Stuttgart - Staub in den Felgen, Schmutz im Profil und Dreck auf dem Lack - als Porsche vor ein paar Wochen die ersten Fotos der neuesten 911-Variante veröffentlicht hat, war vom üblichen Glanz nicht viel zu sehen.
Während solche PS-Premieren sonst gerne ins beste Licht gerückt werden, haben die Schwaben dieses Auto vor dem Shooting nicht einmal saubergemacht. Aber das war natürlich keine Nachlässigkeit, sondern strenges Kalkül.
Schließlich wurde das Tuch bei der Premiere nicht von irgendeinem weiteren Elfer für die Rennstrecke gezogen, sondern vom ersten echten Sportwagen für die Buckelpiste: Mit grobstolligen Reifen und erhöhter Bodenfreiheit erinnert der 911 Dakar laut Hersteller an jene Rallye-Renner, mit denen die Schwaben in den 1980er Jahren auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs waren.
2500 Mal will Porsche den Dakar bauen
Der Renner ist im Gegensatz zu früher nun auch für Kunden vorgesehen. Für Preise ab 222.020 Euro darf ab dem Sommer jedermann mit dem 353 kW/480 PS starken Sportwagen auf Stelzen durchs Abseits pflügen.
Auch wenn Porsche nur 2500 Dakar bauen will, hat dieses Auto durchaus eine symbolische Bedeutung. Denn 20 Jahre nachdem die Schwaben als erster Sportwagenhersteller einen Geländewagen auf den Markt gebracht und sich so weit von ihren Wurzeln entfernt haben, schlägt das Pendel jetzt wieder ein wenig zurück. Und sie sind damit nicht alleine.
Auch Lamborghini macht einen Flachmann zum Geländegänger
Die Schwestermarke Lamborghini, die mittlerweile von keinem Auto mehr verkauft als vom SUV Urus, schließt sich der zaghaften Gegenbewegung an. Die Italiener bocken den Huracán auf und fahren ihn in 1499 Exemplaren als Sterrato vor.
Der Sportler bekommt gute vier Zentimeter mehr Bodenfreiheit, eine breitere Spur, Plastik-Planken entlang der Radkästen und der Gürtellinie sowie zwei markante Zusatzscheinwerfer auf der Haube. Außerdem kommt ein neuer Lufteinlass aufs Dach. Im Heck tobt nach wie vor der 5,2 Liter große V10-Motor, dessen Leistung allerdings leicht gedrosselt wurde - auf 449 kW/610 PS.
Was Designexperten zu den Sportwagen im Offroad-Look sagen
Ist das nur der Versuch, nach vergleichsweise kleinem Aufwand noch mehr Geld aus einer ohnehin schon weit aufgefächerten Modellfamilie herauszuholen? Oder steckt da mehr dahinter?
Design-Professor Lutz Fügener von der Hochschule Hof jedenfalls kann diesem Konzept durchaus etwas abgewinnen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht:
- Ästhetisch, weil eine hemdsärmelige Attitüde so manchem dekorierten Fahrzeug guttut und weil ein offroad-bewährter Sportwagen einem noch so gut gestalteten SUV allein durch seine Proportionen und Form stets überlegen ist.
- Praktisch, weil die Schutzausrüstung und die Höherlegung den Nutzwert erhöhen können und der Preis in Form der schlechteren Aerodynamik dafür marginal ist.
- Wirtschaftlich, weil die Welt auch für Hersteller von Sportwagen komplexer geworden sei und sie so neue Argumente für ihre klassischen Modelle finden, wenn ihnen auf der Straße eine Flut neuer E-Sportwagen um die Ohren fahren.
Langsamer? Ja - zumindest für Supersportwagen
Die Sportwagen auf Stelzen erobern sich buchstäblich neues, etwas unwegsameres Terrain und damit auch neue Käufergruppen. Sogar im Hinblick auf ein mögliches Tempolimit erscheint Fügener diese Expansion weitsichtig, denn damit fällt - jedenfalls hierzulande - für so manchen ein Grund für den Kauf eines schnellen Autos weg.
Und langsamer als ihre Serienpendants sind die Offroad-Rennwagen allemal: Porsche limitiert den Dakar auf 240 statt 309 Kilometer pro Stunde (km/h) und Lamborghini den Sterrato auf 260 statt 325 km/h.
Nicht alle sind begeistert
Aber es gibt auch Gegenstimmen - etwa vom Kölner Design-Professor und PS-Philosophen Paolo Tumminelli. Man könne den aufgebockten Sportwagen zwar als notwendige Konsequenz der Vermehrung von Verkehrskreiseln, Bremsschwellen und Schlaglöchern betrachten: "In diesem Sinne ist die Kreuzung aus SUV und Sportwagen die zeitgemäße Art, dem Untergang der freien Straße entgegenzuwirken."
Doch zugleich sieht er darin ein neuerliches Zeichen für die Unfähigkeit der PS-Branche, sinnvolle Visionen für ein soziales, ökonomisches und ökologisches Automobil zu entwickeln. "Stattdessen wird das Automobil hier als Spielzeug einer pseudo-elitären Randgesellschaft zelebriert."
So unterschiedlich ihre Bewertung, sind sich beide Experten aber in einem einig: Die Idee vom Sportwagen auf Stelzen ist nicht so neu, wie die Hersteller gerne tun: Fügener sieht darin die logische Fortsetzung dessen, was mit Autos wie dem Audi Allroad oder dem Volvo Cross Country begonnen hat. "Man zieht einem Wagen die Gummistiefel an, setzt sie etwas höher, verkleidet sie mit Kunststoff und rüstet sie so für schlechte Wege und gegen Bagatellschäden."
Lancia Stratos und gewagte Studien
Und Tumminelli denkt zuallererst an die originalen Safari-Porsche, an den Lancia Stratos von 1973 und in jüngerer Zeit an die Italdesign-Studie Parcours, die 2013 den Lamborghini Gallardo zum Geländewagen gemacht hat.
"Damals hat der VW-Konzern die Serienfertigung nicht gewagt", sagt Tumminelli. "Doch zehn Jahre später wachen Lamborghini und Porsche plötzlich auf und erfinden ihre Vergangenheit neu." Zwar räumt Design-Professor Fügener ein, dass Autos wie Dakar und Sterrato nur ein Nischensegment belegen: "Aber Aufmerksamkeit und damit das Potenzial der Strahlkraft auf die Massenware ist durchaus da."
Wenn die Autos Erfolg haben, werde man ähnliche Konzepte deshalb womöglich auch bald bei Fahrzeugen mit niedrigeren Preisen und höheren Stückzahlen sehen, vermutet Fügener: "Vielleicht entsteht da gerade der lange ersehnte Gegenentwurf zum aktuell alles beherrschenden Luxus-SUV." © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.