BMWs Produktchef Bernd Körber verrät weitere Details zur Neuen Klasse. Die Einstiegsmodelle werden günstiger und wahrscheinlich über Frontantrieb verfügen.

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Die kommenden Einstiegsmodelle der neuen Elektroauto-Generation von BMW – i1 und i2 – sollen günstiger werden als bisher. So beginnen momentan die Preise für den iX1 bei 48.000 Euro. BMW wolle in allen Märkten wachsen und mehr mit der jüngeren Generation in Verbindung kommen, so Körber gegenüber dem britischen Magazin "Autocar". Dafür sei es wichtig, im E-Sektor Einstiegs-Autos wie die bisherige 1er- und 2er-Reihe anzubieten. "Natürlich haben diese Modelle eine geringere Rentabilität, aber sie erfüllen auch einen anderen Zweck", betont Körber. Außerdem erklärt er, dass Mini hier auch eine große Rolle spiele.

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Autocar behauptet außerdem von Insidern aus dem Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) von BMW, weitere Informationen zu Varianten innerhalb der Neuen Klasse erfahren zu haben. Außer den schon bekannten Versionen NA0, NA5 der Mittel- und Oberklasse und ZAx, der Sportversion, sollen die Kompaktwagen i1 und i2 einen NB0- oder NB1-Unterbau bekommen. Das bedeutet: Der Frontantrieb bleibt. Nur die stärkeren Modelle sollen einen zweiten Elektromotor an der Hinterachse und folglich Allradantrieb erhalten. Beide Kompaktwagen sollen die sechste Generation der eDrive-Technologie nutzen und von den neuen Rundzellen-Akkus sowie einem 800-Volt-Layout profitieren. Das könnte die Lade-Performance von i1 und i2 im Vergleich mit konkurrierenden Modellen deutlich verbessern. Der i1 soll, wie der Name erahnen lässt, die Nachfolge der 1er-Reihe antreten und der i2 soll laut Körber den i3 beerben. Der Marktstart für Ersteren sei für 2027 geplant und der i2 folgt ein Jahr später.

Was ist die Neue Klasse von BMW?

BMWs neue Architektur trägt im Rückgriff auf die erfolgreichen Modelle 1500 und 1800 der 60er-Jahre den Namen "Neue Klasse". Aus ihr sollen ausschließlich Plattformen für E-Autos hervorgehen. Den Start machen eine kompakte Limousine im 3er-Format sowie ein entsprechender SUV, also ein Elektro-X3. Ende Juni 2022 stimmte der Vorstand dem Design der ersten beiden Modelle zu, die firmenintern NA0 und NA5 heißen, so die Wirtschaftszeitung. "In 26 Monaten werden wir mit der Produktion der ersten Vorserien-Fahrzeuge in unserem neuen Werk in Ungarn beginnen", zitiert der Bericht den BMW-Vorstandsvorsitzenden. "Wir planen einen schnellen Roll-out mit weiteren Modellen. Damit wird die Neue Klasse Ende des Jahrzehnts bereits mehr als die Hälfte unseres Absatzes ausmachen," so BMW-Chef Oliver Zipse. Außerdem betont er, er könne sich auch vorstellen, Brenstoffzellen als alternativen Antrieb in Serie zu bringen.

2022 arbeitete BMW mit zwei Architekturen: Der Cluster Architecture (CLAR) für Heckantriebsplattformen mit Längsmotoren (Allradoption) und der UKL für Fronttriebler mit Quermotor und ebenfalls Allradoption (1er, 2er Active Tourer, X1, Mini). Elektromodelle entstehen auf den gleichen Plattformen (iX3, i4, kommender iX1 und i5 sowie i7). Das ermöglicht unabhängig vom Antriebsprinzip (einschließlich Plug-in-Hybrid) die weitgehend parallele Produktion auf den gleichen Bändern, erfordert aber einen hohen Entwicklungsaufwand, ohne dass sich alle Packaging-Vorteile des E-Antriebs voll nutzen lassen. Für i5 und i7 haben die Münchner die CLAR überarbeitet und E-Antrieb von Anfang an mit eingeplant; die Bodengruppe ist jetzt so flexibel, dass sie entweder einen großen Akku (bis gut 100 kWh wie im i7) tragen kann oder Auspuffanlagen und Kardanwellen für den Antrieb durch Diesel oder Benziner.

Eine Ausnahme bildet der iX, der auf einer reinen Elektro-Plattform steht, die sich bei keiner anderen Baureihe so wiederfindet. Ideen bzw. Komponenten aus ihr sollen aber in eine Architektur einfließen. Deren Entwicklung hat BMW-Vorstandschef Oliver Zipse im Herbst 2020 für einen Serienstart ab 2025 angekündigt und auf der BMW-Hauptversammlung im Mai 2022 nochmals bestätigt. Mit der Neuen Klasse will BMW sein Produktangebot neu ausrichten. Die neue Architektur soll sich durch drei Aspekte auszeichnen: Eine vollständig neu definierte IT- und Software-Architektur, eine neu entwickelte elektrische Antriebs- und Batteriegeneration sowie ein ganzes System von Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus. Die Fahrzeug-Architektur soll bei der Digitalisierung Maßstäbe setzen und "kompromisslos für elektrische Antriebe optimiert" sein. Um alle Vorteile auszuschöpfen, die der E-Antrieb bietet, soll sie doch nicht, wie zuerst geplant, für die Aufnahme von Verbrennungsmotoren geeignet sein.

Neue Klasse wird elektrisch

Die "Neue Klasse" ist also konsequent auf den E-Antrieb hinentwickelt und soll E-Motoren auf Vorder- und Hinterachse oder auf beiden tragen können. Ganz vom Verbrenner lassen will BMW aber auch dann noch nicht. Die Münchner wollen Märkte, in denen die Elektromobilität noch nicht flächendeckend Fuß fasst, weil beispielsweise die Infrastruktur noch nicht ausgebaut ist, weiter bedienen können. BMW-Chef Zipse betonte, dass damit die Kunden weiterhin die Möglichkeit haben, den Antrieb zu bekommen, den sie wollen. Allerdings werden Verbrenner-Käufer eben kein Neue-Klasse-Auto bekommen. Vermutlich wird BMW sie mit einer modernisierten Version der Verbrenner-Architektur CLAR (II) bedienen. BMW-Entwicklungsvorstand Weber hatte zudem bekräftigt, dass die Neue Klasse grundsätzlich auch für den Wasserstoffantrieb geeignet sein soll, den BMW nach wie vor als Option für größere Autos sieht (Interview mit Frank Weber). Inzwischen lautet die Sprachregelung, man prüfe die Option auf den Wasserstoffantrieb. Dafür wollen die Münchner durchaus noch neue Verbrenner entwickeln.

Zipse geht davon aus, dass ab 2025 die Nachfrage nach vollelektrischen Fahrzeugen heftig ansteigt. Autos, die auf der bis dahin entwickelten Elektroauto-Architektur Neue Klasse basieren, sollen dann im neuen BMW-Werk im ungarischen Debrecen vom Band laufen. Für den nordamerikanischen Markt sollen ab 2027 Elektromodelle wie der i3 und der iX3 im mexikanischen Werk San Luis Potosi gefertigt werden. Der BMW-Chef geht allerdings davon aus, dass ab 2025 mehr BMW-Kunden ein Elektroauto kaufen als eins mit Verbrennungsmotor. 2030 soll wie erwähnt allein die Neue Klasse dann bereits für 50 Prozent des BMW-Absatzes stehen, bis dahin soll es in allen 15 Baureihen ein E-Auto-Angebot geben und die Neue Klasse soll Elektroautos so profitabel machen wie heute die Verbrenner.

Erstes Modell: Ein 3er-Pendant, auch als Kombi

Die Neue Klasse wird also mit dem Prinzip von BMW brechen, alle Antriebsformen in einer Baureihe mit derselben Architektur anzubieten. Dass das erste Modell auf Basis der neuen Architektur eine viertürige Limousine im Segment des 3ers wird (interne Bezeichnung zunächst: NK1), ist schon länger klar. Damit würde BMW gleich in seinem Kernsegment elektrisch neu angreifen, wo Tesla mit dem schnellen und agilen Model 3 den Münchnern schon länger elektrisch davonfährt. Der Modellzyklus des 3ers läuft regulär noch bis 2026. Auch wenn die NK1 erst 2026 (statt Ende 2025 wie angekündigt) auf den Markt kommt, wäre es kaum denkbar, dass sie ausgerechnet BMWs traditionsreichen Bestseller ganz ersetzt. Zumal das elektrische 3er-Pendant i4 erst im November 2021 auf den Markt rollte. Vielleicht läuft es darum wie bei Porsche mit dem elektrischen Macan auf Basis der Premium Plattform Electric (PPE), bei dem das Verbrennermodell auf der alten Plattform noch im Programm bleibt. Andererseits zeigt der i4 sehr deutlich die Nachteile der Misch-Architektur: Er bietet vergleichsweise wenig Platz und ist bleischwer, worunter die Fahrleistungen leiden.

Video: Vorfahrt: BMW i4 M50

Das könnte der NK1 besser machen. BMW Entwicklungsvorstand Frank Weber sagte zu Autocar: "Die Leute erwarten eine neue Ästhetik. Deshalb haben wir für unsere Elektromodelle eine neue Designrichtung entwickelt". Der Radstand wächst, die Überhänge schrumpfen, die A-Säule wandert nach vorn. So kann die NK1-Limousine die Entwicklung ihrer Plattform für den E-Antrieb für bessere Platzverhältnisse nutzen. Gewicht reduzieren wird die vom iX inspirierte Karosseriebauweise aus Alu, hochfestem Stahl und Karbonelementen an Schwellern und B-Säulen-Füßen. Den Antrieb sollen weiterhin selbst entwickelte stromerregte Synchronmotoren der dann nach BMW-Zählung sechsten Generation übernehmen, für die Weber weitere Leistungs- und Effizienzsteigerungen verspricht. Gerüchteweise war auch eine Touring-Variante des Elektro-3er im Gespräch. Jetzt aber hat Zipse eben einen SUV im gleichen Segment bestätigt, also einen iX3-Nachfolger.

Reichweitensteigerung kommt nicht nur von der Batterie

Feststoffbatterien sieht der BMW-Entwicklungschef erst am Ende des Jahrzehnts. Aber für die Klasse arbeite man bereits an einer neune Chemie, um die Energiedichte zu steigern. Zusammen mit Verbesserungen bei der Effizienz durch die neuen Motoren und ebenfalls neue Leistungselektronik kann sich Weber eine 20-prozentige Steigerung vorstellen. Ausgehend vom iX mit der größten Batterie könnten dann 750 Kilometer das Ziel sein. Um die entsprechend schnell mit bis zu 350 kW wieder nachladen zu können, wird BMW auf 800 Volt Spannungslage wechseln, wie sie jetzt schon Porsche Taycan, Audi E-Tron GT und Hyundai Ioniq bzw. Kia EV6 bieten.

Video: Mitfahrt: Kia EV6 GT

Neben Ideen aus dem iX sollen sich in Neue-Klasse-Modellen auch Konzepte aus dem IAA-Concept-Car BMW Vision Circular in Form von großen Anteilen an Recycling-Materialien wiederfinden – Frank Weber hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Autos nicht allein davon nachhaltig werden, dass sie mit grünem Strom fahren, sondern dass auch die Produktion ein möglichst CO₂-armer Kreislauf werden muss. Dass die Karossen dann gleich wie bei der Studie aus eloxiertem Alu statt aus aufwendig lackiertem Blech sein werden, scheint weniger wahrscheinlich. Aber die Zeiten, in denen Sitze sorglos mit neuem Leder bezogen wurden, sind auch bei BMW vorbei. Den Stahl für die Neue Klasse will BMW aus Nordschweden beziehen, wo ihn Start-up H2 Green Steel unter Einsatz von grünem Wasserstoff mit 95 Prozent weniger CO₂-Emissionen herstellen will als bislang üblich. Die Produktion der Batterien für BMW von Northvolt soll Strom vom selben Wasserkraftwerk beziehen wie H2 Green Steel.

E-Auto-Plattformen oder E-Modell in bestehenden Baureihen?

Eine reine Elektroauto-Plattform hatte BMW vor dem iX schon 2013 mit dem i3 am Start. Sie war aber wegen ihrer Karbon-Bauweise nicht skalierbar und recht teuer, der i3 blieb ein Singulär, dessen Verkaufszahlen erst jetzt mit der Elektroauto-Kaufprämie Fahrt aufgenommen haben. 2013 hingegen war er seiner Zeit in gewisser Weise zu weit voraus, der weitgehend unveränderliche Bauraum für die Batterie verhinderte zudem lange eine praxistaugliche Reichweite. Selbst heute ist sie mit 300 Kilometern für ein Erstauto zu knapp. Inzwischen ist die Produktion des i3 ausgelaufen, die Rolle des Einstiegsstromers soll der iX1 übernehmen. Der auch in der Entwicklung teure i3 und dessen überschaubarer Verkaufserfolg mag ein Grund dafür sein, warum BMW zuletzt die Elektrifizierung seines Angebots auf bestehenden Architekturen bzw. auf Basis solcher für gemischte Antriebe (UKL II, CLAR II) geplant hat.

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VW hingegen hat als Hersteller von ungleich höheren Fahrzeugvolumina mit dem Modularen Elektrobaukasten (MEB) schon ab 2015 die Entwicklung einer reinen Elektroauto-Architektur beschlossen. Auf ihr basieren die Elektromodelle der ID.Familie von VW, aber auch zahlreiche der Marken Audi, Skoda und Seat. Mercedes plant wie BMW allerdings für das Segment bis zur Größe der C-Klasse die Mercedes Modular Architecture (MMA), die Elektroautos hervorbringen soll, aber im Vorderwagen Verbrennungsmotoren tragen kann. Für die Segmente darüber (E-Klasse aufwärts, AMG und Vans) hat Daimler hingegen die Entwicklung rein elektrischer Plattformen ebenfalls bis 2025 angekündigt.  © auto motor und sport

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