Viele Menschen haben in der Coronakrise das Fahrrad aus dem alten Schuppen befreit. Doch was tun, wenn der Drahtesel einen Platten hat?
In der Coronakrise haben viele Menschen ihre Liebe zum Fahrrad neu entdeckt. Ob als Freizeitspaß oder umweltfreundliches Verkehrsmittel – der Drahtesel wird fleißig benutzt. Doch was tun, wenn der Reifen plötzlich schlapp macht, weil der Fahrradschlauch hinüber ist?
"Dass ein Fahrradschlauch während einer langen Standphase Luft verliert, ist zunächst einmal ganz natürlich", sagt Gunnar Fehlau. "Es macht deshalb Sinn, die Reifen mit einer Manometer-Pumpe schon am Vorabend einer Tour bis zum auf der Reifenflanke angegebenen Maximaldruck aufzupumpen und über Nacht abzuwarten." Habe der Reifen am nächsten Morgen noch den vollen Druck, dann sei alles okay, so der Journalist beim Pressedienst Fahrrad (pd-f).
Basis-Werkzeug fürs Fahrrad parat haben
"So viel Glück hat man aber längst nicht immer", weiß David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Wer ein Fahrrad häufiger nutzt, der werde zwangsläufig irgendwann auch mit einem defekten, sprich einem platten Reifen konfrontiert. "Dann muss zunächst das entsprechende Laufrad demontiert werden". Ein großes Problem sei der Radausbau heute dank der meist verbauten Schnellspanner aber nicht mehr.
Ein wenig Werkzeug benötigt man dennoch. Fehlaus Empfehlung ist im Idealfall ein modernes Multitool, dazu zwei Reifenheber sowie eine kompakte Pumpe. "Zudem für den Fall, dass die Räder nicht mit einem Schnellspanner ausgerüstet, sondern klassisch verschraubt sein sollten, ein Maulschlüssel".
Loch im Wasserbad finden
Hat man alles zur Hand, kann es losgehen. "Zunächst wird mit dem Reifenheber der Mantel auf einer Seite von der Felge gehebelt, so dass man den Schlauch herausziehen kann", erklärt Verbandssprecher Eisenberger. Für die Identifizierung des Lochs diene noch immer die altbekannte Methode, den Schlauch im Wasserbad nach austretenden Luftbläschen zu untersuchen. "Unterwegs ist das allerdings nicht immer möglich", gibt er zu bedenken.
Fehlau bringt daher den sogenannten Lochschnüffler ins Spiel. Das ist ein kleiner Behälter, in dem sich Styroporkügelchen befinden. "Im Normalzustand bewegen sich diese Kügelchen nicht, wird der Behälter aber über die defekte Stelle geführt, an der Luft austritt, bewegen sich die Kügelchen."
Habe man das Loch erst einmal identifiziert - es sollte nicht größer als drei Millimeter sein - so sei die eigentliche Reparatur alles andere als Hexenwerk. Fehlau rät zu fertigen Sets, die alles enthalten, was man für das eigentliche Flicken benötigt.
Anpressdruck ist entscheidend
"Zunächst wird die schadhafte Stelle leicht angeraut, dann kann der Flicken aufgebracht werden", erklärt Eisenberger, der zu selbstklebenden Flicken rät, da sie deutlich besser zu handhaben seien, als solche, die nach einem separaten Kleber verlangten. "Der hohe Anpressdruck in den ersten 15, 20 Sekunden macht dann die Musik und entscheidet über die Haltbarkeit", erklärt Fehlau.
Bevor der Schlauch nun wieder auf die Felge aufgezogen wird, gilt es allerdings noch einige Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. "Man sollte unbedingt schauen, ob an der Innenseite des Reifens noch Reste des ursprünglichen Übeltäters stecken, etwa der Rest eines Dorns oder ein Stückchen Glas", sagt Fehlau. Sowas müsse dann selbstverständlich vorsichtig entfernt werden.
In gutes Felgenband investieren
Darüber hinaus empfiehlt er, dem meist wenig beachteten Felgenband, das den Schlauch vor dem direkten Kontakt mit der Felge schützt, etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Je nach Beschaffenheit sei dieses Band eine häufige Ursache für Pannen. Die in den Felgenring eingebrachten Speichen können an der Felgeninnenseite einen kleinen Grat aufweisen. "Der hat die Wirkung einer Stecknadel und würde den gerade erst reparierten Schlauch gleich wieder beschädigen, ist das Felgenband minderwertig oder gar nicht vorhanden", weiß der Experte.
Gerade an der Qualität des Felgenbandes aber würden die Hersteller gerne sparen, zudem werde der Kunststoff, wenn sich die Weichmacher über die Jahre verflüchtigt hätten, spröde und brüchig. "Hier sollte man also ruhig vier, fünf Euro in eine vernünftige Materialqualität investieren."
Reparierter Schlauch nur vorübergehende Lösung
Ist all das berücksichtigt, "kann der reparierte Schlauch eingesetzt und schließlich der Mantel auf die Felge gehebelt werden", so Fahrrad-Lobbyist Eisenberger. Achtung: Nicht vergessen, das Ventil durch die Ventilöffnung in der Felge zu führen. Abschließend rät er dazu, alsbald den reparierten gegen einen neuen Schlauch auszutauschen. "Egal, wie gut die Qualität des Flickzeugs heute auch ist, letztlich bleibt ein geflickter Schlauch eine Notlösung."
Welcher Schlauch dann benötigt wird, das weiß die Reifenflanke. "Dort sind Durchmesser und Breite des Reifens entweder in Millimeter gemäß ETRTO-Standard oder angelsächsisch in Zoll angegeben, und entsprechend wählt man den Schlauch aus", erklärt Fehlau. "Stolperfalle hier: der Ventiltyp. Nicht jedes Ventil passt durch jede Felge". Mit dem französischen Sclaverand-Ventil sei man jedoch meist auf der sicheren Seite. (dpa/tmn/eee)
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