Zu überholen birgt immer eine gewisse Gefahr und hat schon zu einigen schweren Unfällen geführt. Doch warum ist sogar das Überholen auf gerader und übersichtlicher Strecke manchmal gefährlich?

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Auf einer geraden und übersichtlichen Straße zu überholen, scheint zunächst risikolos. Kein Gegenverkehr weit und breit, die Sicht ist klar, und der Asphalt wirkt perfekt. Doch genau hier lauern oft unterschätzte Gefahren. Was scheinbar sicher erscheint, birgt Risiken, die zu schweren Unfällen führen können – oft aufgrund von Fehleinschätzungen, unerwarteten Ereignissen oder technischen Herausforderungen.

Eine der größten Gefahren auf gerader Strecke ist die Fehleinschätzung von Geschwindigkeit und Entfernung entgegenkommender Fahrzeuge. Auf langen, geraden Straßen wirken Fahrzeuge am Horizont langsamer und weiter entfernt, als sie tatsächlich sind. Dies liegt daran, dass das menschliche Auge Schwierigkeiten hat, große Distanzen korrekt zu bewerten. Ein Fahrzeug, das mit 100 km/h entgegenkommt, legt jedoch 28 Meter pro Sekunde zurück – das bedeutet, dass ein scheinbar weit entferntes Fahrzeug in kürzester Zeit gefährlich nahe sein kann.

Versteckte Risiken hinter scheinbarer Übersichtlichkeit

Auch auf gerader Strecke kann die Umgebung trügerisch sein. Leichte Kuppen, Bodenwellen oder Schatten können Gefahren verdecken. Ein langsam fahrendes Fahrzeug, ein abbiegendes Auto oder ein Radfahrer auf der Spur werden teilweise erst spät erkannt. Besonders Einmündungen und Feldwege, die aus der Distanz unsichtbar bleiben, können zum Problem werden. Ein plötzlich einfahrendes Fahrzeug kann das Überholmanöver schlagartig gefährlich machen.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die benötigte Geschwindigkeit, um einen Überholvorgang sicher abzuschließen. Viele Fahrer unterschätzen, wie viel Leistung und Zeit sie benötigen, um an einem langsameren Fahrzeug vorbeizuziehen. Besonders bei Fahrzeugen mit geringer Motorleistung oder schwerer Beladung verlängert sich die Überholzeit erheblich. Das Risiko steigt mit jedem zusätzlichen Meter, den man auf der Gegenfahrbahn verbringt.

Ein Beispiel: Ein Fahrzeug mit 75 PS, das einen Lkw mit 80 km/h überholen möchte, benötigt unter optimalen Bedingungen etwa 15 Sekunden, um sicher vorbeizuziehen. Das klingt kurz, entspricht jedoch einer Strecke von über 400 Metern – und auf Landstraßen kann Gegenverkehr oft schon deutlich früher auftauchen.

Unerwartete Manöver anderer Verkehrsteilnehmer

Auch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer kann ein Überholmanöver gefährlich machen. Der Fahrer des zu überholenden Fahrzeugs könnte unerwartet beschleunigen oder ohne zu blinken ausscheren. Genauso gefährlich ist es, wenn ein Fahrzeug hinter dem Überholenden gleichzeitig vorbeifahren möchte – sogenannte Doppelmanöver führen häufig zu schweren Kollisionen. Etwa 15 Prozent aller Überholunfälle entstehen durch Missverständnisse zwischen mehreren Fahrern.

Selbst auf scheinbar perfektem Asphalt kann es zu Problemen kommen. Kleine Schlaglöcher, lose Steine oder nasse Stellen bleiben bei hohen Geschwindigkeiten häufig unbemerkt, bis sie das Fahrzeug destabilisieren. Das Überholen erfordert oft ein rasches Beschleunigen, wodurch die Haftung der Reifen stärker gefordert wird. Auf schlechter Fahrbahn kann dies außer Kontrolle geraten.

Warum Überholen auf gerader Strecke gefährlich bleibt

  1. Fehleinschätzungen von Geschwindigkeit und Entfernung
  2. Versteckte Gefahren durch Unebenheiten oder Einmündungen
  3. Unzureichende Beschleunigung
  4. Unerwartetes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer
  5. Gefährliche Straßenverhältnisse

Verhaltenstipps für sicheres Überholen

1. Vorbereitung

Zuerst sollten Sie die Strecke einschätzen. Ist sie lang genug, um sicher zu überholen? Außerdem ist es wichtig den Gegenverkehr zu berücksichtigen. Wie weit ist das andere Auto entfernt und wie schnell fährt es? Ist man sich unsicher, sollte man besser auf eine andere Gelegenheit warten.

2. Sichtbarkeit

Ist die Strecke frei und hat man die Absicht zu überholen, ist es hilfreich, die anderen Verkehrsteilnehmer frühzeitig darüber zu informieren. Setzen Sie daher rechtzeitig den Blinker. Vergewissern Sie sich außerdem, dass niemand sonst hinter Ihnen überholen möchte. Beachten Sie zudem den toten Winkel, ehe Sie ausscheren.

3. Durchführung des Überholens

Beim Überholvorgang selbst ist es wichtig, zügig zu beschleunigen. Halten Sie einen ausreichenden Seitenabstand zum überholten Fahrzeug (mindestens 1,5 Meter, bei Fahrrädern und Motorrädern mehr). Achten Sie auf den Gegenverkehr und Ihre Geschwindigkeit.

4. Rückkehr in die Spur

Bevor Sie zurück in Ihre Spur fahren, beachten Sie den nötigen Abstand zum überholten Fahrzeug. Scheren Sie vorsichtig wieder ein und geben Sie gegebenenfalls ein Handzeichen als Dankeschön.

5. Vorsicht bei besonderen Situationen

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Überholen Sie nicht in einer unübersichtlichen Situation. Vermeiden Sie Überholmanöver bei schwierigen Straßenverhältnissen wie Regen, Schnee oder schlechter Fahrbahn. Achten Sie auf Verkehrszeichen, die Überholverbote oder gefährliche Stellen kennzeichnen.

In der Bildergalerie erfahren Sie 27 Irrtümer im deutschen Straßenverkehr.  © auto motor und sport

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