BMW testet derzeit einen Prototyp, der so gar nicht in das teilweise bekannte Neue-Klasse-Portfolio passen will. Versuch einer Annäherung.
Das wissen wir: Es handelt sich fix um ein Modell von BMW, die Tarnfolie sowie die Begleitumstände sprechen eine eindeutige Sprache, das erwischte Modell ist außerdem bestätigt ein reines Elektroauto.
Die Optik
Grundsätzlich gibt der erwischte Erlkönig zahlreiche Hinweise. Die Coupé-Form ist deutlich sichtbar, augenfällig sind die ausgestellten vorderen Radkästen, die konturierte flache Haube sowie die flach stehende Windschutzscheibe. Die Überhänge sind kurz, die Fensterlinie steigt dynamisch an. Der Prototyp zeigt rahmenlose Fenster, im Fensterdreieck beheimatete kleine Außenspiegel sowie eine stärker getarnte Heckpartie. Die Dachlinie läuft extrem flach aus, unter der Tarnung ist vermutlich ein großes Glasdach verbaut – und mündet in einer auffälligen Spoilerlippe mit durchgehendem Leuchtenband und einem expressiven Heckabschluss. Alles in allem erscheint das Modell aerodynamisch stark optimiert.
Auffällig die Kühlluftöffnungen in den Schweller vor den hinteren Rädern, die niedrige Sitzposition der Testfahrer und die deutlich sichtbaren Radnabenmotoren an allen vier Rädern. Ebenfalls einen Blick wert, die Front mit den schmalen Scheinwerfereinheiten, der c-förmigen Spange und der beleuchteten angedeuteten Niere. Dieses Design passt aktuell nicht so ganz zu dem Frontend der Neue-Klasse-Studien.
Aber, um welches Modell handelt es sich nun?
- Mit Blick auf die neueste Studie BMW Concept Skytop erscheint zumindest die Partie hinter den Sitzen und der Heckabschluss ähnlich. Der BMW Targa soll in einer Kleinserie auf den Markt kommen. Die Studie war indes mit einem leistungsstarken V8-Motor ausgerüstet. Chance: 0 Prozent
- Bei dem Thema Performance-Modell mit Radnaben-Motoren werden auch gleich die Erinnerung an den ersten Prototypen des kommenden BMW M3 wach. Mit Blick auf die filigrane Optik und die vergleichsweise kleinen Radnaben-Motoren scheidet dieses Modell mit seinen 1.360 PS wohl ebenfalls aus. Denn solche Leistungen sind mit kleinen Radnabenmotoren, deren Umdrehungsmaximum auf Raddrehzahl begrenzt ist, nicht darstellbar. Chance: 0 Prozent
- Die kompakte Bauweise ließe auch den Schluss zu, dass es sich bei dem Erlkönig um den ersten Prototypen eines BMW M2-Nachfolgers handelt. Indes gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass die BMW 2er-Reihe ein Teil der Neuen Klasse sein wird. Auch wirkt das Design des Prototyps zu progressiv. Chance: 1 Prozent
Blicken wir also erstmals auf einen neuen BMW-Sportwagen im Stile eines i8 oder gar auf einen eigenständigen Sportwagen der M GmbH?
Rückblickend war der i8 als Technologie-Träger für BMW mehr als nur ein reiner Sportwagen. Er transportierte bereits als Studie Vision Efficient Dynamics die gleichnamigen Energiespartechniken und zeichnete sich unter anderem durch einen niedrigen cW-Wert von 0,22 (Serie: 0,26) sowie einen Plug-in-Hybrid-Antriebsstrang mit Dreizylinder-Motor und Leichtbaukomponenten aus.
Mit dem BMW M Next von 2019 und später mit dem Vision M Next hatten die Münchener einen Ausblick auf einen kommenden Sportwagen der Marke gegeben. Quasi als Reminiszenz auf den M1 und den i8. 2020 hatte BMW die Arbeit an diesem Modell indes eingestellt. Nichtsdestotrotz weckt der erwischte Erlkönig schon ein wenig die Erinnerung an diese Studien. Der Vision M Next ist 1,28 Meter hoch (1,6 Zentimeter flacher als der i8), 2,01 Meter breit und damit 7,1 Zentimeter breiter als der i8. Mit 4,58 Meter ist Concept Car zudem 10,7 Zentimeter kürzer als das Hybrid-Coupé. Trotz des minimal längeren Radstands (2,82 statt 2,80 Meter) ist das Concept Car nur zweisitzig. Beim M Next sorgen zwei E-Motoren pro Achse für den Vortrieb, wobei BMW keinerlei Serienbezug sieht.
Batteriepack im Heck?
Die niedrige Sitzposition der Insassen sowie die Lufteinlässe in den Schwellern des Erlkönigs legen nahe, dass beim Erlkönig das gesamte Batteriepack im Heck des Fahrzeugs verbaut ist. Hier dürften die neuen Rundzellen-Module zum Einsatz kommen, die BMW für die Neue Klasse vorsieht. Anders als die bisher prismatischen Zellen sind sie in der Neuen Klasse ohne Module nach einer von BMW als "Cell to open Body" Methode in den Fahrzeugboden integriert. Die zylindrischen Zellen erlauben eine höhere Energiedichte, mehr Ladetempo, mehr Reichweite und niedrigere Kosten. Die Reichweite liegt in der Neuen Klasse bei über 750 Kilometer, die DC-Ladedauer (10 auf 80 %) soll bei 22 Minuten liegen.
Bei den Radnabenmotoren könnten ebenfalls eine neue Technik zum Einsatz kommen. Hier dürfte die Kooperation mit Deep Drive eine Rolle spielen. BMW ist an dem Münchener Unternehmen beteiligt, das Doppelrotor-Radialfluss-Motoren als Radnaben-Motoren entwickelt hat. Der RM1250 misst jedoch 19 Zoll und kommt auf bis zu 171 PS und satte 1.250 Nm Drehmoment, wiegt aber lediglich 32 Kilogramm. Die sichtbaren Radnaben-Motoren beim Erlkönig erscheinen indes deutlich kleiner. Zudem ist aus Kreisen von Deep Drive zu hören, dass man in Bezug auf die BMW-Kooperation noch nicht so weit sei, die Technik in einen Erlkönig zu verbauen.
Was spricht für einen i8
Sicher das expressive Design, Leichtbau, die Aerodynamik sowie weitere Technologie-Innovationen. Außerdem subsumiert BMW unter der Neuen Klasse-Nomenklatur künftig Highend-Modelle wie den i7 oder eben einen möglichen i8. Dagegen sprechen die vergleichsweise kleinen Radnaben-Motoren. Chance: 48 Prozent
Was spricht für einen reinen M-Sportwagen
Schon länger wabert ein reines M-Sportwagenmodell durch die Gerüchte-Küche, auch befeuert durch die M Next-Studie. Das eigenständige Modell unter der internen Nomenklatur ZA wäre ebenfalls mit einem polarisierenden Design ausgeführt. Die Modifikation der Neuen Klasse-Architektur mit vier Radnaben-Motoren wie beim elektrischen M3 sprechen ebenfalls für das M-Modell. Die Größe der Motoren ist auch hier ein Contra-Argument. Chance: 50 Prozent
Und was spricht für einen Sportwagen in Kooperation mit Rimac
Der kroatische Hersteller von Highend-Elektrosportwagen hat unlängst die Kooperation mit BMW bekannt gegeben. Auf dem Rimac-Campus entstehen bereits Fertigungsstätten. Der Fokus soll im Bereich der Batterietechnik und der Antriebstechnologie liegen. Nähere Infos zu dem gemeinsamen Projekt gibt es indes nicht, nur so viel: Die "Neue Klasse-Architektur" sei von der Kooperation nicht tangiert. Bei den M-Modellen hat BMW bereits eine neue Ära mit extremer elektrischer Leistung angekündigt. Und vielleicht ist der Erlkönig ein erster Vorbote auf den echten Supersportwagen der Münchner – ggf. in Zusammenarbeit mit der M GmbH. Chance: 50 Prozent.
Diese Neue Klasse-Modelle kommen
Auf Basis der reinen elektrischen Fahrzeug-Plattform "BMW NA" (New Architecture oder Neue Klasse) will BMW zunächst zwischen 2025 und 2028 zunächst sechs Modelle auf den Markt bringen.
Bestätigt sind:
- BMW i3 (NA0, ab 2026) und der i3 Touring (NA1, ab 2027) als elektrische 3er-Limousine bzw. Kombi-Version. Beide laufen in München vom Band, später auch womöglich in China und Mexiko.
- BMW iX3 (NA5, ab Ende 2025) als X3-Nachfolger sowie die Coupé-Version des SUV (NA7, ab 2026), der dann als iX4 firmiert.
Weitere Modelle
- BMW NB5, der den heutigen iX1 beerben wird.
- BMW i1 (NB1) als elektrische Entsprechung der 1er-Reihe (Frontantrieb, Top-Modell mit Allrad).
- BMW i2 (NB2) als Nachfolger des ersten i3 (anders als der mit Frontantrieb, Top-Modell mit Allrad).
Die interne Nomenklatur bei BMW sieht zudem wie folgt aus.
- NA steht für die Heckantriebsmodelle wie i3, i4, iX3 und iX4
- NB charakterisiert die kleineren Modelle mit Frontantrieb wie i1, i2 sowie iX1
- ND symbolisiert die Highend-Modelle wie i7, iX7 und einen möglichen i8
- NE klassifiziert die Mini-Modelle und ggf. die Alpina-Fahrzeuge
- ZA steht für die Performance-Modelle der M GmbH wie den elektrischen M3 (ZA0) den M3 Touring (ZA1) sowie den iX3 M (ZA5) und den iX4 NM (ZA7)
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