Menschen, die den Toyota Prius als Kultobjekt verehren, sind im normalen Leben nicht zwangsläufig begeisterte Autoliebhaber. Mit seinem außergewöhnlichen Design und seinem relativ spitzen Nutzungsanspruch ist der Hybrid-Vorreiter zudem kein typischer Allrounder. Und als Gebrauchter? Da wendet sich das Blatt und der Prius wirkt plötzlich klassisch und beinahe vertraut. Lassen Sie uns erklären.

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Video: Toyota Prius Plug-in

1. Ein klassischer Toyota

Ob als Expeditionsfahrzeug, geschundener Mietwagen oder mit nur noch rudimentärer Vollständigkeit auf staubigen Sahara-Pisten: Viele Toyotas besitzen den Ruf unbedingter Zuverlässigkeit und enormer Haltbarkeit. Im Umkehrschluss ist die Marke eher selten dabei, wenn es darum geht, die neuesten Modetrends, die strengsten Sparmaßnahmen oder die üppigsten Verwöhnmodelle zu präsentieren. Bei den Japanern ging es schon immer maßvoll zu; konservative Designs, unzerstörbare Antriebe und langjährige Modellgeschichten. Die Welt staunte nicht schlecht, als man mit dem ersten Prius von 1997 plötzlich alles änderte. Eines war klar: Die Technik des ersten Großserien-Hybridfahrzeugs musste sitzen. Bloß nicht den Ruf ankratzen! Und sie saß – und tut es bis heute. Zwar wurden die nunmehr fünf Generationen der angeschrägten Kompaktlimousine optisch immer extravaganter, doch ihr heimelig-japanischer Charakter trotzdem immer vertrauter. Im zweiten Baujahr, also 2017, unserer hier vorgestellten Generation reihte sich wie bereits beim Vorgänger eine Plug-In-Hybridversion ins Portfolio.

2. Die Zuverlässigkeit

Und wo liegt nun das Haltbarkeits-Geheimnis? Wer sich die Elektro-Komponente des Prius wegdenkt, findet ein erzkonservatives Massen-Weltauto vor. Eine kompakte Quermotor-Plattform mit limousinig-langgestreckten Proportionen, das verkauft sich überall auf der Welt gut (seltsamerweise nur in Europa eher nicht). Unter der Haube sitzt ein freisaugender Verbrenner mit überschaubarer Leistung. Direkteinspritzung? Turbolader? Dieseltreibstoff? All das kann mögliche Fehler mitbringen und erfordert außerdem eine aufwendige Abgasreinigung. Getriebeseitig ließe sich an Fahrspaß, Effizienz und Gewichtsersparnis gewinnen, wenn man auf Schaltgetriebe, Doppelkuppler oder Wandlerautomatik setzen würde. In Sachen Haltbarkeit und globaler Bedienfreundlichkeit lässt sich jedoch die genial-simple Technik kaum schlagen, die Toyota in Form eines Planetengetriebes verwendet, die im Schaltverhalten einem CVT ähnelt. Bis hierhin ein kreuzlangweiliges aber extrem solides Konzept.

Und die Hybridtechnik? Nun, die Synchron-Drehstrommotoren besitzen mangels technischer Komplexität ebenso wenige potenzielle Schwachstellen, wie Steuerungselektronik und Gleichrichter. Die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Software stellt seit jeher eine typisch japanisch minutiöse Entwicklung und Erprobung sicher. Was bleibt, ist der Akku. Der wird zunächst nicht an der Steckdose geladen und muss auch keine verschleißträchtigen Volllast-Attacken überdauern. Sein State-of-Charge (SoC) bewegt sich fast immer nur zwischen rund 20 bis 60 Prozent. Durch diese eher sanfte Nutzung ist bis ins hohe Autoalter zunächst keine übermäßige Degradation festzustellen. Zur Akku-Lebensdauer später mehr.

3. Technik und Fahrverhalten

In diesem Kauftipp dreht sich alles um die vierte Generation des Prius, die von 2016 bis 2022 auf dem Markt war und heute den wichtigsten Teil im Gebrauchtangebot darstellt. Im technischen Aufbau unterscheidet er sich nicht besonders stark von seinem Vorgänger, der ebenfalls mit einem 1,8-Liter Vierzylinder und 98 PS daherkommt. 53 kW leistet der Elektromotor – das sind 7 kW weniger als beim Vorgänger. Der größte Antriebsunterschied besteht in einer weiter gesteigerten Effizienz des Verbrenners, die in erster Linie durch verringerte innermotorische Reibung entsteht und dabei durch eine veränderte Kühlflüssigkeitsführung begünstigt wird. Das Arbeitsprinzip nach Atkinson-Zyklus unterscheidet sich gefühlt nicht von jedem anderen Ottomotor. Eine verlängerte Ventilöffnungszeit im Ansaug- und Verdichtungstakt gegenüber dem Arbeits- und Ausstoßtakt bewirkt zwar eine geringfügig niedrigere Kompression, dabei jedoch weniger Widerstand bei der Aufwärtsbewegung des Kolbens. Ergebnis ist wieder eine gesteigerte Effizienz.

Der Elektromotor sitzt zwischen Motor und Getriebe und ist in engen Grenzen in der Lage als einziger Antrieb zu funktionieren. So rollt man bei gemächlicher Fahrweise die ersten Meter lautlos vom Fleck, bis sich im strategisch richtigen Moment der Verbrenner zuschaltet. Für den fungiert die E-Maschine überdies als Anlasser und Stromerzeuger. Über letzteren verfügt der Prius ebenso wenig wie über einen Keilriemen. All dies steigert – Sie ahnen es – die Effizienz, sodass schon bei normaler Fahrweise fast immer mindestens Verbräuche im realistischen Fünfliterbereich entstehen. In der Stadt und auf Landpartien mit wechselnden Geschwindigkeiten funktioniert das Ganze sehr souverän, auf der Autobahn verpufft die Hybrid-Schubhilfe ab spätestens rund 120 km/h. Vielfahrende Sparfüchse greifen also trotzdem noch besser zum Diesel.

Was hier komplex klingt, ließe sich unterwegs kaum einfacher bewegen. Den kleinen verkünstelten Wählhebel auf D gerückt und los geht’s. Eine EV-Taste verlängert den Elektromodus um ein Mü, außerdem lässt sich der B-Modus anwählen (B wie Bremse), in der eine stärkere Motorbremswirkung – in Wahrheit eine kräftigere Energie-Rekuperation zum Einsatz kommt.

Im Zentraldisplay lässt sich auf unterhaltsame Weise verfolgen, welche Kraft gerade von wo nach wo fließt. In allen anderen Belangen, also in Sachen Lenkverhalten oder Pedalabstimmung gibt sich der Prius maximal unbemerkenswert. Alles geht spielerisch leicht und wirkt ein wenig klinisch entkoppelt. Doch wer erwartet hier schon eine Fahrmaschine?

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4. Das Karosserieformat

So wie sein Fahrverhalten ist auch das Raumkonzept des Prius auf maximale globale Kompatibilität ausgerichtet. Eine relativ lange Kompaktlimousine mit Schrägheck und Heckklappe mag hierzulande zwar nicht auf der Bestsellerliste stehen, doch kann praktisch jeder Weltmarkt etwas damit anfangen – und das nicht ohne Grund. In beiden Sitzreihen gibt es eine erfreulich große Beinfreiheit. Mit 501 (343 im Plug-In-Hybrid) bis 1.633 Litern ist auch das Kofferraumvolumen durchaus akzeptabel. Wichtiger: Durch die große Heckklappe und die ordentliche Grundfläche des eher flachen Kofferraums ist das Ganze durchaus praktisch nutzbar. Weniger angenehm ist die Stufe, die bei umgeklappter Rücksitzbank entsteht. Ob es nun Leichtbau oder doch ein gewisser Sparzwang ist, der für ein etwas spröde-blechernes Türschließgeräusch sorgt, ist unklar. Ein wenig wertiger dürfte sich der Prius gern anfühlen, und das, obwohl an seiner Haltbarkeit keine ernsthaften Zweifel bestehen.

5. Ausstattung und Luxus

Das Kapitel Sitzraum wirkt, als habe Toyota besondere Rücksicht auf den wichtigen US-Markt genommen. Die Sitze sind ebenso bequem wie langstreckentauglich und überdies auch noch sehr haltbar bezogen. Nicht wenige Prius fristen ihr Dasein als Taxi, was bisweilen ohne allzu große Abnutzungsspuren vonstattengeht. Luftig wirkt das Raumgefühl nicht nur wegen des recht guten Platzangebotes, sondern auch wegen der luftig spacigen Cockpitarchitektur. Der Armaturenträger selbst ist recht flach und wird durch eine zentrale Fläche dominiert, in der sich das Infotainment und wichtige Bedienelemente recht übersichtlich angeordnet befinden. Oberhalb und weiter nach vorn versetzt liegt ein breites Kombiinstrument, welches volldigital über Geschwindigkeit, Ladesituationen, Fahrzustand und Warnungen informiert. Trotz der mittigen Lage ist es recht gut ablesbar und erlaubt aufgrund der Trennung zum Infotainment die gleichzeitige Darstellung der Bordcomputerfunktionen bei laufendem Radio oder Navibildschirm. Letzterer besitzt je nach Ausführung meist nur Touchfelder, um Lautstärke oder Menüwahl zu regeln. Die sprechen ungefähr so direkt an wie die Touchfelder eines in die Jahre gekommenen Ceranfeldes – unangenehm. Immerhin gehörte Toyota zu den Herstellern, die schon relativ früh die Möglichkeit zur Nutzung von Apple Carplay bzw. Android Auto anboten. Anderweitig, darf 2023 aus einer reichhaltigen Auswahl praxisgerechter Nachrüstgeräte geschöpft werden. Der Prius erlaubt dies relativ problemlos. Die meisten Prius besitzen eine relativ üppige Funktionsausstattung. Klimaautomatik, Sitzheizung, Keyless-Go, brauchbare Fahrassistenz und sogar ein farbiges Head-up-Display sind bereits ab der zweiten Ausstattungslinie Comfort an Bord, die sich auf dem Gebrauchtmarkt viel häufiger findet als Basismodelle (Prime). Weniger oft trifft man dagegen auf klassischen Pomp, wie etwa Lederpolster oder elektrische Sitze.

6. Für wen ist der Prius 4 ein kluger Kauf?

Der Prius ist extravagant aber nicht luxuriös. Er ist sparsam, funktioniert aber auf der Autobahn schlechter als ein herkömmlicher Diesel. Er ist haltbar und irgendwie frugal, aber nicht billig. Was ist er denn nun? Er bietet in erster Linie eine sehr individuelle Möglichkeit, auf sehr sparsame Weise Gelegenheitsfahrten zu unternehmen. Wer mit ihm zum Wochenendausflug, in die Stadt, oder auf Pendelstrecken ohne großen Autobahnanteil unterwegs ist, entwickelt praktisch von allein eine Art Sparspaß. Fahrspaß, der nicht mit Kraft oder Dynamik zu tun hat, sondern vielmehr mit trickreichem Schwungerhalt, taktischem Beschleunigen und Bremsen, oder auch einfach dem Ausreizen des Elektromodus zu tun hat. Seinen mitunter etwas klinischen Charakter entschädigt er mit der hervorragenden Zuverlässigkeit und der beruhigenden Tatsache, dass viele typische Auto-Schwachstellen an ihm gar nicht erst vorkommen. Auf diese Weise beglückt er all jene, die gern eigensinnig, aber mit Köpfchen unterwegs sind. Obwohl man über viele problemlose Jahre mit ihm glücklich sein kann, besitzt er außerdem einen recht guten Werterhalt, der einen möglichen Wiederverkauf nicht allzu schmerzhaft gestaltet.

8. Das ewige Akku-Leben

Dass der Prius haltbar ist, dürfte mittlerweile klar sein – doch wie ist es um die Lebensdauer des Akkus bestellt? Anders als die mittlerweile gebräuchlichen (und beim Prius Plug-In-Hybrid verbauten) Lithium-Ionen-Akkus, verfügen die meisten Prius über Nickel-Metallhydridakkus, die sich aus einzelnen Zellblöcken zusammensetzen. Die Ladehübe, denen die Batterie ausgesetzt ist, verzichten wie bereits erklärt auf starke Ausschläge, sodass grundsätzlich von einer langen Haltbarkeit auszugehen ist. Der modulare Aufbau innerhalb der Batterie erlaubt es, einzelne Zellen zu tauschen. Auf diese Weise lassen sich für kleines Geld und mit etwas handwerklichem Geschick defekte Zellen gegen funktionierende Gebrauchtteile ersetzen, sodass ein vermeintlich teurer Akkuschaden kein großes Problem darstellt. Sollten alle Zellen verschlissen sein, gibt es für unter 2.000 Euro ein verbessertes Nachrüst-Zellenpaket von Bosch – als Worst-Case-Szenario sozusagen. Kombiniert mit der haltbaren Verbrennertechnik, kann ein Prius tatsächlich Laufleistungen von vielen Hunderttausend Kilometern erreichen.

9. Preise

Jetzt kommt er, der Haken an der Sache. Der Prius ist relativ selten, seine Zuverlässigkeit ist bekannt und seine Eigner sind nicht selten Fans, die sich ungern von ihrem Gebrauchten trennen. Auch neue Prius verkaufen sich nicht gerade in rauen Mengen, sodass möglicher Nachschub ebenfalls eher rar ist. Das resultiert in stolzen Gebrauchtpreisen. Gut abgehangene Exemplare mit deutlich über 200.000 Kilometern (oder noch mehr) können durchaus kaufbar sein, beginnen aber erst bei rund 13.000 Euro. Autos, die unterhalb der 100.000 Kilometer liegen, kosten zwischen 17.000 und 19.000 Euro – im Vergleich zu den billigsten ein überschaubarer Aufpreis. Hier liegt also gewissermaßen ein Sweet Spot. Viel mehr muss niemand ausgeben, zumal das Ausstattungsniveau in der Regel ohnehin hoch ist.

10. Mängel

Das Beste kommt zum Schluss – nämlich ein eindrucksvoll kurzes Mängelkapitel. Der Prius ist nicht nur technisch von langer Lebensdauer, sondern auch optisch. Das bedeutet, dass selbst Taxi-Methusalems im Innenraum meist noch immer ansehnlich sind, ihr Lack frei von Alterserscheinungen und auch dass Rost praktisch nie eine Chance hat. Eine kleine neuralgische Stelle findet sich bis zum Baujahr 2017 einschließlich dann doch. In Einzelfällen kann es aufgrund fehlerhaft verlegter Kabelbäume zum Aufscheuern einer Hochvoltleitung kommen, die dann tatsächlich einen Kurzschluss erzeugt und die dazugehörige Sicherung auslöst. Toyota-Händler können allerdings anhand der Fahrgestellnummer prüfen, ob das jeweilige Fahrzeug für den Fehler überhaupt in Frage kommt.  © auto motor und sport

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