Bruno Sacco, einer der einflussreichsten Mercedes Designer, verstarb am 19. September 2024. Er prägte ikonische Modelle wie den W123 und W126. Unser Autor Alf Cremers traf ihn 2019 zum ersten Mal. Aus aktuellem und traurigem Anlass erzählt er hier über die damalige Begegnung.

Mehr zum Thema Mobilität

Die Automobilwelt trauert um Bruno Sacco. Geboren am 12. November 1933 in Udine, Italien, prägte er als Designer über Jahrzehnte hinweg das Erscheinungsbild von Mercedes-Benz und hinterlässt ein unverkennbares Erbe in der Automobilbranche. Wie erst jetzt bekannt wurde, verstarb er bereits am 19. September 2024.

Ausbildung und Karriere

Nach seiner Ausbildung studierte Sacco Maschinenbau an der Polytechnischen Hochschule in Turin. Erste Erfahrungen im Automobil-Design sammelte er bei den renommierten italienischen Designbüros Carrozzeria Ghia und Pininfarina, bevor er 1958 seine Laufbahn bei Daimler-Benz begann. Hier arbeitete er zunächst als Stilist und Konstrukteur an Projekten wie dem Mercedes-Benz 600 und den legendären "Pagoden"-Roadstern der Baureihe W113.

1970 übernahm Sacco die Leitung der Abteilung Karosseriekonstruktion und Maßkonzeption und war maßgeblich an der Entwicklung der Experimentier-Sicherheits-Fahrzeuge (ESF) und der Baureihe W123 beteiligt. 1975 wurde er zum Leiter der Hauptabteilung Stilistik ernannt und prägte in dieser Rolle das Design von Mercedes-Benz-Fahrzeugen für die kommenden Jahrzehnte. Unter seiner Führung entstanden Fahrzeuge wie der C111 und die S-Klasse der Baureihe W126, die durch die nach ihm benannten "Sacco-Bretter" bekannt wurde.

Ab 1987 leitete Sacco den gesamten Design-Bereich, einschließlich des Nutzfahrzeug-Designs. 1993 wurde er in den Direktorenkreis berufen und setzte seine Vision einer klaren markentypischen Design-Sprache konsequent um. 1999 beendete er nach 41 Jahren seine Karriere bei Mercedes-Benz.

5 wichtige Modelle aus der Feder von Bruno Sacco:

Motor-Klassiker-Redakteur Alf Cremers hatte im Jahr 2019 die Gelegenheit, einen Nachmittag mit seinem Idol Bruno Sacco zu verbringen. Hier erzählt er aus aktuellem und traurigem Anlass über die damalige, für ihn sehr emotionale Begegnung.

Mein Freund Bruno

Der Titel dieser Geschichte soll nicht anbiedernd oder respektlos klingen, sondern das Gefühl von Vertrautheit und Seelenverwandtschaft ausdrücken, wenn man einen Nachmittag mit seinem Idol verbringt.

Zu Hause habe ich eine Vitrine mit Modellautos. Sie präsentiert viele seiner Entwürfe im Maßstab 1:43 in meinen Lieblingsfarben: – den 500 SE in Zypressengrün, den 190 E 2.3-16 in Rauchsilber, den 300 E in Silberdistel, den 600 SL in Nautikblau, den 400 SE in Almandinrot und den S 500 in Obsidianschwarz. Sternförmig drapierte ich sie um den C 111 von 1970 herum. Der Supersportwagen mit dem 350 PS starken Vierscheiben-Wankelmotor ist die spektakulärste Schöpfung von Bruno Sacco.

Farblich ließ er mir keine Wahl, das Orange-Metallic, von ihm kryptisch "Weißherbst" getauft wie der Spätburgunder, ist manifestes Stilmerkmal des C 111. Kein bloßer Farbton mehr, sondern visualisiertes Signal eines revolutionären Technikzeitalters.

Ich schätze Pininfarina, habe ein Faible für Giugiaro und mag die Exaltiertheit von Zagato. Aber ich verehre Bruno Sacco.

Er ist für mich mehr als eine Designer-Ikone, er ist mein Idol. Vielleicht auch deshalb, weil ich mir ihn als stillen Star vorstelle, eher introvertiert, in der äußeren Wirkung eher unscheinbar, aber mit genialer Schaffenskraft und einem unnachahmlichen Gespür für Ästhetik gesegnet. Ich habe vieles von ihm und über ihn gesammelt, Berichte in Autozeitschriften, ganze Kapitel furioser Sacco-Elogen im teuren Hochglanzmagazin "Car Styling". Eine Handvoll seiner Autos stehen in meiner Garage. Und natürlich freue ich mich über all die Prospekte der 39 Mercedes-Modelle, für die er als Mercedes-Chefdesigner von 1975 bis 1999 verantwortlich zeichnete.

Es beginnt mit der S-Klasse W 126 und endet nach einem langen Zeitstrahl stilistischer Glanzlichter mit dem S-Klasse Coupé der Baureihe C 215, die im Jahr seines Abschieds erschien und mit der kuppelförmigen Dachlinie neue, geniale Akzente setzte. Sie polarisierte Kritiker wie einst die provokante Schlichtheit des W 201, die Insekten-Scheinwerfer des C 140 oder das Vieraugengesicht des W 210, aber Sacco meinte schon 1991 in einem Interview zum als massig empfundenen W 140: "Gutes Design braucht Zeit, um seine Wirkung zu entfalten, nur dann wird es lange als attraktiv empfunden, spontane Schönheit altert schnell."

Erstes Treffen nach 39 Jahren

Nur einmal sah ich Bruno Sacco kurz von Weitem. Es war auf der IAA 1979, als er einer Auswahl von Händlern die brandneue S-Klasse anhand eines 280 SE in Inkarot demonstrierte. Fast auf den Monat genau 39 Jahre später sitze ich in meinem 280 SE und fahre auf der A81 Richtung Singen. Ich habe mir ein Herz gefasst, und er hat spontan Ja gesagt, weil ich viel über seine Autos schreibe und ein Fan von ihm bin. Wie sehr, das weiß er noch nicht.

Der Wagen ist auf Hochglanz poliert, und ich trage mein bestes Sakko, nicht ganz neu, aber der Stoff Kaschmir und Seide von Fratelli Tallia di Delfino.

Beide fahren wir W 126

Ich bin nervös, bin verabredet mit Bruno Sacco bei seinem Lieblings-Italiener "Ristorante Da Signora" in der Motorworld Böblingen. Frage mich, während ich den Wagen durch die Ausfahrt dirigiere: "Wie wird es sein mit meinem Idol, werde ich einen Draht zu ihm finden, ist er vielleicht ganz anders, eitel oder gar arrogant? Er wird bald 85, und wenn er je so war, ist er dann altersmilde oder gar väterlich?" Ich bin viel zu früh, er ist es auch. Entschlossen steuert er seinen 560 SEC mit 279 PS in Dunkelblau 904 in die Parklücke gegenüber.

Entschlossen gehe ich auf ihn zu: "Guten Tag, Herr Sacco. Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Das klingt nicht sehr originell, denke ich mir, aber ich sage nicht auch noch, dass ich lange auf diesen Moment gewartet habe. Er sagt: "Sie haben ja die Limousine mitgebracht, erste Serie, Sechszylinder, da ergänzen wir uns ja prima." Sacco trägt einen dunklen Nadelstreifen-Zweireiher von Ermenegildo Zegna, über seiner rechten Schulter hängt eine edle schwarze Ledertasche. "Nur passt dieses Braun eher zu einem Diesel als zu einer S-Klasse." Fast ein wenig zu devot, um eine Brücke zwischen uns zu bauen, entgegne ich: "Auch Ihr Dunkelblau, Herr Sacco, ist sehr ungewöhnlich, wo doch beim 560 SEC Metallic serienmäßig war, außerdem mögen wir wohl beide, wegen Ihres grauen Leders, helle Interieurs zu dunklen Farben."

Sieht gut aus für seine 330.000 km

Wir diskutieren eine Weile über unsere Autos. Sacco ist über den hohen Kilometerstand meines Braunen überrascht und stellt fest, "dass er für 330.000 Kilometer noch sehr gut aussieht". Der Designer spricht überlegt und mit Bedacht, nur das kräftig gerollte "R" verrät einen italienischen Akzent. Beim Essen verliere ich meine Scheu, frage nach alten Zeiten bei Mercedes, er erzählt lebhaft, wie es so war in der Abteilung Stilistik der 60er-Jahre mit dem autoritären Karl Wilfert, dem musischfeingeistigen Paul Bracq und dem introvertierten Friedrich Geiger, dem der Jahrhundert-Entwurf 300 SL gelang und dessen Sinn für dekorative Ornamentik in den 70ern wieder auflebte.

"Etwa alle zehn Jahre änderten wir bei Mercedes unser stilistisches Grundkonzept. Ich prägte den reduzierten Stil für die 80er- und 90er-Jahre, da ging es um Aerodynamik und Funktionalität ohne Chrom-Lametta." Gerne erinnert er sich an "die wirklich kongeniale Zusammenarbeit" mit dem Entwicklungschef und späteren Vorstandsvorsitzenden Werner Breitschwerdt.

Den Griff wollte er nie

Wir gehen wieder nach draußen, zu unseren Autos, diskutieren am Objekt, vergleichen erste und zweite Serie, Coupé und Limousine, reden uns die Köpfe heiß. Endlich kann ich meinen vielschichtigen Gedanken über Mercedes-Design, die sich in unzähligen Stunden aufgestaut haben, freien Lauf lassen. Mein Idol, ich fasse es noch immer nicht, steht Rede und Antwort. Wir philosophieren an seinem 560 SEC über die Schönheit pfostenloser Hardtop-Coupés, über die Sacco-Bretter, die leider nach ihm heißen, was ihn ärgert und die er erst akzeptierte, als sie farbig wurden. "Auch die plumpen SEC-Türgriffe hat die Entwicklungs-Abteilung gegen meinen Willen durchgesetzt", stellt Sacco fest.

Bruno Sacco für Alf

Für uns beide stellt das Coupé die Kür, die höchste Kunstform des Designs dar, und ein Mercedes-Youngtimer ohne grün getöntes Glas ist unmöglich. Wir mögen Hämatit-eloxierte Scheibenrahmen, exaltierte Farben wie Pajettrot, Beryll oder Rosenholz und sehen den 126er nach der 85er-Modellpflege klar aufgewertet. "Endlich waren die barocken Fuchs-Alus, an denen der Vorstand 15 Jahre lang eisern festhielt, verschwunden." Auch die zu großen Lenkräder hat er stets bekämpft, lederbezogen sind sie kleiner, das findet er erträglich. Fast jedes Detail am SEC formen wir mit den Händen nach.

Viele Vorteile mit ams+
Erhalten Sie werbereduzierten Zugang zu allen Inhalten von auto-motor-und-sport.de inkl. der digitalen Zeitschrift als E-Paper. Monatlich kündbar.

Sacco zeigt auf die Lichtkante unterhalb der Scheibenlinie, die er im Entwurf nicht vorsah: "Der Wagen ist elegant und lang genug, er braucht dieses Hilfsmittel nicht." Irgendwann inmitten unseres anregenden Design-Colloquiums bietet er mir das Du an: "Sag einfach Bruno." Und am Schluss signiert er mir auch noch die Titelseite meines Mercedes-Prospekts über die V8-Modelle des frühen W 126, Drucknummer 0380: "Bruno Sacco für Alf".  © auto motor und sport

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.