Raserei, illegale Rennen durch die Innenstadt und Autoposing bleiben große Probleme. Verkehrsforscher Andreas Knie hat dafür eine simple, aber kontroverse Lösung.
Es ist eigentlich eine mehr als banale Erkenntnis: Raserei ist gefährlich. Dennoch leben immer mehr Menschen ihren Hang zum gefährlich schnellen Autofahren auf öffentlichen Straßen aus. Dem "Spiegel" zufolge gab es im vergangenen Jahr 6.187 Verdachtsfälle für illegale Autorennen – ein Anstieg um 10,3 Prozent im Vergleich zu 2022. Bis Ende Oktober 2023 registrierte die Polizei deutschlandweit knapp 1.700 eindeutige Fälle von illegalen Autorennen und damit etwa 100 mehr als im Jahr zuvor. Allein Berlin verzeichnete 2023 exakt 593 solche Ereignisse. Somit finden in der Hauptstadt fast zwei illegale Autorennen pro Tag statt. Hinzu kommen natürlich jene, die unentdeckt bleiben und somit in der Dunkelziffer verschwinden.
Video: Die Verwendung von Blitzer-Apps ist illegal
Immer härtere Strafen für derartige Vergehen und eine verstärkte Überwachung seitens der Polizei scheinen also nicht eindämmen zu können, dass Autos mit dreistelligen km/h-Werten, manchmal gar mit rund 200 Sachen, durch die Innenstadt rasen. In aller Regel sitzen Männer am Steuer, die größtenteils bis zu 25 Jahre alt sind. Genau diese Tatsache veranlasst manche Menschen, über andere Ideen nachzudenken, wie sich die miteinander zusammenhängenden Probleme der Raserei und illegalen Autorennen sowie des Autoposings, also nachts mit besonders lauten Autos durch die Innenstadt zu fahren, lösen lässt.
"Archaische Strukturen, veralteter Männlichkeitswahn"
Einen besonders kontroversen Lösungsansatz liefert nun der Verkehrsforscher Andreas Knie: "Wenn die Unfälle durch Raserei nicht abnehmen, muss darüber gesprochen werden, ob Männer erst mit der Vollendung des 26. Lebensjahres einen Führerschein bekommen sollten", so der Wissenschaftler beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). "Da stecken alte archaische Strukturen dahinter und ein längst veralteter Männlichkeitswahn, der da seine Auslebung findet." Vor allem der Reiz des Verbotenen mache die Raserei für die jungen Männer so attraktiv.
Knie, der am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) die Forschungsgruppe "Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung" leitet, macht noch einen Alternativvorschlag. Ähnlich wie beim Motorradführerschein könne auch für Autos ein System eingeführt werden, bei dem die Fahrerlaubnis in jungen Jahren nur für eher leistungsschwache Fahrzeuge erteilt wird. Den Motorradführerschein der Klasse A ohne Hubraum- und Leistungsgrenzen gibt es hierzulande frühestens im Alter von 24 Jahren. Oder mit einer Ausnahme: Wer mindestens zwei Jahre einen Führerschein der Klasse AM für Motorräder mit bis zu 35 kW (48 PS) besitzt und sich in dieser Zeit nichts zuschulden kommen lässt, kann bereits mit 20 Jahren den vollwertigen A-Führerschein erwerben.
Sind die aktuellen Strafen angemessen?
Bleibt die Frage offen, ob sich das Raserei-Problem eventuell durch höhere Strafen eindämmen ließe. Der RBB schildert einen Fall, bei dem ein junger Autofahrer in seiner Führerschein-Probezeit mit fast 200 km/h statt der erlaubten 80 km/h über die Berliner Stadtautobahn raste. Seine Strafe: Führerscheinentzug für drei Monate, mindestens 1.600 Euro Bußgeld und eine Teilnahme an der Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU).
"Viel zu wenig", sagt Andreas Knie. "Das reicht offensichtlich noch nicht. Der erste Impuls wäre, die Strafen deutlich zu erhöhen." Im deutschen Verständnis werde Geschwindigkeitsüberschreitung weiterhin als Kavaliersdelikt angesehen. "Zu schnelles Fahren zieht noch keine gesellschaftliche Ächtung nach sich", so der Wissenschaftler. Erst sobald es diese gebe, könne sich etwas ändern.
Hinweis: In der Fotoshow präsentieren wie Ihnen einige kreative Ausreden von Verkehrssündern. Und im Video nach dem ersten Absatz erklären wir die Rechtslage in Sachen Blitzer-Apps. © auto motor und sport
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