erwachsenen stellen sie oft falsch ein bzw. bedienen sie falsch. Allein der Internetbrowser gibt den Kindern praktisch Zugriff auf das gesamte Internet.
Kinder sind darüber hinaus unheimlich geschickt, die Lücken in technischen Lösungen oder im Know-How ihrer Eltern zu finden. Technische Lösungen sind immer nur ein zusätzliches Hilfsmittel, das die Eltern nicht davon entbindet, ihre Kinder eng bei der Nutzung digitaler Medien zu begleiten.
Insofern führt kein Weg daran vorbei, Kinder im Netz zu begleiten, mit ihnen über Risiken im Netz zu sprechen und ihnen zu zeigen, wie man sich davor schützt. Dazu gehört auch eine altersgerechte sexuelle Aufklärung, weil Kinder im Netz unweigerlich mit sexuellen Inhalten in Kontakt kommen oder mit Kontaktanfragen von Fremden konfrontiert werden.
In unseren Workshops berichten Grundschulkinder regelmäßig davon, dass sie auf WhatsApp, in Videospielen oder auf Social Media von Fremden angesprochen werden, mit dem Ziel einen Kontakt anzubahnen (so genanntes Cybergrooming). Sprechen Eltern mit ihren Kindern sachlich über dieses Risiko bevor etwas passiert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich Kinder an die Eltern wenden, wenn sie tatsächlich einmal Hilfe brauchen.
WEB.DE Blog: Okay, wenn die Einstellungen also eher überschaubare Wirkung zeigen und nicht die Begleitung durch die Eltern ersetzen: Hast Du Tools, die Du trotzdem empfehlen würdest?
Inga: Es fängt damit an, alle digitale Geräte (auch die der Eltern) vor fremdem Zugriff zu schützen: mit einem PIN, Passwort, Face-ID, Fingerabdruck oder was auch immer das Gerät ermöglicht. So verhindert man, dass die Geräte missbräuchlich von anderen verwendet werden. Es stellt außerdem sicher, dass die Kinder nicht ohne Begleitung an die Geräte der Erwachsenen gehen.
In der Praxis sehen wir leider häufig, dass Eltern mit dieser wirklich wirksamen Sicherung sehr nachlässig umgehen. Entweder sie schützen Geräte gar nicht oder sie verwenden schwache PINs oder Passwörter. Viele Eltern verraten den Kindern auch ihren Code, weil sie es unbequem finden, ihn jedes Mal einzugeben, wenn das Kind das Gerät nutzen möchte.
Kinder sind auch unheimlich geschickt darin, die Codes der Eltern auszuspionieren. Schon Kinder in der Klasse drei wissen genau, dass man sich in viele Geräte mit Geburtsdaten, Namen oder einfache Zahlenreihen einloggen kann oder sie beobachten die Eltern heimlich bei der Eingabe.
Noch einfacher als eine technische Lösung ist die Aufbewahrung der Geräte an einem sicheren Ort. Wenn Spielkonsolen z. B. im Wohnzimmer stehen, können Kinder nicht heimlich in ihrem Zimmer zocken. Smartphones kann man nachts im Schlafzimmer der Eltern oder in einem abschließbaren Behälter lagern.
WEB.DE Blog: Und wenn es konkret um Einstellungen auf den einzelnen Geräten geht?
Inga: Für Geräte und Anwendungen gibt es auf der Webseite https://www.medien-kindersicher.de sehr gute Schritt-für-Schritt-Anleitungen für jedes nur denkbare Gerät oder App. Hier wird z. B. erklärt, welche Familieneinstellungen das Betriebssystem eines Smartphones hergibt. Auf Apple-Geräten gibt es umfangreiche Möglichkeiten die Bildschirmzeit zu begrenzen und Freigaben, z. B. für die App-Stores einzurichten. Für Android-Smartphones gibt es vergleichbare Funktionen.
Eltern sollten unbedingt verhindern, dass Kinder Apps unbegleitet installieren oder eigenständig Einkäufe tätigen. Sie sollten deswegen keine Passwörter in den App Stores oder Bezahldaten auf den Geräten der Kinder speichern. Auch Streamingdienste sollten mit Passwörtern gesichert werden.
WEB.DE Blog: WhatsApp ist der meistgenutzte Messenger – auch auf deutschen Schulhöfen. Ihre Kinder davon auszuschließen, ist für viele Eltern keine Option. Zu groß ist der Gruppenzwang und die Angst, dass der Nachwuchs als Außenseiter dasteht. Welche Tipps hast Du für diese Eltern? Welche Einstellungen sollten sie vornehmen, um WhatsApp möglichst "sicher" zu machen?
Inga: Ich muss auch hier zuerst nochmal einhaken, denn wir empfehlen dringend, auf WhatsApp zu verzichten. Es stimmt einfach nicht, dass Kinder negative Auswirkungen davon hätten. Im Gegenteil: mit WhatsApp holt man sich eine Menge Probleme überhaupt erst ins Haus: Mobbing, Reizüberflutung durch viele Nachrichten, Inhalte, die nicht altersgerecht sind oder Kontaktanfragen von Fremden.
WEB.DE Blog: Was empfiehlst Du stattdessen?
Inga: Einen besseren Start haben Familien mit datenschutzkonformen Lösungen wie Threema oder Signal oder man nutzt erst einmal SMS. Dafür reicht sogar erst mal ein älteres Mobiltelefon ohne Internetverbindung.
Und was die beiden Apps Threema oder Signal angeht: Neben dem Schutz der Daten haben sie den großen Vorteil, dass das Risiko für Kinder allein dadurch sinkt, dass nicht so viele Menschen diese Apps nutzen. Ich vergleiche WhatsApp gerne mit einem Oktoberfestzelt abends um 21 Uhr, alternative Messenger mit einem Café im Zoo morgens um 11 Uhr. Wo sich Kinder ungefährdeter bewegen können, liegt auf der Hand.
Möchten die Kinder Chat-Gruppen nutzen, empfehlen wir, mit zwei bis drei engen Freunden zu starten, die man erfahrungsgemäß auch recht gut davon überzeugen kann, ein alternatives Chat-Programm zu installieren. Damit haben die Kinder eine soziale Gruppe für den Austausch von schulischen Dingen und fühlen sich nicht aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen.
Eltern sollten die Chat-Nutzung ihrer Kinder am Anfang eng begleiten und das bedeutet auch von Zeit zu Zeit die Chats gemeinsam anzuschauen. Bitte nicht heimlich in die Geräte schauen, sondern immer gemeinsam mit dem Kind, außer es handelt sich um eine gravierende Gefahrensituation. Wichtig ist auch, dass die Chat-Kontakte Bescheid wissen, wer die Chats mitliest. Gerade in größeren Gruppen kann dies dazu beitragen, dass die Mitglieder besser miteinander umgehen.
Was die genauen Einstellungen in WhatsApp angeht, gibt es auf medien-kindersicher ebenfalls eine sehr gute Anleitung: https://www.medien-kindersicher.de/social-media/kindersicherung-fuer-whatsapp
WEB.DE Blog: Vielen Dank für das Interview, Inga.
Zur Person: Inga Klas ist seit 25 Jahren in der Digitalbranche tätig und beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dem Thema "Kinder und Jugendliche im Netz". Seit fünf Jahren führt sie für das Medienkompetenz Team e.V. in Karlsruhe Workshops an Schulen, Elternabende und Infoveranstaltungen rund um dieses Thema durch und lässt ihre praktischen Erfahrungen in Bildungs- und Forschungsprojekte einfließen.
Lesetipp der Redaktion: Mehr Tipps zum Thema Kinder sicher im Netz finden Sie in unserer Reihe "Cybersicherheit für Kids". Wenn Sie den Artikel hilfreich fanden, teilen Sie ihn gerne auch per E-Mail.
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