• Die Tage werden wieder länger, die Sonne tut das Übrige: Im Frühjahr erwacht die Natur zu neuem Leben.
  • Auch bei uns Menschen rührt sich etwas, denn bestimmte Hormone werden unterdrückt, andere ausgeschüttet.
  • Ein Experte erklärt, wie es zu den Frühlingsgefühlen kommt - und ob wir uns im Frühjahr tatsächlich schneller verlieben.

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Es ist wieder länger hell und die Temperaturen gehen nach oben: Der Frühling sorgt bei vielen für Hochgefühle und die Hormone spielen verrückt. Spaziergänge im Sonnenschein oder endlich wieder ein Drink im Freien – die neuen Möglichkeiten nach der kalten Jahreszeit tun ihr Übriges. Und das Ganze ist keine bloße Einbildung.

Tatsächlich ändert sich mit dem Frühling bei uns auch hormonell einiges. Dass es die sogenannten Frühlingsgefühle gibt, "das stimmt natürlich", erklärt der Endokrinologe Helmut Schatz im Interview mit unserer Redaktion. Allerdings seien diese Glücksgefühle nicht allein von den Hormonen abhängig, sagt der Wissenschaftler, der sich mit der Lehre von den Hormonen und vom Stoffwechsel beschäftigt.

Die Natur erwacht – und damit auch der Mensch

"Für die Gefühle im Frühling gibt es mehrere Ursachen. Der erste Faktor ist der psychologische: Der Frühling steht für einen Neuanfang und dementsprechend blühen wir Menschen wieder auf, genauso wie die Natur", erklärt Schatz. Einen großen Anteil an den Frühlingsgefühlen schreibt er den Farben zu. Denn mit ihnen würden wir bestimmte Gefühle verbinden. "Nach dem dunklen, farblosen Winter sehen wir endlich wieder grüne Wiesen und Sträucher. Dazu kommt: Auch die Mode passt sich an und wir greifen wieder mehr zu fröhlichen Farben. Das hebt die Laune."

Ein Faktor, der oft vergessen wird, sind die Gerüche. Denn auch die stimulieren unser Gehirn. "Die Düfte, die etwas modrig und erdig riechen, kündigen die Blütenpracht an und vermitteln uns positive Gefühle", so Schatz.

Einen entscheidenden Anteil an den Frühlingsgefühlen haben auch die Hormone. An erster Stelle das Schlafhormon Melatonin. Der Endokrinologe erklärt, dass dieses Hormon vom Licht unterdrückt wird, sobald die Tage wieder länger werden. Melatonin bildet sich in der Zirbeldrüse, die über dem Gehirn sitzt und das Licht über die Augen aufnimmt, erklärt Schatz. Wärme spielt dabei übrigens keine Rolle, sondern lediglich das Licht.

Während das Schlafhormon Melatonin unterdrückt wird, werden Dopamin und Adrenalin erhöht. "Diese Hormone sorgen für einen höheren Blutdruck und können auch das berühmte Herzklopfen auslösen", sagt Schatz. Und: "Auch das Glückshormon Serotonin steigt im Frühjahr an."

Wer die Frühlingsgefühle in vollen Zügen genießen möchte, sollte "ins Freie gehen und die Natur genießen – und dabei nicht zu viel nachdenken", rät der Experte. "Couch Potatoes und Menschen, die ständig am Smartphone hängen, verpassen etwas. Wenn wir miterleben, wie die Natur erwacht, erwacht auch in uns selbst etwas Neues."

Der Frühling ist nicht der Grund fürs Verlieben und die Lust auf Sex

Was dem Frühling auch angedichtet wird, ist, dass wir uns in dieser Jahreszeit gerne mal verlieben. "Das kann durchaus sein. Dafür gibt es aber keine Statistiken", stellt Schatz klar. "In wen wir uns verlieben, hat meiner Meinung nach nichts mit der Jahreszeit zu tun." Die einzige plausible Erklärung für diesen Irrglauben sieht er darin, dass die Optik eine Rolle spielen könnte.

"Im Frühling tragen wir wieder luftigere Kleidung, die optischen Reize sind mehr gegeben – und das Auge spielt schließlich mit." Das könne die Lust auf Sexualität anregen. Allerdings betont der Endokrinologe: "Das Verlieben an sich ist ein so komplexer Vorgang, den man nicht nur vom Licht und den Hormonen abhängig machen kann."

Gleiches gilt für die Lust auf Sex. Denn der lässt sich auch nicht nur durch das Ansteigen bestimmter Hormone erklären. "Wie häufig wir Sex haben und wie viel Lust darauf, das hängt heutzutage vor allem von soziokulturellen Faktoren ab", meint Schatz. "Wer im Frühjahr Stress auf der Arbeit oder wenig Zeit wegen der Kinder hat, wird nicht wegen der Jahreszeit plötzlich mehr Lust verspüren. Und: Sex gibt es das ganze Jahr über und er kommt nicht durch Hormone zustande." Zudem sei bewiesen, dass der männliche Hormonspiegel im Frühsommer am höchsten sei.

Dass der Frühling nicht die Hochsaison für die Lust auf Sex ist, lässt sich laut Schatz auch anhand der Zahl der Geburten beweisen. "Wenn wir uns ansehen, wann die meisten Kinder geboren werden – nämlich im September und im Juni und Juli – zeigt das, dass im Frühling weniger Kinder gezeugt werden."

Über den Experten: Prof. Helmut Schatz ist ehemaliger Direktor der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Als Endokrinologe beschäftigt er sich mit der Lehre von den Hormonen und vom Stoffwechsel.
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