In einem klassischen Autofahrwerk gleichen Federn die Unebenheiten von Fahrbahnen aus. Damit diese aber nicht ungehemmt herumfedern, fangen Dämpfersysteme deren Bewegungen wieder ein. In den meisten Fällen setzen Autohersteller dabei auf Teleskopdämpfer, in deren Gehäusen Öl durch einzelne Kanäle fließt. Moderne Ausbaustufen nutzen variabel ansteuerbare Ventile, um den Ölfluss zu beeinflussen. Diese Dämpfer sind dann Teil der sogenannten adaptiven Fahrwerke.
Zulieferer Marelli beschreitet mit seinem Fully Active Electro-Mechanic Suspension System einen völlig anderen Weg. Die klassischen Dämpfer werden durch elektromechanische Aktuatoren ersetzt, die jeweils aus einem bürstenlosen Elektromotor und einem Reduktionsgetriebe bestehen. Über einen Aufhängungsarm ist der Aktuator mit der Radaufhängung verbunden.
Fahrwerk denkt voraus
Alle vier Aktuatoren hängen an einem 48-Volt-Teilbordnetz und werden über eine zentrale elektronische Steuereinheit angesteuert. Die wertet eine Vielzahl von Signalen – wie Beschleunigungen, Aufhängungshub, Lenkwinkel, Parameter der Hauptantriebseinheit, Bremspedal, Drehmomentbedarf usw. – aus und kann resultierend daraus aktiv die Radaufhängung bewegen – sogar vorausschauend.
Der intelligente Algorithmus entscheidet in Millisekunden über die erforderlichen Aktionen unter verschiedenen Fahrbedingungen. Sprich: Jedem Rad wird zu jedem Zeitpunkt der richtige Aufwärts- oder Abwärtshub mit genau der richtigen Kraft zugeteilt.
Bringt Komfort und liefert Strom
Neben der herkömmlichen Dämpfung der Federbewegung kann das System auch Vibrationen und Karosseriebewegungen neutralisieren. Das Marelli-System bietet aber noch weitere Vorteile. Die integrierten Elektromotoren können die eingeleitete Bewegungsenergie außerdem rekuperieren und dem Bordnetz zur Verfügung stellen. Elektroautos gewinnen so durch die Arbeit des Fahrwerks Energie zurück. Ferner beanspruchen die Aktuatoren deutlich weniger Bauraum als herkömmliche Fahrwerksdämpfer, das bringt Designern mehr Freiheiten bei der Innenraumgestaltung. Als Nebeneffekt kann über die Aktuatoren zusätzlich das Fahrzeugniveau angepasst werden. So lässt sich je nach Fahrzeugtyp zum Ein-/Aussteigen/Beladen die Fahrzeughöhe verstellen.
Den ersten Einsatz in einem Serienauto soll das Marelli-System in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts feiern. Einen konkreten Hersteller nennt Marelli nicht, kündigt den Serienstart aber in einem Luxusmodell an. Audi hatte 2016 ebenfalls bereits über ein elektrisches Rotationsdämpfersystem nachgedacht. © auto motor und sport
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