Wie schlagen sich die Top-Modelle von Scope im Labor- und Praxistest? Hier gibt’s die Antwort von den ROADBIKE-Prüfständen nach 1000 Kilometern.
Grundlegende Infos zur Modellreihe
Drei Jahre hat der niederländische Laufradhersteller Scope nach eigener Angabe an seinen neuen Artech-Modellen geforscht und entwickelt, nun soll damit ein neues Kapitel im Laufradbau eingeläutet werden. Nicht weniger als neue Benchmarks in punkto Aerodynamik, Leichtgewicht und Steifigkeit wollen die Niederländer gesetzt und namhafte Konkurrenz wie DT Swiss, Enve oder Zipp hinter sich gelassen haben.
Scope bietet die neuen Artech-Laufräder in gleich vier Produktfamilien an: Straße, Allroad, Gravel und Triathlon. Alle Ausführungen setzen auf 3D-gedruckte Naben, auffällig geschuppte Carbonfelgen, Carbonspeichen und eine Weiterentwicklung des Diamond Rachtet SL-Freilaufs. Das leichteste Straßenmodell soll mit niedriger Felge nur 965 Gramm wiegen, und selbst die Version mit 65 Milliimeter hoher Aero-Felge bringt angeblich nur 1244 Gramm auf die Waage.
Hingucker bei den neuen Artech-Laufrädern ist mit Sicherheit die "geschuppte" Oberfläche der Carbonfelgen, bei der sich Scope tatsächlich in der Natur hat inspirieren lassen. Das patentierte Felgendesign verursacht laut Scope unterschiedliche Geschwindigkeiten der Luftströme auf der Felge – angeblich hat dies eine stabilisierende Wirkung beim Fahren und reduziert gleichzeitig den Luftwiderstand der Felge. Diese kommt übrigens als klassische Hakenfelge – die kontroverse Diskussion über den Sinn oder Unsinn von Hookless bleibt hier also außen vor.
Erstmals präsentiert Scope mit den Artech-Modellen auch Laufräder mit Carbonspeichen. Die Carbonlite Messerspeichen sind aus UD-Carbon gefertigt und sollen den Luftwiderstand reduzieren ohne Gewichtsnachteil. Die Laufräder sind im 2:1-Muster eingespeicht, die Speichen lassen sich bei Defekt laut Scope problemlos austauschen.
Die 3D-gedruckten Nabenkörper soll besonders stabil und gleichzeitig leicht sein. Die Naben werden in Deutschland aus Scalmalloy gefertigt – einer Hochleistungslegierung aus Scandium, Aluminium und Magnesium, die in der Raumfahrt und Formel 1 zum Einsatz kommt.
Das von Scope bereits bekannte Diamond Ratchet SL-System wurde für die Artech-Laufräder noch einmal überarbeitet – und setzt nun auf Titan. Das soll die Haltbarkeit weiter verbessern und das Gewicht reduzieren.
Dass sich Scope so viel neue Technik auch etwas kosten lässt, überrascht nicht: Alle Artech-Laufräder kosten 3998 Euro. Optional erhältlich sind CeramicSpeed-Lager, die den Kaufpreis auf 4498 Euro erhöhen. Damit schlagen die Niederländer ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte auf, denn bislang standen eher preisaggressive, mehrheitlich im Direktvertrieb angebotene Laufräder im Mittelpunkt.
Positiv: Wie auch bei anderen Laufrädern im Scope-Angebot gibt es für die Artech-Modelle kein Gewichtslimit, dafür aber lebenslange Garantie, lebenslanges Crash Replacement und globalen Service.
Labor- und Praxistest Scope Artech 4
Gute 1000 Kilometer absolvierten gleich mehrere ROADBIKE-Testfahrer mit den Scope Artech 4 – also jenem Modell aus der Artech-Modellfamilie, das als Allrounder mit mittelhoher Felge für zahlreiche Rennradfahrerinnen und -fahrer am interessantesten sein dürfte. Neben den Praxiskilometern, die vor allem im Schwarzwald und an der Schwäbischen Alb und nur in Ausnahmefällen in flachem Terrain gesammelt wurden, musste sich der Artech 4-Laufradsatz auch auf dem ROADBIKE-Prüfstand beweisen.
Dort begeistert als erstes das Gewicht: 502 Gramm für das Vorderrad und 622 Gramm für das Hinterrad ergeben ein Set-Gewicht von 1124 Gramm. Und das bei durchaus strammen Dimensionen mit 45 Millimeter hohen, innen 23 und außen 31 Millimeter breiten Felgen! Auch Aufbau und Rundlauf sind sehr gut: Die Testlaufräder präsentierten sich sowohl bei Testbeginn als auch nach den 1000 Kilometern mittig sowie rund ohne Seiten- oder Höhenschlag zentriert.
Auch die Seitensteifigkeit erreicht den grünen Bereich, ab dem Laufräder nach ROADBIKE-Erfahrungen bedenkenlos für alle Fahrergewichtsklassen zu empfehlen sind. Mit 80 Nm/° ist das Hinterrad über jeden Zweifel erhaben, das Vorderrad überspringt die Grenze (bei 70 Nm/°) hingegen nur knapp: 73 Nm/° bringt dieses eingespannt bei 6 Nm zustande, fixiert man es mit 10 Nm etwas fester, sind es 74 Nm/°. Hinweis: In der gedruckten ROADBIKE 10/24 hatten wir wegen eines Übertragungsfehlers 44 Nm/° angegeben und kritisiert – korrekt sind 73 Nm/°. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
In der Praxis drücken die Laufräder spürbar das Gewicht eines jeden Renners. Das gefällt natürlich sehr, vor allem bei den erwähnten, höhenmeterreichen Touren im Schwarzwald und an der Schwäbischen Alb. Weniger gut gefiel den Testfahrern ein leicht schwammiges Fahrgefühl, auch die Lenkpräzision könnte höher sein. Überzeugend hingegen war die hohe Fahrstabilität bei böigem (Seiten-)Wind.
Etwas irritierend war in der Alltagsnutzung ein deutliches Knacken, das aus den Lagern kam. Es resultierte aus der Kombination von leichtem Lagerspiel und dafür nicht fest genug fixierten Steckachsen. Doch der Reihe nach: Scope liefert die Artech-Laufräder mit einem leichten Lagerspiel an Vorder- und Hinterrad aus – dieses ist kein Unfall oder Defektanzeichen, sondern gewollt. Es verschwindet bei der Montage im Rad – an mehreren Testrädern war dafür aber ein extrem festes Anziehen der Steckachsen notwendig. Scope selbst empfiehlt 10-15 Nm, was aber manche Steckachse gar nicht zulässt. Dennoch: Ordentlich angeknallt verschwand das Knacken.
Nichts zu meckern gibt es an der Qualität der SKF-Lager: Diese laufen nach den 1000 Kilometern ohne jeden Widerstand – alles andere wäre aber auch eine Enttäuschung. Der Freilaufkörper zeigt erste Verschleißspuren: Die Kassette hat sich bereits geringfügig eingefressen.
Insgesamt treibt Scope viel technischen Aufwand – etwa mit den 3D-gedruckten Naben – und zeigt sich gewohnt innovativ und eigenständig. Das Servicepaket mit lebenslanger Garantie und ebensolchem Crash Replacement bei keinerlei Gewichtseinschränkung gefällt, ebenso der große Lieferumfang. Im Labor überzeugt das Set, auch der Praxiseindruck ist weitgehend positiv. Der Preis ist allerdings gesalzen – und gefühlt fehlt Scope in seinem Produktportfolio eine preisliche Zwischenstufe. Zu groß wirkt aktuell der Sprung zwischen den 998 Euro der S/S.A-Laufräder und den 1498 Euro der R-/R.A-Reihe zu den fast 4000 Euro der Artech-Modelle. Ob das betörende Leichtgewicht und die unbestreitbar innovativen Technologien der Artech-Laufräder die Kunden dazu bringen, den Preis in Kauf zu nehmen, wird sich zeigen. © Bike-X
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