Pro Jahr erkranken mehr als 70.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Die Heilungschancen sind sehr hoch – wird der Tumor früh erkannt und behandelt. Eine der Säulen der Anti-Krebs-Therapie ist die Chemotherapie. Doch der Cocktail gegen den Tumor macht vielen Betroffenen Angst. Kein Wunder, denn die Behandlung hat es in sich. Wie sie wirkt, wie verträglich sie heute ist und in welchen Fällen sie Sinn macht.

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Was versteht man unter einer Chemotherapie und wie wirkt sie?

Bei einer Chemotherapie bekommen die Betroffenen verschiedene Medikamente verabreicht – die sogenannten Zytostatika. Diese Zellgifte sollen Tumor und, wenn vorhanden, Metastasen attackieren und zum Schrumpfen bringen. Mitunter können die bösartigen Geschwulste sogar verschwinden. Die Idee dahinter erklärt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, wie folgt:

"Die meisten Tumorzellen teilen sich rasch und vermehren sich schnell. Das unterscheidet sie von den meisten gesunden Zellen. Im Kampf gegen den Tumor setzt man deshalb Medikamente ein, die das Wachstum von Zellen hemmen."

Der Nachteil: Die Chemotherapie wirkt systemisch. Das heißt, sie wirkt nicht allein auf die Tumorzellen. Auch gesunde Zellen, die sich rasch teilen, werden geschädigt. Denn die Medikamente gelangen an jede Stelle des Körpers.

Müssen alle Krebspatientinnen eine Chemotherapie machen?

Wann eine Behandlung notwendig ist, richtet sich zunächst nach den Eigenschaften des Krebses, wie Größe, Wachstumsrate und Hormonstatus. Die Tumorwerte bestimmen auch, welche Substanzen verabreicht werden.

Zu einer Chemo wird geraten, "wenn der Tumor viele Merkmale aufweist, die ihn als aggressiv kennzeichnen – etwa wenn die Wachstumsrate entsprechend hoch ist", erklärt Weg-Remers.

"Ebenso wird überprüft, wie stark sich die Zellen im Vergleich zum Ursprungsgewebe verändert haben. Auch dies kann ein Hinweis auf eine besondere Aggressivität sein", so Weg-Remers weiter.

Zudem werden der körperliche Zustand der Patientin und ihre Begleiterkrankungen in Betracht gezogen.

Wonach richtet sich der Therapieplan im Weiteren?

"Zunächst muss der Arzt überlegen, mit welchem Ziel die Chemotherapie zum Einsatz kommt. Ein Ziel wäre zum Beispiel, den Tumor so weit zu schrumpfen, dass anschließend brusterhaltend operiert werden kann", erklärt Weg-Remers. Dieses Vorgehen nennt man neoadjuvant. Es wird also erst eine Chemo verabreicht und danach operiert.

"Es gibt aber auch die Möglichkeit, erst nach der Operation die Chemotherapie zu verabreichen. Das wäre adjuvant", sagt die Medizinerin. Dies betrifft vor allem sehr kleine Tumore.

Anhand von Biomarkern wird das Rückfallrisiko bewertet. Danach entscheidet der Arzt, ob eine Chemotherapie notwendig wird oder nicht. Liegen bereits Lymphknotenmetastasen vor, ist eine Chemotherapie sehr wahrscheinlich. In diesem Fall will man verhindern, dass Krebszellen weiter wandern und auch an anderen Stellen andocken.

Außerdem kann es sein, dass sich erst nach dem Entfernen des Tumors zeigt, dass es sich um einen besonders aggressiven Krebs handelt – auch wenn keine Lymphknoten befallen sind.

Zwar wird noch vor der Diagnosestellung eine Stanze gemacht – also Gewebe aus dem Karzinom mit einer Nadel entnommen, dennoch kann es sein, dass der Tumor in seinen Merkmalen unterscheidet. "Denn, mit der Stanze wird nur ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem Tumor analysiert", sagt Weg-Remers.

Wie wird die Chemotherapie verabreicht?

In der Regel wird eine Chemotherapie als Injektion oder Infusion verabreicht. Damit die Venen geschont werden, erhalten heute viele Patientinnen einen Port implantiert.

Dabei handelt es sich um eine kleine Kammer aus Metall oder Kunststoff mit einer Membran. Diese wird unter die Haut gesetzt und über einen Schlauch mit einer Vene verbunden. Mit einer Spezialnadel können Ärzte über den Port Zytostatika geben.

Wonach richten sich Dauer und Anzahl der Gaben?

Speziell bei Brustkrebs gibt es unterschiedliche Schemata. Das wird Weg-Remers zufolge individuell abgestimmt. "In der Regel werden in der adjuvanten Therapie drei verschiedene Medikamente in bestimmten Abständen verabreicht. Diese sogenannten Zyklen werden mehrfach wiederholt."

Wie erfolgreich ist die Chemotherapie?

Hinsichtlich des Therapie-Erfolges muss der Medizinerin zufolge zwischen der Chemo, die man in der adjuvanten oder neoadjuvanten Situation macht, und der beim fortgeschrittenen Brustkrebs unterschieden werden.

"Beim örtlich begrenzten Brustkrebs lässt sich im Einzelfall nicht genau vorhersagen, ob die Chemotherapie ein Rezidiv verhindert", erklärt die Medizinerin. Allerdings deuten große Studien darauf hin, dass das Rückfallrisiko mit Chemo niedriger ist.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Eine Chemotherapie schädigt immer die Gewebe mit, die sich besonders häufig teilen, wie etwa die Zellen der Haarfollikel. Die Folge: Haarausfall. Auch die Zellen der Schleimhäute des Magendarmtraktes und der Mundhöhle sind hiervon betroffen. Infolgedessen kann es zu Entzündungen kommen. Durchfall, Übelkeit und Erbrechen sind ebenfalls häufige Nebenwirkungen.

Einige Patientinnen entwickeln durch bestimmte Zytostatika eine Polyneuropathie. Betroffenen spüren dabei ein Kribbeln und Taubheitsgefühle in Händen und Füßen. "Weitere Nebenwirkungen sind tatsächlich auch davon abhängig, wie alt die Frau ist", sagt Weg-Remers. Bei Frauen kurz vor der Menopause könne die Therapie für vorzeitig einsetzende Wechseljahre sorgen. "Bei einigen Frauen ist anschließend die Fruchtbarkeit beeinträchtigt", erklärt die Ärztin.

Deshalb raten die Ärzte vor einer Chemotherapie zu Vorsorgemaßnahmen wie Fertilisation oder einem "Einfrieren" der Eierstöcke durch ein bestimmtes Medikament. "Wichtig ist, dass man vor der Therapie daran denkt", so Weg-Remers.

Durch Begleitmedikamente der sogenannten Supportivtherapie lässt sich eine Chemotherapie heute relativ gut verträglich gestalten. Dennoch fürchten sich viele Betroffene vor dem Medikamenten-Cocktail. Weg-Remers rät: "Wer Angst davor hat, sollte sich vor Augen führen, mit welchem Ziel die Chemo gemacht werden soll. Liegen keine Metastasen vor, ist das Ziel immer die Heilung."

Wer für ein paar Monate die Nebenwirkungen erdulde, verbessere seine Heilungschancen. Dagegen sei bei Vorliegen von Fernmetastasen, also im fortgeschrittenen Stadium, eine Heilung nicht mehr möglich.

"Dann geht es darum, den Krankheitsfortschritt möglichst lange aufzuhalten – immer aber unter Rücksichtnahme auf die Lebensqualität", so die Ärztin. Hierfür werden Weg-Remers zufolge Therapieschemata eingesetzt, die weniger belastend sind. Die Nebenwirkungen der Chemo könnten dann ein limitierender Faktor sein.

"Ich rate daher, immer mit den behandelnden Ärzten über den potenziellen Nutzen und die zu erwartenden Nebenwirkungen einer Therapie zu sprechen."

Dieser Artikel entstand unter Beratung von Dr. Susanne Weg-Remers. Sie ist Leiterin des Krebsinformationsdienstes (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
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