Essen im Restaurant, ein Besuch im Schwimmbad oder Fitnessstudio, die Busfahrt in die Arbeit oder ein Treffen mit Freunden – nach und nach gibt es in allen Bundesländern Lockerungen der vor ein paar Wochen angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Doch je mehr Menschen wieder am öffentlichen Leben teilnehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Coronavirus von Infizierten auf andere übertragen wird. Ein Hygiene-Experte erklärt, an welchen Orten die Ansteckungsgefahr gering und an welchen sie hoch ist.

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Wie man sich vor einer Corona-Infektion schützt

Das Coronavirus hat den Alltag vieler Menschen auf den Kopf gestellt. Für eine längere Zeit werden die Menschen ihr Verhalten anpassen müssen, um die weitere Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Doch nicht jeder Kontakt mit einem Infizierten führt automatisch dazu, dass das Virus übertragen wird, denn die Ansteckungsgefahr ist in verschiedenen Situationen unterschiedlich hoch.

"Das wichtigste ist, die Standardhygieneregeln einzuhalten. Das heißt mindestens 1,5 Meter Abstand zu Menschen, mit denen ich normalerweise nicht im familiären Bereich Kontakt habe. Bei privaten Besuchen oder geschäftlichen Terminen mit engerem Kontakt sollte man eine Maske tragen und die Husten- und Nieshygiene einhalten. Grundsätzlich ist es unerlässlich sich häufig die Hände zu waschen und sie zu desinfizieren," sagt Georg-Christian Zinn, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin und Direktor des Zentrums für Hygiene und Infektionsprävention der Bioscientia.

Familienmitglieder und enge Freunde stecken sich am ehesten an

Die schottische Virologin Muge Cevik hat Ergebnisse mehrerer internationaler Studien zum Infektionsrisiko analysiert und dargestellt, wo es am häufigsten zu Infektionen kommt: Überall dort, wo sich Menschen in geschlossenen Räumen länger zusammen aufhalten oder ein andauernder Kontakt zu Infizierten besteht, ist die Ansteckungsgefahr am höchsten. Besonders gefährdet sind Familienmitglieder und enge Freunde, das belegt eine chinesische Studie.

"Die meisten nachgewiesenen Infektionen haben wir im Familienverband. Da eine Isolation innerhalb der Familie schwer realisierbar ist, lässt sich das auch nur schwer vermeiden," sagt der Hygiene-Experte.

Vor allem für Personen, die zusammen in einem Haushalt leben ist das Risiko hoch, dass ein Infizierter die anderen Haushaltmitglieder ansteckt. Wer Symptome wie Halsschmerzen, Fieber oder einen plötzlich eingeschränkten Geschmacks- oder Geruchssinn wahrnimmt, sollte zunächst auf Abstand zu anderen gehen und einen Arzt kontaktieren.

Ansteckungen in geschlossenen Innenräumen leicht möglich

"Auch im öffentlichen Nahverkehr, wo sehr viele Leute auf engem Raum zusammenkommen, gibt es viele leichte Übertragungen, genauso im Büro bei Besprechungen in kleinen Räumen oder wenn man beim Essen in der Kantine nah beieinander sitzt. Hier sollte man aufpassen," sagt Zinn.

Wenn aber die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten werden, sind eine Zugfahrt oder auch ein Restaurantbesuch durchaus ohne große Risiken möglich. Man sollte darauf achten, dass man sich in Bus oder Bahn nicht direkt neben andere setzt, die Tische in Restaurants oder Cafés ausreichend Abstand haben und die Innenräume gut belüftet sind.

Dann wird das Infektionsrisiko auch in Innenräumen relativ gering eingeschätzt. Denn wenn die Luft zirkuliert und ein Austausch mit der Außenluft stattfindet, können mögliche virushaltige Tröpfen in der Luft verdünnt und ins Freie getragen werden.

So hoch ist das Risiko im Supermarkt

Aufpassen sollte man aber beim Supermarkt-Einkauf, denn hier kann es leicht zu Virus-Übertragungen kommen. Zinn bestätigt im Gespräch mit der Redaktion: "Wir haben im Supermarkt relativ engen Kontakt zu anderen und momentan auch den Effekt, dass immer mehr Menschen die Masken nicht richtig tragen, das Risiko sollte man hier nicht unterschätzen."

Ein weiteres Problem: Die Nachverfolgung von Supermarkt-Kunden ist sehr schwierig. Im Falle einer Ansteckung lässt sich also kaum rekonstruieren, wer eine Person angesteckt haben könnte.

Im Park oder Biergarten besteht geringere Ansteckungsgefahr

Sobald man sich im Freien aufhält, sinkt das Infektionsrisiko deutlich. Mögliche ausgeatmete Viren werden dort durch Wind schnell verdünnt und durch UV-Strahlung vernichtet.

Bei einem Spaziergang im Park oder einem Biergarten-Besuch ist das Ansteckungsrisiko also eher gering, solange man sich an die Abstandsregeln und Hygienevorschriften hält.

Richtiges Verhalten beim Friseur, im Nagel- oder Kosmetikstudio

Wer sich die Haare schneiden, die Nägel lackieren oder eine pflegende Körperbehandlung durchführen lässt, hat zwangsläufig engen Kontakt mit einer fremden Person.

Hierbei besteht je nachdem, wie nah am Gesicht gearbeitet wird ein geringes bis hohes Infektionsrisiko. Es wird deshalb geraten, auf jeden Fall eine Maske zu tragen und wenn möglich nicht zu sprechen, damit sich so wenig Atem-Tröpfchen wie möglich in der Luft befinden.

Ansteckungsgefahr im Schwimmbad

Wenn die Temperaturen steigen, zieht es viele zur Abkühlung ins Schwimmbad. Doch was ist, wenn sich ein Infizierter im Becken befindet?

"Das Wasser ist kein Problem, wir haben dort durch das Chlor eine gute Desinfektionsleistung und auch einen sehr großen Verdünnungseffekt, eine Ansteckung ist hier also sehr unwahrscheinlich", sagt der Experte.

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Vorsichtig solle man bei den Umkleidekabinen oder Toiletten sein, beim Anstehen am Kiosk, beim Duschen oder an der Schlange am Eingang. Zinn: "Hier sollte man Abstand halten und die Hygieneregeln einhalten."

So gefährlich ist der Besuch im Fitnessstudio

Auch hier muss die Menge der Besucher reduzieren werden, damit man sich an den Sportgeräten nicht zu nahe kommt. Ähnlich wie im Schwimmbad sind auch im Fitnessstudio die Bar, die Dusche oder die Umkleide Orte, an denen ein höheres Ansteckungsrisiko besteht, wenn die Abstands- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden.

"Wir sind auf einem guten Weg, wir haben sinkende Infektionsraten, aber das Risiko ist immer noch da. Wir sollten die gewonnene Freiheit nicht aufs Spiel setzen", sagt Zinn. Sein Appell: "Wir müssen uns weiter verantwortungsvoll verhalten und darauf achten, dass es nicht zu einem Rückschritt kommt."

Dr. med. Georg-Christian Zinn ist Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin und Direktor des Zentrums für Hygiene und Infektionsprävention der Bioscientia (ZHI). Das ZHI betreut und berät Akut- und Rehakliniken, Pflege- und Seniorenheime sowie Praxen aller Fachdisziplinen im gesamten Bundesgebiet. Im Vordergrund steht dabei die vernünftige kosteneffiziente und umsetzbare Hygiene.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Dr. med. Georg-Christian Zinn
  • Twitter-Account der schottischen Virologin Dr. Muge Cevik
  • Chinese Journal of Epidemiology: The epidemiological characteristics of infection in close contacts of COVID-19 in Ningbo city
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