Ärztebewertungsportale wie Jameda haben einen deutlichen Dämpfer bekommen: Eine Dermatologin zieht vor Gericht und stellt das Geschäftsmodell des Portals an den Pranger. Das Urteil des Bundesgerichthofs fällt sehr klar aus.
Internet-Bewertungsportale müssen ihre Geschäftsmodelle gründlich überdenken.
Denn was vor Gericht bislang vergeblich war, gelang nun einer Dermatologin aus Köln: Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verdonnerte das Ärztebewertungsportal Jameda wegen mangelnder Neutralität zur Datenlöschung. Das Urteil hat weitreichende Folgen.
Worum ging es genau?
Die Hautärztin war gegen ihren Willen bei dem Portal gelistet und wollte erreichen, dass ihr komplettes Profil gelöscht wird. Sie fühlte sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und vom Geschäftsmodell des Internet-Portals benachteiligt.
Warum das denn?
Jameda verdient sein Geld, indem es auch als Werbeplattform für Ärzte fungiert. Je nach Monatsbeitrag können Mediziner auf Wunsch ein Foto nebst ausführlicher Eigenwerbung in ihr Profil einstellen.
Das Profil von Ärzten jedoch, die auf Jameda nicht kostenpflichtig für sich werben, ist deutlich unattraktiver gestaltet. Zu sehen sind nur die Basisdaten wie Adresse und Fachrichtung und ein graues Einheitsbild.
Was ist daran schlimm?
Aus Sicht der Klägerin führte das zu Intransparenz und Ungleichbehandlung: Denn sie, die dort kein zahlender Kunde war, musste auf ihrem Jameda-Profil Werbeanzeigen anderer, zahlender Wettbewerber dulden.
Umgekehrt waren diese aber vor Hinweisen auf die Konkurrenz geschützt - unfair, fand die Dermatologin.
Warum war sie überhaupt auf Jameda gelistet, wenn sie dort gar nicht auftauchen wollte?
Ärzte müssen es wegen des öffentlichen Interesses und im Sinne der freien Arztwahl hinnehmen, dass sie in solchen Portalen verzeichnet sind und dort - natürlich unter Einhaltung bestimmter Standards - von Patienten bewertet werden.
Sich einfach löschen lassen, das geht nicht, hat der BGH im September 2014 entschieden (Az.: VI ZR 358/13).
Was sagte nun der BGH?
Er gab der Ärztin überraschend deutlich recht und beanstandete das Geschäftsmodell von Jameda entschieden (Az.: VI ZR 30/17).
Das Portal habe mit dieser Art von Zwei-Klassen-Behandlung den Boden eines neutralen Informationsvermittlers verlassen. Das müsse niemand hinnehmen.
Jameda darf die Daten der Ärztin damit nicht mehr führen. An der Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 rüttelte der BGH nicht - solange Portale neutral bleiben.
Was sind die Konsequenzen des aktuellen Urteils?
Jameda und andere Bewertungsportale mit ähnlichen Geschäftsmodellen müssen ihre Werbeformate umgestalten. Der BGH weise sehr deutlich darauf hin, dass insbesondere Arztbewertungsseiten der Neutralität verpflichtet seien, sagt dazu der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, NAV-Virchow-Bund.
"Meinungsportale müssen ihre Werbeangebote nun grundsätzlich überprüfen. Wird auf Meinungsseiten für Konkurrenz zum Bewerteten geworben, ist die Nutzung seiner Daten rechtswidrig", betont Paetrick Sakowski, Experte für Wettbewerbsrecht.
Nach Angaben einer Jameda-Sprecherin wurden die vom BGH beanstandeten Anzeigen bereits entfernt.
Reicht die Löschung schon aus?
Ja, meint Jameda, aber Experten sind sehr skeptisch. "Ich halte das für verfrüht und man wird hier die ausführlichen Urteilsgründe abwarten müssen", sagt Volker Herrmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. "Wenn man alles andere unverändert lässt, läuft Jameda Gefahr, dass auch in nachfolgenden Prozessen Löschungsklagen erfolgreich sein werden."
Das sieht auch Christian Solmecke so, Experte für Medien- und Internetrecht: Jameda werde es nicht bei diesen kleinen Änderungen belassen können, sagt er. "Und eine Reihe anderer Bewertungsportale werden jetzt Probleme bekommen." © dpa
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