Der neue Ducati Streetfighter V4 S basiert konsequent auf der neuesten Panigale-Superbike-Technik, wurde 6 PS stärker und 4 Kilogramm leichter. Auf der Rennstrecke Andalucia beweist die 2025er-Kreation des Power Nakeds einen Feinschliff, den man einem solchen Viech zunächst kaum zutraut.
Beim neuen Ducati Streetfighter V4 und V4 S kommt der Desmosedici Stradale in Euro5+-Konfiguration zum Einsatz, und zwar unbeschnitten. Während sich das Vorgängermodell mit 208 PS Spitzenleistung begnügte und damit einen gewissen Respektabstand zum Superbike wahrte, sind es beim 2025er-Modell sage und schreibe 214 PS geballte Power: immer noch zwei weniger als beim Superbike Panigale V4, weil die Ingenieure durch das nackte Layout ohne Verkleidung den Luftstrom beim V4-Straßenkämpfer nicht ganz so effizient hinbekommen wie beim vollverkleideten Superbike – geschenkt!
Ducati Streetfighter V4 mit noch mehr Punch aus der Kurve
Im Gegensatz zur Panigale genießt der Ducati Streetfighter V4 dafür eine kürzere Endübersetzung mit 15er- statt 14er-Ritzel und einem Kettenblatt mit 42 statt 41 Zähnen, bietet daher noch mehr Punch aus der Kurve. Auch so rennt der Streetfighter gegen Ende der langen Gegengeraden des Andalucia Circuit bereits im fünften Gang Tacho 280 km/h – eine Gangstufe wäre sogar noch übrig, nur das Asphaltband dafür nicht lang genug.
Wie schnell die offiziell mit 270 km/h angegebene Ducati Streetfighter V4 S wirklich läuft, konnten selbst die Techniker vor Ort nicht sagen, allerdings zeige der Tacho nach 299 km/h eh nur noch drei Striche an. Natürlich sind solche hohen Geschwindigkeiten mit einem Naked Bike sensationell, sogar etwas irre. Aber das eigentliche Kompliment geht ohnehin weniger an die schiere Gewalt als an die saubere Abstimmung des Motors. Selbst wenn man sein Ansprechverhalten und die Leistungsabgabe mit "High" oder "Full" auf die stärksten und direktesten Level setzt, liefert der Antrieb der Ducati Streetfighter V4 S nichts als sauber verwertbare Power, seine Dosierung ist erstaunlich stressfrei und punktgenau.
Video: Fahrbericht: Ducati Streetfighter V4 S (2025)
Neuer Streetfighter V4 wurde leiser
Mit 77 dB Stand- und 105 dB-Fahrgeräusch wurde der ehemalige Krawallbruder noch dazu leiser. Auf dem Papier mögen die Werte noch immer nach Übertreibung aussehen, real klingt die Ducati Streetfighter V4 in Euro5+-Konfiguration selbst bei schneller Vorbeifahrt weniger vulgär. Dank des neuen und effizienteren Kühlers gelang noch dazu eine bessere Thermik, obendrein strahlt die Maschine längst nicht mehr so viel Hitze in Richtung Fahrer aus wie das Vorgängermodell.
Die Assistenzelektronik der Ducati Streetfighter V4 S ist mit derjenigen des Superbikes Panigale identisch, aber für die Belange eines Power Nakeds feingetunt. Das bedeutet Race eCBS (eine sportive Kombibremse, die am Hinterrad situationsgerecht mitbremst und so engere Linien ermöglicht) plus weitere ABS-Modi, Traction Control, Wheelie Control, Slide Control, Power Launch ("Rennstarthilfe"), Quickshifter mit Blipper neuester Generation, Engine Brake Control (Motorbremse), all das in mehreren Stufen, sowie das neueste elektronische Fahrwerk (semiaktive Öhlins-Ware namens Smart EC 3.0) sind genau so an Bord wie ein Pit Limiter.
MotoGP-Technik im Streetfighter
Weiterhin gibt es an Bord des Ducati Streetfighter V4 S die 4 Fahrprogramme Race, Sport, Road und Wet sowie die teils bereits im Motorenkapitel angesprochenen Power-Modi Low, Medium, High und Full. Sämtliche Fahrhilfen verrichten ihren Dienst mit Einbezug des DVO (Ducati Vehicle Observer). Das sind spezielle Algorithmen, die das Vorhandensein von 70 zusätzlichen Sensoren simulieren – MotoGP-Technik, sagt Ducati. Mithilfe dieses speziellen Scans wird der Fahrzustand der Maschine exakt erfasst und die Elektronik noch genauer darauf angepasst.
In der Praxis äußert sich das in erster Linie durch eine sehr feinfühlig arbeitende Traktionskontrolle, die den Schlupf am Hinterrad blitzsauber modelliert. Man kann über das Display während der Fahrt kontrollieren, ob eine Assistenz arbeitet – das jeweilige Feld der Anzeige ist farbig hinterlegt und leuchtet bei Aktivität auf. Am häufigsten (bei zügiger Fahrt praktisch in jeder einzelnen Kurve) regelt die TC.
Wheeliekontrolle hat alle Hände voll zu tun
Auch die Wheeliekontrolle hat alle Hände voll zu tun, weil das Vorderrad des Ducati Streetfighter V4 S beim Durchladen gern leicht wird – besonders hier auf der anspruchsvollen Strecke Andalucia, weil man an so vielen Wegpunkten druckvoll durch Senken und über Kuppen brettert. In den Arbeitsbereich der Slide Control zu fahren, gestaltet sich dagegen gar nicht so einfach – vor allem mit noch frischen Reifen beißt sich die Ducati mit aller Macht in den Asphalt und grippt vorn wie hinten megamäßig. Fürs Protokoll: Montiert sind Pirelli Diablo Superbike-Slicks in SC1-Mischung.
Video: New Streetfighter V4 (1080p)
Kombibremsfunktion im ABS-Modus 1
In Sachen eCBS gilt die Beobachtung: Man will es auf der Rennstrecke nicht missen. Aktiv ist es in ABS-Modus 1 und hilft immens beim späten und harten Bremsen. In Andalucia gibt es nicht viele Kurven, in die man wirklich mit hoher Geschwindigkeit hineinfährt und gleichzeitig auf der Bremse zum Scheitel manövriert, meist schließt man das Bremsmanöver zuvor ab. Viele Radien verlaufen so eng, dass man bereits vor Kurveneinfahrt viel Geschwindigkeit abbauen muss – auch dabei hilft eCBS, gefühlt steht bessere Verzögerung zur Verfügung als in einem der anderen ABS-Modi ohne die Kombibremsfunktion.
In der gefürchteten Dreifach-Rechtskurve von im hintersten Teil Andalucias heißt es ganz am Ende der Sektion nochmals punktgenau in Schräglage Abbremsen, damit man auf der schnellsten Linie in die sich anschließende Sektion einfädelt. Genau diese Linie trifft man mit aktiviertem eCBS leichter und mit gefühlt höherer Fahrwerksstabilität. Am Ende arbeiten sämtliche Assistenzen des Ducati Streetfighter V4 S nachvollziehbar, vertrauenerweckend und für den Fahrer; die individuellen Abstimmungsmöglichkeiten sind himmelweit.
Chassis, Fahrwerk, Räder und Bremse
Auch beim Chassis stand das Superbike Panigale Modell für den Ducati Streetfighter V4, am leichtesten erkennbar an der kunstvoll gefertigten Zweiarmschwinge des Streetfighters. Der gesamte Hinterbau ist inklusive des neuen Alu-Schmiederads 3,27 kg leichter als der einarmbeschwingte Teil des Vorgängermodells, zudem flext die neue Schwinge (37 Prozent reduzierte Längssteifigkeit) besser. Beim überarbeiteten Alu-Frontrahmen wurden 950 Gramm eingespart und die Steifigkeit um 40 Prozent reduziert. All das geschah im Bestreben, dem Ducati Streetfighter V4 mehr Gefühl in Schräglage einzuhauchen – dann nämlich, wenn die Federelemente aufgrund der Fahrsituation nicht mehr adäquat dämpfen können.
Bisher nicht gekannte Stabilität
Kurzum liegt der Ducati Streetfighter V4 S mit Öhlins Smart EC 3.0-Ware richtig prall in jeglichen Kurven, fahrwerkt stabil, mitteilsam, findet immer Grip und bewahrt beim Rausbeschleunigen bisher nicht gekannte Stabilität. Das wilde Rühren und Schütteln, das teils beim Vorgängermodell auftrat, hat die 2025er-Inkarnation des V4-Fighters zumindest in der S-Version abgelegt. Dass die Maschine zudem leicht fährt und sauschnell, aber mit hoher Präzision umlegt, wird keinen ernsthaft überraschen.
Insgesamt wiegt der neue Satz Alu-Schmiederäder beim S-Modell immerhin 2,17 kg weniger als die Guss-Teile des Standardmodells, das zudem nicht mit Öhlins, sondern mit Showa-Gabel und Sachs-Federbein (beides voll einstellbar) kommt. Und ja, die neuen Winglets stehen generell mal wieder recht exponiert seitlich am Fahrzeug heraus und zwingen der Silhouette des Ducati Streetfighter V4 eine maximal bullige Erscheinung auf. Die Teile sind aber auch effizient, bei 270 km/h sollen sie 17 Kilogramm mehr Anpressdruck (insgesamt 45 kg) bringen als beim Vorgängermodell. Weil wir selbst bei 280 km/h keine unruhige Front erlebten, scheint die Angabe zu stimmen.
Ganz erstaunlich, wie wenig Lenkmomente sich der Ducati Streetfighter V4 trotz der breiten Lenkstange einfängt, selbst wenn man richtig hart bolzt! Sowieso gut, dass die Brembo-Hypure-Monoblocs (einen Hauch leichter als Stylema-Zangen sowie thermisch eine Nuance unempfindlicher) bärig und genau verzögern. Am Ende des 6. und letzten Turns war zwar leichtes Fading zu beobachten, aber das geht mutmaßlich auf das Konto der für den Straßeneinsatz ausgelegten Beläge.
Sitzposition auf dem Ducati Streetfighter V4
Die Sitzposition auf dem neuen Ducati Streetfighter V4 fühlt sich erneut nach Panigale an, Superbike-mäßig eben – lässt man die breite und 10 mm näher zum Fahrer gekröpfte Lenkstange einmal außen vor. Kein Wunder, denn auch hier ist der im Kniebereich schön schmal ausgeformte Tank verbaut. Weiterhin wurde das angenehm straff und dick aufgepolsterte Sitzkissen analog zur Panigale breiter und länger ausgeformt und damit ein großzügiges Platzangebot geschaffen. Noch dazu erzielen die um 10 mm nach innen versetzten Fußrasten einen spürbaren Effekt, denn man rastet dadurch großflächig und gefühlvoll auf dem Streetfighter ein – auch das wiederum eine Art Feintuning für noch mehr Kontrolle beim Geradeausfahren, aber auch in Schräglage.
Fazit
Ducatis Streetfighter V4 S präsentiert sich 2025 technoider als zuvor. Im Fahrverhalten gleicht er sich dem Superbike Panigale an, liegt ruhiger als das Vorgängermodell, fährt insgesamt geschliffener und müheloser. Sagen wir es frei heraus: Wir sprechen hier über einen Streetfighter V4 S, wie man ihn in Summe seiner Eigenschaften haben möchte, weil er praktisch in allen Belangen nachlegt. Schön, dass er sich einerseits sozialverträglicher inszeniert, andererseits aber auch sein unnachahmliches Theater bewahrt. Dem Spektakel dieses Power Nakeds reicht so schnell nichts das Wasser. © Motorrad-Online