Ein fast hundert Jahre alter Ford arbeitet wie selbstverständlich im Fuhrpark einer Straßenbaubehörde in Michigan. Warum?
Pferdekutschen im Straßenverkehr, das birgt ein Gefahrenpotenzial. Was schon 1908 zum Debüt des ersten am Fließband gebauten Serienautos galt, stimmt noch immer. Damals begann Henry Ford damit, die USA in all ihrer Größe für den Normalverdiener im eigenen Auto erreichbar zu machen. Weil das Straßennetz damals bestenfalls aus Kutschpfaden für Fuhrwerke bestand, orientierte sich Ford an einem wichtigen Detail.
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Das hat der Ford mit den Kutschen gemein
In den nördlichen Bundesstaaten der USA, die vor seinerzeit nicht mal 50 Jahren nach dem großen Bürgerkrieg die Regierungsgeschicke des ganzen Landes ausführten, galt für kleinere Pferdefuhrwerke zum Personentransport eine Norm, die festhielt, dass die Spurweite der sogenannten Buggies zwischen 56 und 64 Zoll (etwa 1,42-1,62 m) betragen soll. Nicht ohne Grund. Stark befahrene Wege bekamen mit der Zeit tiefe Furchen durch die konstante Abnutzung durch Kutschenräder mit Eisenringen. Wer hier nicht in den Spurrillen fahren konnte, sondern drumherum lenken musste, hatte schlechte Karten. Noch heute sind derartige Spuren an alten Abschnitten des Oregon Trails zu sehen – damals eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen für Siedler. An dieser Breite orientierte sich übrigens nicht nur Ford. Die meisten Eisenbahnschienen zu dieser Zeit hatten genau jene Spurweite. So gab es zahlreiche Ford Ts mit optionalen Scheibenrädern für die Nutzung auf der Schiene.
Dass das Ford Model T also mit seinen großen schmalen Rädern auf die ausgefahrenen Kutschpfade passen sollte, klingt zunächst logisch. Aber warum ist das heute noch wichtig? Die Antwort ist simpel: In weiten Teilen des Mittleren Westen der USA, sowie an der Ostküste gehören Buggies noch immer zu alltäglichen Fortbewegungsmitteln. Und der alte Ford? Der hilft, das Fahrprofil der Kutschen zu simulieren. Und zwar genau da, wo Glaubensgemeinschaften wie die Amish oder die Mennoniten ansässig sind.
Genug Platz für die Amish
Eine dieser Regionen ist der mittlere Teil des Bundesstaats Michigan. Westlich von Detroit, der Geburtsstätte des US-Automobilbaus liegt die Grand Region im großen Umkreis um die Stadt Grand Rapids. Weil hier viele Amish und Mennoniten mit ihren Buggies auf den Seitenstreifen der Landstraßen unterwegs sind, bemüht sich die Verkehrsbehörde darum, ausreichend breite Standstreifen auf wichtigen Landstraßen zu bauen und instand zu halten.
"Wer in einem Model T fährt, hat am Straßenrand in etwa das gleiche Fahrgefühl wie in einem Amish Buggy. So haben wir die Möglichkeit, loszufahren und eine Straßenprüfung auf den Seitenstreifen durchzuführen, die die Verhältnisse für die Amish auf unterschiedlichen Fahrbahnen und Untergründen zeigt, ohne die Amish selbst dazu aufzufordern, oder unser Personal in Gefahr zu bringen. Die Amish Buggies sind nicht sehr sicher und nicht allzu schwer. Da würde ich mir große Sorgen machen, dass jemandem etwas passieren könnte," sagt Del Kirkby, Manager des Transportation Service Centers der Grand Region.
Er deutet auf schwere Unfälle hin, die immer wieder passieren, wenn Autos oder Lastwagen zu dicht an den Pferdefuhrwerken vorbeifahren. Das erschreckt entweder die Pferde, oder bringt die ohnehin nicht sehr spurtreuen Kutschen ins Schlingern.
Testfahrten mit einem (fast) 100-Jährigen
Mit dem Ford, einem späten Exemplar von 1927 oder 1928, fahren Kirkby und seine Angestellten entsprechende Seitenstraßen ab und untersuchen den Zustand der mal befestigten und mal geschotterten Spuren. Besonders wichtig ist die Mitte des Streifens, in der das Zugpferd läuft. Gibt es hier größere Löcher oder Geröll, kann das Pferd stolpern, was an einer viel befahrenen Landstraße ein weiteres Sicherheitsrisiko darstellt. Die Behörde arbeitet daran, langfristig eine Breite von rund 8 Fuß, also etwa 2,44 Meter, an allen Highways zur Verfügung zu stellen.
Übrigens: Der fast 100 Jahre alte Ford dürfte deutlich älter sein, als die meisten Amish Buggies, die heute in den USA unterwegs sind. Anders als die "Tin Lizzie" werden die nämlich noch immer als Neufahrzeuge produziert. © auto motor und sport
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