Immer mehr bestehen die Führerscheinprüfung nicht. In einer Zeit, in der die Mobilitäts-Alternativen schrumpfen, schließen wir junge Menschen in Teilen von der Verkehrsteilnahme aus – und damit von Jobs und Wohlstand. Was soll das?
2023 bestanden 42 Prozent der Prüflinge die praktische Prüfung für die Führerschein-Klasse B nicht, 2014 waren es noch 36 Prozent. Die Durchfall-Quoten in der Theorie-Prüfung für den Autoführerschein lag 2023 bei 49 Prozent. Das ist im zweiten Jahr in Folge ein neuer Rekordwert. Von 2014 bis 2020 hatte die Nichtbestehens-Quote für die Führerschein-Klasse B zwischen 41 und 44 Prozent gelegen. Besonders misslich: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der 720.000 Wiederholer scheiterte erneut in der Theorieprüfung. "Jede nicht bestandene Prüfung belastet die Fahrschüler:innen psychisch und finanziell", Richard Goebelt vom TÜV-Verband.
Durchfallen macht den Führerschein noch teurer
Dass der Führerschein für viele inzwischen unbezahlbar ist, haben wir hier schon mal kritisch gewürdigt. Die steigenden Durchfall-Quoten werfen ein Schlaglicht auf die Ursachen: Eine Prüfung soll sicherstellen, dass fehlende Fähigkeiten keine unerwünschten Folgen haben, ist aber immer auch eine Barriere. Gutes Beispiel: Ärzte müssen drei Staatsexamina ablegen. Beim Physikum (nach 2 Jahren) fallen immerhin zehn Prozent der Teilnehmer durch, aber die beiden anderen bestehen 97 Prozent. Nun wird niemand ernsthaft argumentieren, der Führerschein sei schwieriger zu erlangen, als Arzt zu werden. Aber Mediziner sind gut vorbereitet, vor der Prüfung studieren sie mehr als sechs Jahre. Kenntnisse und Fähigkeiten, die das Autofahren erfordert, sind sicher vielfach weniger anspruchsvoll. Die Prüfung ist offenbar zu anspruchsvoll – gemessen an der Ausbildung. Sind Prüfungsergebnisse derart schlecht, müssen sich schon Lehrer in der Schule fragen lassen, was mit ihrem Unterricht nicht stimmt.
Das Problem ist die schlechte Ausbildung
Richard Goebelt stellt fest: "Mehrfaches Scheitern ist eher die Regel als die Ausnahme." Er fordert deshalb eine bessere Qualität der Fahrausbildung und eine gezielte Prüfungsvorbereitung. Eine zwar banale, aber im Kern richtige Folgerung. Stattdessen aber hat man die Prüfung schwieriger gemacht: Die praktische Prüfung enthält seit dem 16.1.2021 neue Fahraufgaben und wird elektronisch protokolliert. Und dass seitdem ein Feedbackgespräch die Fahrprüfung ergänzt, hilft allenfalls denen, die wiederholen müssen.
Roland Krause von der Dekra verschiebt den Fokus entsprechend eher auf die Barriere: "In Deutschland bekommt nur einen Führerschein, wer in den Verkehrs- und Verhaltensregeln im Straßenverkehr sattelfest ist und ein Fahrzeug wirklich beherrscht." Eine These, die zur hohen Durchfall-Quote passt und dennoch offensichtlich nicht richtig ist. Denn 18- bis 20-Jährige sind in über 70 Prozent der Fälle die Hauptverursacher ihrer Unfälle – übertroffen werden sie nur von den über 75-Jährigen – also von denjenigen, bei denen die altersbedingten Beeinträchtigungen der Fahrfähigkeiten die Erfahrung überwiegen. © auto motor und sport
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