Frankfurt/Main (dpa/tmn) – 1,2 Milliarden Euro: So viel Geld haben Computerspieler in Deutschland 2015 für neue virtuelle Abenteuer ausgegeben. Das geht aus Zahlen des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) hervor. Die Frage ist nur: Wie viel Spiel gibt es für dieses Geld?
Zumindest die großen Hits kosten zum Start 60 bis 70 Euro, als Sammleredition mit Extras gerne noch mehr. Wer jedoch nur ein paar Monate wartet, bekommt selbst umfang- und erfolgreiche Spiele oft deutlich günstiger.
Das war nicht immer so, gerade auf dem Konsolenmarkt. Doch seit es dort alle Titel auch als Download gibt, hat sich das geändert. "Auf digitalen Marktplätzen entscheiden nicht mehr die Händler über den Preis, sondern Entwickler oder Publisher direkt", erklärt Lewis Ward, Forschungsdirektor für den Bereich Gaming beim Marktbeobachter IDC. "Technisch gibt es da auch viel mehr Möglichkeiten, den Preis anzupassen, teilweise sogar von Tag zu Tag."
Vorreiter in Sachen digitaler Schlussverkauf sind Marktplätze für PC-Spiele wie Steam oder GOG. Selbst aktuelle Titel gibt es hier bei den großen Verkaufsaktionen manchmal für nur ein paar Euro. Und auch auf der Konsole sind seit dem Start von Playstation 4 und Xbox One deutlich mehr Sonderangebote zu finden als zuvor. Immun gegen sinkende Preise scheinen nur Nintendo-Hits wie "Mario Kart", die auch Jahre nach dem Launch noch immer 50 bis 60 Euro kosten. "Das sind halt echte Evergreens mit hohem Wiederspielwert", sagt Lewis Ward.
Anderswo profitieren geduldige Spieler von niedrigeren Preisen – und bekommen oft auch noch bessere Spiele. Denn selbst Titel großer Hersteller kämpfen bisweilen mit Startproblemen, die erst später per Update repariert werden. "Von Seiten der Entwickler ist es völlig klar, dass es solche Fehler gibt, das ist im Risikomanagement quasi eingeplant und auch normal", sagt Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Medienökonomie und -management an der Universität Paderborn. "Das sollen natürlich nur kleine Fehler sein, die einen Titel nicht unspielbar machen - solche Fälle gibt es aber auch immer wieder."
So lief etwa "Batman: Arkham Knight" für den PC bei Verkaufsstart auf kaum einem Rechner sauber. In "Halo: The Masterchief Collection" funktionierten die meisten Multiplayer-Modi nicht. Selbst technisch saubere Spiele wie der Rollenspiel-Hit "The Witcher 3" wurden im Laufe der Zeit noch verbessert. Späte Käufer von "The Witcher 3" bekommen zudem nicht nur ein besseres Spiel, sondern auch ein umfangreicheres: Die "Game of the Year Edition" enthält neben dem regulären Spiel auch zwei kostenpflichtige Erweiterungen.
Ähnliche Deals und Angebote gibt es nach einiger Zeit auch bei vielen anderen Spielen mit teuren Zusatzinhalten, oft unter Titeln wie "Game of the Year Edition" oder "Legendary Edition". Und Online-Rollenspiele wie "Star Trek Online" und "Star Wars: Knights of the Old Republic", für die früher neben dem Kaufpreis noch eine Monatsgebühr fällig wurde, gibt es inzwischen teils gratis.
Warum kaufen viele Spieler neue Titel dann trotzdem am Tag eins? Meistens liegt das daran, dass sie einfach nicht warten wollen. "Es gibt viele Spieler mit einer sehr hohen Erwartungshaltung, gerade bei populären Serien oder Sportspielen", sagt Jörg Müller-Lietzkow. "Die Titel haben dann am Erscheinungstag da zu sein." Solche Spieler nehmen in Kauf, dass sie die Katze im Sack kaufen. Vorschusslorbeeren und hochgelobte Vorgänger sind keine Garantie für erfüllte Erwartungen. Ein aktuelles Beispiel: Die mit Spannung erwartete Weltraum-Simulation "No Man’s Sky", enttäuschte viele Spieler schon nach kurzer Zeit.
Trotzdem gibt es vernünftige Gründe, Spiele früh zu kaufen, so Müller-Lietzkow: "Weil man zum Beispiel einfach mitreden will." Wer sich viel mit Spielen beschäftigt, muss sie schließlich auch kennen. Bei manchen Titeln wie "Dark Souls" gehört das gemeinsame Erkunden des Spiels in der Community auch mit zum Spielspaß. Das geht natürlich nur kurz nach Verkaufsstart, wenn große Teile des Spiels noch unerforscht sind. Und in Multiplayer-Titeln können die Server ein paar Monate nach Launch schon wieder relativ leer sein.
Sowohl für das schnelle Zuschlagen als auch fürs Abwarten gibt es also gute Gründe - je nach Spiel, Spieler, Publisher und Erwartung. "Spieler müssen da am Ende für sich selbst abwägen, was ihnen wichtiger ist", sagt Müller-Lietzkow. "Wollen sie direkt dabei sein und mitreden können, oder wollen sie ein ausgereiftes, durch einen Patch verbessertes Produkt, auf das sie vielleicht ein halbes Jahr warten müssen?" © dpa
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