Bei Tempo 120 maximal 140 fahren, damit die mögliche Strafe nicht so hoch ausfällt? Dieses Verhalten ist einer neuen Studie zufolge keine Seltenheit: Demnach orientieren sich notorische Temposünder ganz genau an den zu erwartenden Strafen des Bußgeldkatalogs.
Zu schnelles Fahren gilt in Deutschland in einem bestimmten, nicht zu hohen Geschwindigkeitsbereich immer noch mehr oder weniger als Kavaliersdelikt. Zehn Stundenkilometer zu schnell auf der Autobahn oder mit etwas mehr als 50 km/h durch den Nachbarschaftsort – das hat noch selten jemanden gestört. Und wenn man mal ehrlich ist: Fast jeder Autofahrer ist in seinem Leben schon einmal zu schnell gefahren.
Studie offenbart das Wissen von Rasern in Sachen Bußgelder
Übertreibt man es nicht zu sehr mit dem Druck aufs Gaspedal, bleibt die Höhe der Geldstrafen somit recht überschaubar. Einer neuen Gemeinschaftsstudie der Hertie School of Governance, der Universität Wuppertal und der University of Portsmouth zufolge ist das Wissen um den Bußgeldkatalog deshalb auch tatsächlich maßgeblich für Temposünder und der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Raser in Deutschland wissen demnach recht genau, wie weit sie gehen dürfen, ohne all zu hohe Strafen zu riskieren. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Studie in der britischen Fachzeitschrift "Journal of Public Economics".
Die Untersuchung offenbart das konkrete Wissen der meisten Autofahrer um die Ausgestaltung des Bußgeldkatalogs, schreibt Ansgar Wohlschlegel, Mitautor der Studie. Viele Fahrer wollten das Risiko eines Bußgeldes bis zu einer bestimmten Höhe eingehen, aber nicht darüber hinaus, so die weiteren Erkenntnisse. So gibt es hierzulande beispielsweise erst bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 21 km/h einen Punkt in Flensburg.
Die Forscher wollten zudem herausfinden, wie gut Autofahrer mit dem stufenweisen Anstieg der Bußgelder in Deutschland vertraut sind. Immerhin gibt es nicht in allen Ländern eine solche Regelung. In den Niederlanden ist beispielsweise ein fester Geldbetrag pro Stundenkilometer vorgesehen, den Temposünder bezahlen müssen. Eine Überschreitung des Limits ist dort also eine einfache Rechenaufgabe.
150.000 Bußgeldbescheide ausgewertet
Für die Studie wurden mehr als 150.000 Bußgeldbescheide wegen Geschwindigkeitsübertretungen auf deutschen Autobahnen sowie über 290.000 Daten von Geschwindigkeitsmessungen auf zweispurigen Landstraßen ausgewertet. Ob die Untersuchung Auswirkungen auf eine Änderung der bestehenden Bußgelder hat, ist nicht bekannt. Nach wie vor ist zu schnelles Fahren auf deutschen Straßen das Verkehrsvergehen Nummer eins und für viele Unfälle verantwortlich. Über ein generelles Tempolimit in Deutschland wird zwar schon länger nachgedacht, konkrete Debatten gab es bislang jedoch noch keine. © 1&1 Mail & Media/ContentFleet
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