Wittlich/Kassel - Sie sitzen oft nur kurz auf den Bänken vor dem Altar. Sie sind auf der Durchreise und haben die Kirche an der Autobahn ganz bewusst für eine kleine Pause angesteuert. Doch bevor sie wieder in der Anonymität verschwinden, hinterlassen einige von ihnen sehr Persönliches.

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In einem Buch am Eingang schreiben sie ihre Gedanken, Sorgen und Bitten auf, mit denen sie sich auch an Gott wenden - vor allem in Deutsch, aber auch in polnischer, niederländischer und französischer Sprache.

"Hilf meinem Mann, dass er keine Tumore hat", steht da. Oder: "Bitte lass die Blutwerte besser werden" und "Gott hilf, dass der Krieg zwischen Russland und Ukraine bald beendet wird!". Manche danken "für die gesunde Rückkehr aus dem Urlaub" oder loben, "dass die Kirche offen ist". Täglich zehn Stunden steht die Tür der ökumenischen Autobahnkirche St. Paul Besuchern offen. Im Frühling und Sommer sind es sogar zwölf Stunden.

Zahl der Autobahnkirchen nimmt zu

Die langen Öffnungszeiten seien eine der Bedingungen, die eine Autobahnkirche in Deutschland erfüllen müsse, sagt Wolfram Viertelhaus. Der heute 78-Jährige hatte vor 13 Jahren die Umwandlung der früheren Klosterkirche in eine Autobahnkirche in Wittlich in der Südeifel maßgeblich gesteuert. "Wir waren damals die 37. Autobahnkirche in Deutschland gewesen. Heute gibt es 44. Ich sage daher immer: Wir sind eine der wenigen wachsenden Bewegungen innerhalb der Kirche."

Jede Autobahnkirche hat ihre ganz eigene Geschichte, ihre eigene Größe - und ihr eigenes Profil. Da ist die jahrhundertalte denkmalgeschützte Dorfkirche Gelmeroda in Weimar (Thüringen), die moderne Emmauskapelle Hegau in Engen, die pyramidenförmige Kirche an der Tank- und Rastanlage Baden-Baden (beides Baden-Württemberg) oder der Kapellenrundbau an den Dammer Bergen (Niedersachsen).

Von den Kirchen und Kapellen sind 19 evangelisch, 8 katholisch und 17 ökumenisch getragen, sagt Matthias Stracke-Bartholmai. Er ist bei der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen in Kassel für das Netzwerk der Autobahnkirchen zuständig. Gut eine Million Menschen besuchten im Jahr die Kirchen, die von der Abfahrt einer Autobahn in rund einem Kilometer Entfernung erreichbar sein müssten. Einen Besucher-Einbruch durch die Corona-Pandemie habe es nicht gegeben.

Ein Ort zum Innehalten

In die Kirche St. Paul in Wittlich sind Wanderer gekommen. "Wir wollen Pause machen. Abschalten und den Weg noch mal passieren lassen", sagt einer von ihnen und zündet eine Kerze an. "Das ist ein wichtiger Ort hier für viele Leute", fügt Viertelhaus hinzu. Der langjährige Vorsitzende des Fördervereins war immer oft vor Ort. "Manche, die hierher kommen, erzählen ihre Lebensgeschichte. Oder suchen ein Trauergespräch." Oft sind dies aber dann Menschen, die in der Region zuhause sind.

Denn die Kirche ist auch Gottesdienstkirche, in der es sonntags Messen gibt, und eine von bundesweit 350 Radwegekirchen, die von Radfahrern angesteuert wird. "Die Kirche ist multifunktional. Sie wird gebraucht", sagt er. Wie viele der Besucher von der Autobahn kommen, kann der frühere Lehrer nicht sagen. "Ein paar Tausend im Jahr werden es schon sein."

Nach einer Studie besuchten viele alleinreisende Männer Autobahnkirchen, sagt Stracke-Bartholmai. Neben Lkw-Fahrern seien auch reichlich Geschäftsreisende darunter. Es handele sich oft um Menschen, "die sich in ihrem Leben religiös verorten" und die Kirchen als "Angebot auf Reise" sähen. In den "Anliegenbüchern" finde man oft die Bitte "um sichere Fahrt" oder "gutes Nachhause-Kommen". Viele nutzten die Kirchen auch "als Form anonymer Religionsausübung".

Derzeit sei kein Kirchen-Projekt geplant, das neu zum Netzwerk dazu komme, sagt der Fachmann. Dabei gebe es noch Regionen, wo es sinnvoll sein könnte: zum Beispiel in Norddeutschland oder auch in Teilen von Bayern - auf der Route nach Österreich, wo es keine Angebote gebe. Die älteste Autobahnkirche Deutschlands steht an der A8 zwischen München und Stuttgart bei Adelsried (1958). Sie trägt den passenden Namen "Maria, Schutz der Reisenden".  © dpa

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