Vom Aston Martin One-77 sollte es eigentlich nur 77 Exemplare geben. Aber es existieren 78 – mit Straßenzulassung – was die Eigentümer der ersten 77 Modelle empört.

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In den One-77 steckte Aston Martin seinerzeit alles, was dem kleinen britischen Hersteller gut und teuer war. Auf dem Pariser Autosalon 2008 war der One-77 die meiste Zeit noch von einem maßgeschneiderten Stoff-Überzug verdeckt, vollständig enthüllt stand er dann auf dem Genfer Autosalon 2009. Und die ersten Auslieferungen begannen erst 2011.

Beim Aston Martin One-77 sitzt eine Aluminium-Karosserie auf einem Carbon-Monocoque, für den Antrieb ist ein 7,3-Liter-V12 zuständig, der 760 PS leistet und 750 Newtonmeter Drehmoment generiert. Die Aston-Martin-Ingenieure hatten den Motor zum Zeitpunkt der ersten Auslieferungen als den kräftigsten Saugmotor der Welt bezeichnet. Das automatisierte 6-Gang-Schaltgetriebe kam vom Spezialisten Graziano Trasmissioni aus Turin. Carbon-Keramik-Bremsen gehörten zum Kleinserien-Umfang und Aston Martin stellte das höhenverstellbare Schubstangen-Fahrwerk von sportlich bis komfortabel auf die Wünsche jedes einzelnen Kunden ein. In zirka 3,5 Sekunden spurtet der One-77 auf 97 km/h (60 Meilen pro Stunde), bei Tests im Dezember 2009 war er 354 km/h schnell.

Prototyp zulassungsfähig gemacht

Der Neupreis des Aston Martin One-77 betrug 1,25 Millionen Pfund (heute 1,5 Millionen Euro) plus der örtlichen Steuern. Aston Martin verkaufte sämtliche Exemplare problemlos. 2012 verunfallte ein One-77 in Hongkong und galt danach als schrottreif. Allerdings ist das Modell selten und damit wertvoll genug – inzwischen ist es wieder vollständig aufgebaut. Die Kunden gingen davon aus, dass Aston Martin nur die angekündigten 77 Exemplare verkauft. Damit lagen sie falsch.

Die Briten hatten elf Entwicklungs-Prototypen gebaut – und nicht geplant, diese auf den Markt zu bringen. Der elfte dieser Prototypen trägt die Chassis-Nummer 10711. Wie Carbuzz berichtet, lief dieser Prototyp im Jahr 2010 vom Band und musste unter anderem auf der Nordschleife des Nürburgrings, in Nardo und in Le Mans zahlreiche Hochgeschwindigkeits-Tests überstehen. Das Auto nahm am berühmten Bergrennen des Goodwood Festival of Speed teil und war als Safety Car für das Aston Martin Racing Le Mans Festival im Einsatz. Irgendwann danach fing der Prototyp Feuer, was sich aber zum Glück nicht als schwerwiegend herausstellte. Der Luxus-Sportwagen hatte inzwischen zirka 23.835 Meilen (38.359 Kilometer) auf dem Tacho. Da bat ein privater Kunde Aston Martin, den Prototyp doch gegen eine Pauschale zu restaurieren. Das Angebot muss gut gewesen sein: Die britischen Spezialisten restaurierten das Auto von Grund auf – sieben Monate lang. Als es fertig war, hatte es sogar eine Straßenzulassung. Damit ist der Prototyp mit der Chassis-Nummer 10711 der einzige One-77-Prototyp, der eine Straßenzulassung erhalten hat.

Ausnahme-Genehmigung in den USA

Der erste Eigentümer fuhr den 78. One-77 nach Angaben von Carbuzz kaum, der zweite hingegen angeblich umso mehr. Und als wäre ein 78. One-77 nicht schon besonders genug, hat ihn sein Eigentümer sogar in den USA angemeldet. Der One-77 erfüllt nicht die Anforderungen der in den USA geltenden Federal Motor Vehicle Safety Standards (FMVSS), womit er dort grundsätzlich nicht zulassungsfähig wäre. Allerdings gibt es die "Show or Display"-Ausnahme. Diese Zusatzregel ermöglicht es, privat importierte Autos von den FMVSS-Vorschriften auszunehmen, wenn das betreffende Fahrzeug eine "historische oder technologische Bedeutung" hat. Über entsprechende Anträge entscheidet die US-Verkehrs-Sicherheitsbehörde National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Im Falle des in die USA eingeführten One-77 hat die NHTSA einen Show-or-Display-Titel erteilt. Show-or-Display-Fahrzeuge dürfen in den USA jährlich maximal 2.500 Meilen (4.023 Kilometer) auf öffentlichen Straßen fahren.

Auch wenn ein weiteres Exemplar den Wert der originalen 77 One-77 nicht beeinflusst haben dürfte, waren die Eigentümer dieser "legitimen" Modelle in Aufruhr. Sie waren fest davon ausgegangen, dass Aston Martin nur 77 Exemplare herstellt – erst recht, da diese Zahl sogar Bestandteil des Modellnamens ist. Dann mussten sie lernen, dass ein schlauer Kunde mit viel Geld bei einem Hersteller viel erreichen kann. Und eine absolute Sicherheit auf eine begrenzte Anzahl bestimmter Modelle gibt es nicht – gerade britische Hersteller haben die sogenannten Continuation-Modelle für sich entdeckt. Dabei bauen beispielsweise Bentley, Jaguar und auch Aston Martin seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellte Modelle eins zu eins nach – sehr zum Missfallen der Eigentümer der Originalfahrzeuge.

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Nachfolger ohne Straßenzulassung

Aston Martin hat auch eine Art Nachfolger für die 78 One-77 gebaut: Der 2020 auf dem Hampton Courts Concours vorgestellte Victor basiert auf dem One-77, hat aber runde Scheinwerfer, eine geänderte Karosserie und einen von Cosworth überarbeiteten Motor. Der leistet 847 PS und generiert 822 Newtonmeter Drehmoment. Gekoppelt ist der 7,3-Liter-V12-Sauger an eine manuelle Sechsgang-Schaltung. Eine Straßenzulassung hat diese One-77-Weiterentwicklung nicht.

In der Bildergalerie zeigen wir einen der "regulären" Aston Martin One-77.  © auto motor und sport