Ferrari hat ein V12 mit Langloch-Kolben patentiert – eine Technik, die zunächst verrückt klingt, aber bei genauerem Hinsehen eine der Lösungen für die Zukunft des Verbrennungsmotors sein könnte.

Mehr zum Thema Mobilität

Ferrari hat beim Europäischen Patentamt ein Patent zu einem V12-Motor mit Langloch-förmigen Kolben eingereicht – Autoguide hat dies als Erster entdeckt. Die umgangssprachlich auch "oval" genannte Kolbenform ist nicht neu – Honda hat bereits 1979 bei Rennmotorrädern sogenannte Ovalkolben-Motoren eingesetzt. Seinerzeit wollten die Ingenieure für eine bessere Zylinderfüllung mehr Ventile über dem Brennraum unterbringen – beim Vierzylinder-V-Motor des Rennmotorrads Honda NR 500 waren es acht pro Zylinder. Die Langlochform verlief parallel zur Kurbelwelle und machte pro Kolben zwei Pleuel notwendig.

Die schwer auslegbare Ringspannung der Kolbenringe, das etwas höhere Motorgewicht und die stärkere Motor-Bremswirkung verkehrten die Vorteile ins Negative. 1987 legte Honda mit der NR 750 trotzdem ein weiteres Motorrad mit Ovalkolben-Motor auf, das es 1991 in einer limitierten Stückzahl auch als Serienversion für Privatkunden gab – dann war erstmal Schluss mit der prestigeträchtigen, aber technisch nicht vorteilhaften Kolbenform. Ferrari bringt den Langlochkolben-Motor jetzt wieder als Patent zurück – mit der Konstruktion von Honda hat das Aggregat, bis auf die Kolbenform, nichts gemein.

Möglichst kurzer V12

Bei Ferraris V12-Patent sind die Langloch-Kolben zur Kurbelwelle um 90 Grad gedreht. Eine geometrisch korrekte Beschreibung der Kolbenform ist, dass zwei gleich große Halbkreise durch zwei tangentiale Geraden miteinander verbunden sind. Die Ausrichtung der Langlöcher im rechten Winkel zur Kurbelwelle könnte ein Hinweis sein: Dadurch ließe sich der Motor in Kurbelwellen-Richtung kürzer bauen – die Brennräume sind sozusagen gestaucht. Ein weiterer Vorteil der Kolbenausrichtung ist, dass pro Zylinder weiterhin nur ein Pleuel notwendig ist. Die Herausforderung mit der Spannung der Kolbenringe müssen dann allerdings auch die Ferrari-Ingenieure meistern.

Die Konstrukteure nutzen einen innovativen Trick, um den V12 noch kompakter zu machen: Anlenkpleuel mit Haupt- und Nebenpleuel. Bei den meisten V-Motoren sitzen jeweils zwei Pleuellager nebeneinander auf einem Kurbelzapfen. Dies führt bei den beiden Zylinderreihen zu einem kleinen Versatz, was den Motor in Kurbelwellen-Richtung verlängert. Beim Anlenkpleuel teilen sich Haupt- und Nebenpleuel einen Pleuelfuß und benötigen somit nur ein einzelnes, auf dem Kurbelzapfen sitzendes Pleuellager. Dies verhindert den Versatz der Zylinderreihen und ermöglicht damit eine kompaktere Motorenbauweise. Den Anlenkpleuel hat der Schweizer Ingenieur Arnold Zoller für den Einsatz in Doppelkolbenmotoren erfunden und 1932 zum Patent angemeldet. Bei Sternmotoren sind Anlenkpleuel mit mehreren an den Hauptpleuel gekoppelte Nebenpleuel Standard.

Viele Vorteile mit ams+
Erhalten Sie werbereduzierten Zugang zu allen Inhalten von auto-motor-und-sport.de inkl. der digitalen Zeitschrift als E-Paper. Monatlich kündbar.

Mittelmotor und/oder Hybrid

Ferrari könnte einen besonders kompakten V12 beispielsweise als Mittelmotor einsetzen – in dieser Einbaulage sind die Platzverhältnisse häufig besonders eng. Außerdem wäre ein bauraummäßig kleiner Verbrennungsmotor eine ideale Komponente für ein Hybridsystem. Die Produktion eines Motors mit Langloch-Kolben ist allerdings erheblich aufwendiger als die eines mit klassisch runden Kolben. Ob Ferrari seinen Langlochkolben-V12 in Serie bringt, ist offen.  © auto motor und sport