Die Emilia-Romagna erstreckt sich wie ein unregelmäßiger Teppich zwischen der Adria, dem Apennin und den ligurischen Bergen. Wieso sich ausgerechnet hier das Gravitationszentrum der italienischen Sportwagenwelt herausbildete, wissen wir nicht. Nur dass Maserati die älteste der zwischen Modena und Bologna konzentrierten Marken ist – symbolhaft dargestellt durch den Dreizack des 500 Jahre alten Neptunbrunnens von Bologna.

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Man muss sich natürlich keine Gedanken darüber machen, wenn man mit dem Maserati GranTurismo Folgore durch die Industrie-Vororte von Modena und Sassuolo nach Süden in Richtung der emilianischen Berge stromert.

Video: Im Video: Maserati Grecale Folgore

Tradition und Fortschritt

Aber man darf natürlich. Auch weil kein anderer Maserati Geschichte und Tradition dieser Region so verkörpert wie der vollelektrische Folgore. Um es zeitlich einzuordnen: Die Universität von Bologna stammt aus dem 11. Jahrhundert, und der Name der Region rührt von der römischen Heerstraße Via Aemilia sowie der langobardischen Romagna her.

Nicht, dass diese Last dem Folgore zur Bürde geriete, im Gegenteil. Die Handwerkskunst und der Ingenieursgeist, die hier schon so lange verwurzelt sind, zeigen sich in vielen ganz unterschiedlichen Details des Wagens. Etwa in den fein vernähten Ledersitzen, dem wohlkomponierten Klacken der Rekuperationswippen, aber auch in der Originalität der T-förmigen Ausformung der Batterie oder des Elektroantriebs mit gleich drei Radialmotoren mit je 300 kW.

Dabei wird das Leistungsmaximum nicht von den drei Motoren bestimmt – das wären rechnerisch immerhin 900 kW –, sondern von der höchsten Entladungsleistung der Batterie (Kapazität 92,5 kWh brutto). Und die liege bei 560 kW oder 761 PS, hat der GT-Produktverantwortliche Davide Danesin vor der Probefahrt erklärt. Die Differenz zwischen installierter und nutzbarer Motorleistung hat auch Vorteile, sagt der Ingenieur. Sie ermögliche etwa besonders viel Spielraum bei der Drehmomentverteilung zwischen den Rädern und Achsen.

Zum Eingewöhnen empfiehlt Davide nach dem Comfort- den GT-Modus. 80 Prozent Leistung stehen dann zur Verfügung, das sollte erst mal reichen. Denn der Asphalt ist immer noch feucht, Herbstnebel ziehen zwischen den bewaldeten Hängen hindurch und lassen ab und zu sogar die Sonne durchblitzen.

Agil und flüssig fühlt sich der Maserati an, so gar nicht nach 2,2 Tonnen Gesamtgewicht und fast drei Metern Radstand. Da scheint sich auszuzahlen, dass der große Akkupack nicht flächig im Wagenboden untergebracht ist wie bei anderen Elektro-Sportwagen, sondern in der sogenannten T-Bone-Konfiguration im Bereich des Mitteltunnels.

Mit One-Pedal-Modus

Die Bauweise reduziert den Trägheitsfaktor um die Rollachse. Zudem können die Sitze tiefer eingebaut werden, weil die Insassen neben statt über der Batterie sitzen, das optimiert die Schwerpunktlage zusätzlich. Das sind weit mehr als nur theoretische Vorteile, wie die ersten Kilometer andeuten. Die nächsten Kurven werden schneller, der Folgore liegt satt und neutral auf der schmalen Landstraße. Dank aufmerksamer Assistenz lässt er sich selbst von mutwilligem Stromgeben in den Biegungen nicht aus der Ruhe bringen, zieht rasant über die Gerade zum nächsten Bremspunkt.

Beim Bremsen bietet der Maserati übrigens eine weitere Spielart des elektrischen Fahrens: In der höchsten Rekuperationsstufe verzögert er beim Lupfen des Fahrpedals mit bis zu 0,65 g. So lassen sich zügig Kilometer einschließlich recht heftigen Anbremsens absolvieren, ohne dabei das Bremspedal bemühen zu müssen.

Vier Rekuperationsstufen gibt es, sie sind mit den griffigen Wippen schnell angewählt. Mehr Spaß bringt es allerdings, den Folgore mit der niedrigsten Stufe über die Berge blasen zu lassen.

Was hier nicht ganz so gut passt, ist der Corsa-Modus, in dem das Vehicle Domain Control Module (VDCM), das elektronische Gehirn des Folgore, die vollen 610 kW entfesselt. Wie der Name andeutet, warnt Davide vor der Fahrt, sei der Modus für den Einsatz auf Rennstrecken gedacht.

Der Sport-Modus ist die etwas niedrigere Eskalationsstufe, er passt prima für schnelleres Kurvenfahren auf der Landstraße. Zudem steht in Sport ebenso wie in Corsa die Launch Control zur Verfügung. Sie lässt den Folgore in 2,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h schnellen, das Ausprobieren im Straßenverkehr wird nicht empfohlen.

Aufregend genug bleibt es auch so mit dem Wahlrad auf Sport: Die Leistung steht voll zur Verfügung, Federung und Dämpfung werden gestrafft, das Torque Vectoring eliminiert Untersteuer-Neigungen, und der Elektro-Sound wird aggressiver.

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Als der Nebel in Nieseln übergeht, wird es Zeit für eine Pause. Auch die gehört zur Region wie der harte Käse und der mild geräucherte Schinken: Pranzo, das Mittagessen. Dazu gab es einen Tipp, der leider geheim bleiben muss: ein Lokal in den Bergen, das gern von Ferrari- und Maserati-Testfahrern aufgesucht wird. Nach Tagliatelle al Ragú, Crema Cotta und Caffè fahren wir zurück nach Modena. Jetzt im Maximum-Range-Modus. Damit wir die Fahrt noch ausführlicher genießen können.  © auto motor und sport

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