Erstmals im Frühjahr 2024 präsentierte BMW ein automatisiertes Kupplungs- und Schaltsystem, kurz ASA, an einer R 1300 GS. MOTORRAD testet das System.

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Kurz gesagt, ASA schmeckt. Und zwar sehr. Der Start der Automatik-GS erfolgt mit angezogener Parkbremse. Die GS aktiviert sie praktischerweise von allein, sobald man den Motor in den Schlaf versetzt. Für Rangieren ohne Motorunterstützung aktiviert ein langer Druck auf den Schalthebel auf Wunsch den Leerlauf (vorausgesetzt, die Zündung und damit der Strom ist noch aktiv). Ein kurzer Druck hingegen legt wie gewohnt den ersten Gang ein. Ungewohnt ist allerdings, dass kein Griff zum Kupplungshebel dafür nötig ist, weil hier ohnehin keiner vorhanden ist.

Video: Vorstellung: BMW ASA - Neue Automatik für die BMW R 1300 GS

Tolle Funktion des BMW ASA im ersten Test

Mit dem Dreh am Gasgriff kuppelt ein Stellmotor sanft und kontrolliert ein, worauf sich die GS ebenso in Bewegung setzt. Genauso unmerklich elegant wird wieder ausgekuppelt, sobald man sich dem Stillstand nähert. Ruckeln, Drehzahlsprünge und damit brenzlige Situationen beim langsamen Rangieren, Wenden oder Stop-and-Go: Fehlanzeige. Gefühlt ist der Kraftschluss ähnlich fix, berechenbar und konstant wie bei einer gut abgestimmten Roller-Variomatik, allerdings ohne das nervige Halten der Drehzahl im Anschluss.

Cleveres Automatik-Getriebe von BMW

Nun gilt es nur noch per Taste linkerhand zwischen automatischem (A-Modus) oder manuellem Schalten (M-Modus) zu wählen. Ersterer wählt die Schaltpunkte erstaunlich intuitiv und nah an der Wahl eines routinierten Motorradfahrers, wobei der gewählte Fahrmodus und das Engagement am Gashebel deutlichen Einfluss haben.

Wenn Modus und/oder Gasbefehl Dynamik suggerieren, wird tendenziell spät hoch und früh heruntergeschaltet, stehen die Zeichen auf Entspannung, verhält es sich genau andersherum. Fährt man flott und fließend im Bereich von Viertel- bis Vollgas, was angesichts der immensen Breitschultrigkeit des Boxers ziemlich praxisnah ist, wird zwischen 3.000 und 6.000 Umdrehungen hochgeschaltet.

Zwischen den vier getesteten Fahrmodi (Eco, Rain, Road, Dynamic) liegen dabei je ziemlich genau 1.000 Umdrehungen. Kommt feiste Querdynamik hinzu, verlässt die Getriebelogik schnell die vorgefertigten Korridore und passt sich wirklich auffällig gut an die neue Situation an, mehrdimensionaler Sensorik und Verarbeitung sei Dank.

Video: Alpen Masters 2024: BMW R 1300 GS vs Honda CRF 1100 Africa Twin AS ES DCT

Boxer mit Kick-Down

Korrekturen der Gangwahl sind dank des Schalthebels am linken Fuß jederzeit möglich, aber selten nötig. Das massive Drehmoment des 1300er-Boxers lässt bei eventueller falscher Gangwahl, ob nun vom Fahrer oder vom System, sowieso große Milde walten. Und auch grobe Fehlbedienungen sind nahezu unmöglich.

Jeder Gang hat eine Mindest- und Maximaldrehzahl, bewegt man sich außerhalb dieses dank Boxerpower sehr weiten Bereichs, werden Schaltbefehle schlicht ignoriert. Beim Verzögern bis zum Stillstand wird auch hier spät aber abwürge-resistent runtergeschaltet und schlussendlich der erste Gang eingelegt.

Sieht das System nach einem manuellen Eingriff übrigens keinen Handlungsbedarf mehr, etwas nach einem Überholvorgang, schaltet es sich nach wenigen Sekunden wieder in den Automatikmodus. Eine andere Form der schnellen Manipulation ist ein beherztes Abklappen der Gashand, wodurch unmittelbar ein Gang runtergeschaltet wird, was wiederum in fast jeder Drehzahl- und Gangkombination genug Kraft für nahezu jede Überholsituation bereitstellt.

Erstes Fazit zum neuen Automatik-Getriebe von BMW

Alles super also? Fast. Beim automatischen Schalten sind die Gangwechsel sowohl akustisch als auch haptisch deutlich spürbar. Der Schaltruck ist natürlich lastabhängig, aber gefühlt etwas stärker als bei einem konventionellen GS-Getriebe mit Quickshifter. Abhilfe schafft hier der manuelle Schaltmodus, welcher die Gänge in aller Regel spürbar sanfter und auch schneller wechselt. Auch gibt es anders als im Automatikmodus hier die Möglichkeit, die einzelnen Fahrstufen voll auszudrehen, auf Wunsch sogar mit albernem, aber gefühlsechtem nä-nä-nä-nä am Begrenzer. Jenen hält der A-Modus nämlich auch bei voller Beschleunigung immer ein paar Hundert Umdrehungen auf Distanz. Hier ist das Fahrerlebnis also wirklich sehr nah an der quickgeshifteten GS ohne Automatik.

Doch auch bei so viel Licht etwas Schatten. Da der Schalthebel mechanisch nicht direkt mit dem Getriebe, sondern nur mit einem Aktuator verbunden ist, welcher das Getriebe bedient, ist das Schalten an sich zwar super smooth, das Feeling am Fuß aber sehr synthetisch: Klare Rastung und Rückmeldung, das haptische Spüren, wie die Zahnräder ineinander klonken: Nein, leider gar nicht. Nun, sehen wir es mal positiv: In dieser Hinsicht bekleckern sich konventionelle Getriebe an großen bayerischen Boxern bis heute ja nicht mit Ruhm. So gesehen wiederum fast eine Verbesserung – für 2.525 Euro inklusive des Dynamik-Pakets allerdings definitiv keine günstige.

Automatisiertes Schaltgetriebe für vereinfachtes Fahren

Das ASA-System kommt ohne Doppelkupplung oder Wandler aus: Kupplung und Schaltung werden elektromechanisch über Aktuatoren betätigt. Der Aufbau entspricht einem automatisierten sequenziellen 6-Gang-Schaltgetriebe. Anders als beim E-Clutch-System von Honda entfällt der manuelle Kupplungshebel. Der Ausgleichsbehälter hat seinen neuen Platz am Motorgehäuse, ebenso das neue Steuergerät. Abgesehen vom fehlenden Kupplungshebel am Lenker ist das ASA-System optisch unauffällig, da komplett integriert – und mit angeblich 2,1 Kilo vergleichsweise leicht.

Manuell oder automatisch schalten

Im manuellen Fahrmodus "M" behält der Fahrer die Kontrolle über den Schaltzeitpunkt. Das ASA-System schaltet durch Eingaben am Fußhebel, analog zum Schalten mit Quickshifter. Abwürgen ist nicht mehr möglich. Unterschreitet die Drehzahl einen Schwellenwert nahe der Leerlaufdrehzahl, schaltet die Elektronik selbst im manuellen Modus automatisch runter oder kuppelt aus. Im Automatik-Modus "D" sind die Schaltvorgänge automatisch und charakterlich an den gewählten Fahrmodus angepasst. Laut BMW sollen die Gangwechsel genauso schnell vonstattengehen wie mit dem bisherigen Quickshifter, von BMW Schaltassistent (Pro) genannt. Außerdem kann die Automatik jederzeit durch manuelle Schaltbefehle überstimmt werden.

Video: Fahrbericht: Honda CB 650 R und CBR 650 R mit E-Clutch

Dynamik trotz Automatik

BMW betont, dass der Charakter des jeweiligen Modells mit dem ASA-System erhalten bleibt. Versprochen werden gewohnt geschmeidige Gangwechsel, die im Automatik-Betrieb spürbar und dynamisch sein sollen. Ob das stimmt, bleibt abzuwarten: Selbsterfahrung war bisher nicht möglich. Ersatzweise konnten wir das System bereits im Offroad-Einsatz beobachten. Demonstriert wurde das Anfahren und Anhalten an unbefestigten Steilhängen, Rangieren und Wenden sowie Beschleunigungs- und Bremsmanöver bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Erster Eindruck: Sowohl im automatischen als auch im manuellen Modus scheint das ASA-System schon auf Vorserien-Stand gut zu funktionieren, es wirkt durchdacht und reagiert sogar auf spezielle Fahrsituationen wie etwa harte Bremsmanöver. Insbesondere für Offroad-Anfänger könnte das ASA-System im Gelände eine sinnvolle Unterstützung sein – und im Stadtverkehr die Nerven schonen.

ASA für BMW R 1300 GS und weitere R 1300-Modelle

Welche BMW-Motorräder konkret mit ASA erhältlich sein werden, wurde bisher nicht verraten. Von der R 1300 GS als gezeigtem Entwicklungsträger und wichtigstem Modell ist auszugehen. Hier wurde das Getriebe im Hinblick auf den für die ASA-Komponenten benötigten Bauraum konstruiert. Bei zukünftigen R 1300-Modellen mit dem neuen Boxer-Motor, also bei RT, R und RS, ist der neue Schaltassistent ebenfalls zu erwarten. Laut BMW wäre das ASA-System grundsätzlich, mit mehr oder weniger Aufwand, bei jedem Modell applizierbar. Es sei jedoch vorerst nur als Option für höherpreisige Modelle geplant. Auf Mittelklasse-Bikes wie der neuen F 900 GS muss also voraussichtlich weiter geschaltet werden, allenfalls erleichtert durch den bereits bekannten Schaltassistenten. BMW stellte die Präsentation serienreifer ASA-Modelle für die zweite Jahreshälfte 2024 in Aussicht. Der Aufpreis liegt als obligatorischer Teil des Dynamik-Pakets inklusive semi-aktivem Fahrwerk bei 2.525 Euro.

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Fazit

Kuppelt und schaltet automatisch: BMW Automated Shift Assistant, kurz ASA, erstmals vorgestellt im Frühjahr 2024. Manuelles Kuppeln ist hier ohne Handhebel nicht mehr möglich – und nicht mehr nötig, automatische Schaltvorgänge sind optional. Bei der ersten Vorführung hinterließ der ASA-Prototyp, eine R 1300 GS, einen überzeugenden ersten Eindruck. Wann und an welchen weiteren BMW-Modellen das ASA-System verfügbar sein wird, hat BMW bislang nicht umfassend verkündet. Voraussichtlich ab Herbst 2024 bei den R 1300-Modellen. Zusätzliches Gewicht: 2,1 Kilogramm, Aufpreis: 2.525 Euro inklusive Dynamik-Paket.  © Motorrad-Online

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