Im neuen Kinofilm "Ghost in the Shell" spielt Scarlett Johansson einen Cyborg, der die Welt retten soll. Sind Mensch-Maschinen wirklich nur Fiction oder Wirklichkeit? Ein Technik-Experte klärt auf.

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Der Cyberpunk-Film "Ghost in the Shell" spielt im Jahr 2029. Eine gar nicht so weit entfernte Zukunft, in der viele Menschen Cyborgs sind und mit Implantaten neue Fähigkeiten bekommen - für das Leben im Jahr 2017 klingt das sehr skurril.

Doch wie weit ist die Cyborg-Forschung und die damit verbundene Disziplin "Human Enhancement" (dt. Verbesserung des Menschen) heute wirklich, wo sind die größten Herausforderungen und was wird in Zukunft möglich sein?

Wir haben mit Christopher Coenen gesprochen, Experte für Cyborg-Technologien am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Herr Coenen, ab wann wird es Ihrer Meinung nach normal sein, dass wir alle Cyborgs werden?

Christopher Coenen: Hier muss man zwischen zwei Aspekten unterscheiden: Human Enhancement, wie wir es verstehen, kann potenziell und in sehr eingeschränktem Maße auch schon heute erfolgen, etwa durch Medikamente.

Aber als echte Cyborgs würde ich nur Menschen mit Implantaten oder dauerhaft am Körper befestigter Technik bezeichnen. Nach gewissen Definitionen gibt es bereits sehr viele Cyborgs: Nämlich alle Menschen mit einem Herzschrittmacher.

Dass Menschen ohne einen medizinischen Grund Implantate oder dauerhaft am Körper befestigte Technik tragen, wird - zumindest weltweit betrachtet - noch sehr lange dauern. In den reicheren Ländern kann sich das aber schnell verbreiten, sobald die Enhancements einen erheblichen Nutzen bringen.

Bei welcher Entwicklung in dem Bereich des Human Enhancement dachten Sie das letzte Mal: Wow!?

Zum Human Enhancement gehören auch sehr weitreichende Visionen einer Verschmelzung von Mensch und Technik. Einen Wow-Effekt hatte ich bei dem "Brain-to-Text"-Verfahren. Bei dieser Untersuchung, an der das KIT maßgeblich beteiligt war, zeichneten wir mittels Elektroden direkt an der Großhirnrinde Hirnströme auf, die unmittelbar mit dem Sprechen zusammenhängen. Es gelang aus diesen Strömen nicht nur Laute, sondern Wörter und sogar ganze Sätze zu rekonstruieren und diese per Computer als Text wiederzugeben.

Worin liegen technisch gesehen momentan die größten Herausforderungen?

Da es eine Vielfalt von Ideen für Human Enhancement gibt, sind auch die technischen Herausforderungen sehr unterschiedlich. Bei Weiterentwicklungen, die chirurgische Eingriffe erforderlich machen, ist es eine zentrale Herausforderung, die Bio-Kompatibilität der Geräte herzustellen, also ihre gesundheitliche Verträglichkeit im menschlichen Körper. Sprich: Stößt der Körper Implantate ab oder nimmt er sie an?

Ist der Cyborg Ihrer Meinung nach ein besserer Mensch oder eher eine fleischgewordene Horrorvorstellung?

Weder noch. Cyborgs können potenziell leistungsfähiger sein. Zu besseren Menschen im moralischen Sinn macht sie die Technik aber sicher nicht. Unheimlich wird es zum einen, wenn die mit dem Körper verschmolzene Technik von anderen manipulierbar ist. Das ist bei heutigen Implantaten durchaus möglich. Zum anderen tritt das Unbehagen auf, wenn die Technik zu Persönlichkeitsveränderungen führt, was beispielsweise bei der implantatbasierten Tiefen Hirnstimulation der Fall sein kann, oder sogar eine Manipulation der Persönlichkeit ausgemalt wird.

Glauben Sie, dass Human Enhancement Auswirkungen auf unser Ich hat?

Es gibt ja bereits Medikamente und Technologien, bei deren Einsatz es zu Persönlichkeitsveränderungen kommt. Bei zukünftigen Technologien, die beispielsweise zusätzliche Sinne schaffen, könnte das noch stärker der Fall sein. Wer für den Menschen nicht natürliche, neue Sinne hat, beispielsweise wie eine Fledermaus Echoortung per Ultraschall beherrscht, entwickelt sich vielleicht ganz anders.

Ich habe aber eher einen anderen Eindruck: Unser Selbstverständnis hat Auswirkungen auf die technische Entwicklung. Das Spektrum von Mitteln zur sogenannten Selbstoptimierung reicht heute schon von Schönheitsoperationen und Drogenmissbrauch über alle möglichen Fitness-Apps bis zu zahllosen Rankings und Evaluationen. Unser Ich ist also schon jetzt oft dadurch gekennzeichnet, dass unser Selbstwertgefühl durch ein inhaltsleeres Leistungsdenken und durch Äußerlichkeiten bestimmt wird.

Wo sehen Sie die größte Hürde bei Human Enhancement? Technisch oder ethisch?

Für Human Enhancement im Sinne einer Verbesserung, die nicht der Therapie oder Behinderungskompensation dient, stehen bisher nur sehr wenige Mittel zur Verfügung; und die Wirkungen sind gering oder die Anwendungen eher spielerischer Natur. Bei einigen sehr weitreichenden Visionen der Mensch-Technik-Verschmelzung, beispielsweise beim Mind Upload (Prozess, mentale Inhalte auf ein Medium zu übertragen; Anm. d. red.), ist weiterhin unklar, ob diese überhaupt jemals zu verwirklichen sind. Insofern sind die technischen Hürden insgesamt gesehen noch sehr hoch.

Ethisch gesehen würde ein Human Enhancement, das auf Mensch-Technik-Verschmelzung basiert, höchstens eine weitere Verschärfung bereits bestehender ethischer Probleme bedeuten, wie die der Verteilungsgerechtigkeit oder auch die der Privatsphäre.

Human Enhancement ist aber bedenklich mit Blick auf das fundamentale Recht auf körperliche Unversehrtheit. Jeglicher direkte Zwang zur Nutzung von Enhancement-Mitteln ist daher abzulehnen. Sozialer Druck ist problematisch, wenn er dazu anregt, diese zu nutzen. Für Kinder und nicht zurechnungsfähige Erwachsene sollte Human Enhancement daher absolut tabu sein. Natürlich gibt es hier eine Ausnahme: Wenn es im Zuge von Therapie, Krankheits- und Behinderungsprävention oder Behinderungskompensation medizinisch nötig ist.

Wie hoch sehen Sie die Gefahr, dass Human Enhancement nicht nur bei benachteiligten oder erkrankten Menschen eingesetzt wird, sondern für Leistungssteigerungen bei gesunden Personen missbraucht wird?

Die Geschichte zeigt leider, dass die Entwicklung von Waffen und anderer Technik für Kriegszwecke keine Grenzen kennt. Wenn es dereinst wirklich effektive Mittel für geistiges und körperliches Enhancement geben sollte, ist es zu befürchten, dass die Armeen damit aufgerüstet werden.

Zur Person: Christopher Coenen ist Experte für Cyborg-Technologien am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
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