Das Sommersemester 2020 hat begonnen. Corona gibt auch an Deutschlands Hochschulen den Takt an. Es wird in weiten Teilen ohne Präsenz an den Hochschulen ablaufen müssen. Studierende, Lehrende und Hochschulen müssen vor allem bei Prüfungen umdenken. Was ist zu beachten?

Rolf Schwartmann
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Rolf Schwartmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das Sommersemester hat gerade begonnen und es dauert nur drei Monate. Man muss zu Beginn des Semesters schon an die Abschlussprüfungen denken und planen. Studierende wollen Klarheit und Sicherheit für die Prüfungen.

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Welche Prüfungen finden in welcher Form und wann statt? Hochschulen müssen sich frühzeitig mit diesen Fragen befassen. Bei der Prüfungsorganisation sind in Zeiten von Corona Sonderwege nötig.

Im Unterschied zum Datenschutzrecht sind die Landesgesetzgeber hier im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz befugt, Anpassungen vorzunehmen. Eine in NRW erlassene "Corona-Epidemie-Hochschulverordnung" regelt Eckdaten und überträgt Details an die Hochschulleitungen.

Sofern die räumliche Situation und das Pandemierecht es zulassen, können in beschränktem Umfang auch Präsenzprüfungen, also auch Klausuren, mündliche Prüfungen, mündliche Beiträge und Präsentationen etc. angeboten werden.

Diese Möglichkeiten stehen unter dem Vorbehalt der Auslegung und Anwendung des Pandemierechts durch die Hochschule. Die Rechtslage ist aktuell offen und man kann mit Präsenzprüfungen nur bedingt planen.

Prüfungen per Videokonferenz

Sofern Prüfungen mit Anwesenheit in der Hochschule nicht durchgeführt werden können, stellen Online-Prüfungen, etwa per Videokonferenz, unter Wahrung der Prüfungsgleichheit grundsätzlich eine zulässige Alternative dar.

Prüfungsformen dürfen nach Vorgabe des Hochschulrechts auch kurzfristig ausgetauscht werden, das Verfahren kann die Hochschule im Rahmen der Vorgaben des Landesgesetzgebers und der Verhältnismäßigkeit flexibel gestalten.

Mündliche Prüfungen, mündliche Beiträge und Präsentationen können mit von der Hochschule autorisierter und lizensierter Software per Videokonferenz stattfinden. Täuschungsversuche sind im unmittelbaren Kontakt zwischen Prüfer und Prüfling in der Regel ausschließbar.

Zur Dokumentation reicht ein schriftliches Protokoll. Eine Aufzeichnung der Prüfung ist nicht erforderlich und darf deshalb nur im Einverständnis aller Beteiligten, unter Wahrung der strengen datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Anforderungen (Zweckbindung, Informationspflicht etc.) erfolgen.

Da eine mündliche Prüfung wegen der alternativen Möglichkeit der (Mini-)Hausarbeit prüfungsrechtlich zur Aufgabenerfüllung der Hochschule nicht erforderlich ist, kann sie als Datenverarbeitung der Hochschule nur mit Einwilligung der zu prüfenden Studierenden durchgeführt werden.

Gründe für die Verweigerung müssen nicht genannt werden. Sie liegen bei Studierenden auf der Hand, die keine geeigneten Endgeräte für eine Prüfung per Videokonferenz (fehlende Kamera, fehlendes Mikrofon) besitzen.

Bei fehlender Einwilligung kann die Prüfung entweder für alle Beteiligten als Hausarbeit (siehe unten) stattfinden. Sie muss von allen Beteiligten, unter Wahrung der strengen datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Anforderungen (Zweckbindung, Informationspflicht etc.) erteilt und dokumentiert, etwa per Mail abgegeben werden.

Schweigen oder Nichtreaktion eines Studierenden zählt im Datenschutzrecht nicht als Einwilligung. Unterschiedliche Prüfungsformen innerhalb der Prüfungsgruppe (z.B. Hausarbeit anstelle mündlicher Prüfung) sind prüfungsrechtlich mit Blick auf die Prüfungsgleichheit unzulässig.

Klausuren können per Videokonferenz nicht beaufsichtigt werden

Im Regelbetrieb ist es prüfungsrechtlich demgegenüber nicht machbar, per Videokonferenz von unterschiedlichen Orten Klausuren schreiben zu lassen. Ein Problem ist die Aufsicht. Selbst wenn alle Studierenden während der Klausur ihre Kameras einschalten würden, wäre diese Maßnahme – vom Datenschutz abgesehen – ungeeignet, um Täuschungsversuche auszuschließen.

Schon auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches könnte ein Team von "Prüfungshelfern" sitzen. Deren Mitwirkung wäre selbst dann im Sinne der Prüfungsgerechtigkeit verboten und nicht wirksam auszuschließen, wenn man eine "Open-Book-Prüfung" gestattet.

Wer sich bei Klausuren akustische Kontrolle über bei allen Prüflingen aktivierte Mikrophone verspricht, muss sich das unvermeidbare Durcheinander aller Hintergrundgeräusche vorstellen, die ungestörtes Arbeiten zur Farce macht.

Da von der Hochschule weder sicher gestellt noch überprüft werden kann, dass alle privaten Computer der Studierenden mit passenden Mikrofonen und Kameras ausgestattet sind, scheitert die Klausur per Videokonferenz auch an der Prüfungsgleichheit. Die Beschwerde nur eines Studierenden oder spätestens ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht würde zum unkalkulierbaren Risiko.

Mini-Hausarbeiten und mündliche Prüfungen per Videokonferenz sind möglich

Da die Hochschulen Freiräume bei den Prüfungsformen haben, können sie schriftliche Prüfungsleistungen generell auf die Prüfungsform Hausarbeit umstellen. Hier erfolgt der Leistungsnachweis unbeaufsichtigt.

Die Prüfungsämter oder Prüfungsausschüsse legen eine zentrale Prüfungsphase fest und stellen über eine Lernplattform (z.B. ILIAS, Moodle etc.) Prüfungsaufgaben. Die Prüfungsphase würde etwa binnen eines Monats nach dem Ende der Unterrichtsphase stattfinden.

In dieser Zeit sind die Hausarbeiten insgesamt und entweder nach Entscheidung der Studierenden oder nach Vorgabe der Hochschule zu bearbeiten und spätestens am Tag nach Ablauf der Bearbeitungsfrist auf die Lehrplattform einzustellen und ein Zeitstempel erfasst die rechtzeitige Abgabe.

Alternativ könnten sie per Post an Prüfungsausschuss oder Prüfungsamt geschickt werden. Der Poststempel belegt die Fristwahrung. Die Mini-Hausarbeiten sind in der Aufgabenstellung etwa auf z.B. zwei Tage Bearbeitungszeit auszulegen.

Die Prüfungsaufgaben müssen auf die besonderen Anforderungen der Hausarbeit zugeschnitten werden. Es kommen als Themenstellungen Fragen, Fallstudien, Beschreibungen von Lösungswegen in der Mathematik oder Versuchsbeschreibungen in Naturwissenschaften generell usw. in Betracht.

Studierende bestätigen schriftlich, dass diese Bearbeitungszeit eingehalten und die Aufgabe eigenständig bearbeitet wurde. Nach Ablauf der Prüfungsphase sind die digital eingereichten Hausarbeiten binnen einer geeigneten Frist von den Fakultäten zentral auszudrucken, mit den postalisch übersandten Hausarbeiten zusammenzuführen und den Prüfern zur Korrektur innerhalb der üblichen Korrekturzeit zur Verfügung zu stellen.

Nach der Korrektur sind sie aus prüfungsrechtlichen Gründen körperlich abzulegen und zur späteren Einsichtnahme in einem möglichen Widerspruchsverfahren gegen das Klausurergebnis aufzubewahren und zur Akteneinsicht freizugeben. Dieses Verfahren kann auf schriftliche Prüfungen, die sich unmittelbar an das Sommersemester 2020 anschließen, begrenzt werden.

Für schriftliche Prüfungen, die außerhalb des zentralen Prüfungszeitraumes stattfinden, kann die Bearbeitungsdauer individuell festlegt werden.

Bei Hausarbeiten sind Täuschungsversuche ein generelles Problem. Durch die Versicherung der Studierenden, die Arbeiten innerhalb der erlaubten Zeit und ohne unerlaubte Hilfe erarbeitet zu haben, lässt sich eine Prüfung formaljuristisch rechtfertigen. Zugleich sollten Hochschulen aber den Einsatz von Plagiatssoftware intensivieren.

Fazit zu Prüfungen im digitalen Semester

Auch Hochschulen bringt Corona an Grenzen. Sie müssen nun umsichtig, maß- und wirkungsvoll handeln, um die Krise möglichst schadlos zu überwinden. Die genannten Ansätze zur Vermeidung eines "Nullsemesters" per Videokonferenz & Co. sind nicht elegant aber unvermeidbar, sofern die räumliche Situation und das Pandemierecht Präsenzprüfungen nicht zulassen.

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Unser Kolumnist leitet die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht und ist Professor an der TH Köln. Er ist Vorsitzender des Prüfungsausschusses der dortigen Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Sachverständiger des Deutschen Hochschulverbandes für IT und Datenrecht und Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD).
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