Dieser Zusammenhang hat viele überrascht: Bei FC-Bayern-Spieler Jamal Musiala wurden kürzlich die Weisheitszähne als Ursache für seine Muskelverletzungen ausgemacht. Ein Experte erklärt, welche Auswirkung Weisheitszähne auf den Körper haben können - und wann man sie entfernen lassen sollte.

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Zu Beginn der Winterpause hat sich FC-Bayern-Stürmer Jamal Musiala die Weisheitszähne entfernen lassen. Zunächst einmal ist das kein ungewöhnlicher Eingriff: Weisheitszahn-OPs zählen zu den häufigsten ambulanten operativen Maßnahmen. Rund eine Million Weisheitszähne werden allein in Deutschland jährlich entfernt.

Ungewöhnlich erscheint vielmehr der Grund für den Eingriff: Bei dem 20-Jährigen wurden die Weisheitszähne als mögliche Ursache für seine Muskelverletzungen ausgemacht. Wie kann das sein?

Bakteriämie durch Zahnentzündungen

Sven Otto, Professor und Direktor der Abteilung für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat Musiala zwar nicht selbst behandelt. Er hält die Weisheitszahn-Hypothese allerdings für durchaus für vorstellbar.

"Das klassische Beispiel dafür ist eine marginale Parodontitis (bakterielle Zahnfleischentzündung mit fortschreitendem Knochenverlust, Anm. d. Red.), die zu Herzklappen-Entzündung führen kann. Das ist gut belegt", sagt Otto.

Denn bei lokalen Entzündungen – etwa an einem Weisheitszahn – kann es zu einer Bakteriämie kommen: Dabei geraten Keime zum Beispiel durch Kauen oder bei der Mundhygiene in die Blutbahn. Mit dem Blut durch den Organismus transportiert, können sich die Erreger an anderer Stelle wie etwa der Herzklappe ansiedeln und dort für eine Entzündung sorgen.

Auch andere Organe, Gelenke oder Gelenkprothesen können davon betroffen sein – und womöglich auch die Skelettmuskulatur. Dass Zahnentzündungen Muskelverletzungen begünstigen könnten, sei zwar wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt, aber vorstellbar, sagt Otto – schon allein, weil sich der Körper während einer Infektion schlechter regenerieren könne.

Verursachen Weisheitszähne tatsächlich häufige Probleme?

Prinzipiell können bei jeder Infektion Bakterien in die Blutbahn geraten – nicht nur bei einer Entzündung der Weisheitszähne. Doch aufgrund ihrer Position bieten Weisheitszähne häufiger Schlupfwinkel für Streptokokken und andere Zahnkeime: Im hintersten Winkel unseres Gebisses ist der "Achter", wie er im Fachjargon heißt, mit der Zahnbürste nur schwer zu erreichen.

Schätzungen zufolge bricht bei 80 Prozent der jungen Erwachsenen mindestens ein Weisheitszahn nicht oder nur teilweise durch. Denn wenn sich Weisheitszähne bei Menschen im Alter zwischen 14 und 25 Jahren als letzte Zähne in die Mundhöhle schieben, fehlt im vollbesetzten Kiefer häufig der Platz. Das hat evolutionäre Gründe: Im Laufe der Zeit wurde die untere Gesichtshälfte des Menschen zwar kleiner, die Anzahl der Zähne blieb jedoch gleich.

Probleme verursachen vor allem teilretinierte Weisheitszähne, – also Zähne, die noch teilweise von Schleimhaut überdeckt sind. Hier kommt es häufiger zu Infektionen, die sich auch auf andere Zähne ausbreiten können. "Diese Schleimhautkapuze ist ein wahrer Bakterien-Schlupfwinkel. Die kann man nicht reinigen – egal, wie gut man putzt", erklärt Otto.

Probleme können auch auftreten, wenn Weisheitszähne nicht gerade nach oben, sondern seitlich wachsen und gegen den Nachbarzahn drücken. Das kann nicht nur als störend empfunden werden, sondern auch benachbarte Zähne und Zahnwurzeln schädigen.

Wann sollten Weisheitszähne entfernt werden?

Also besser gleich raus mit ihnen? Früher galt häufig die Regel, dass Weisheitszähne, die bis zum 26. Lebensjahr nicht vollständig durchgebrochen sind, prophylaktisch entfernt werden sollten. So wollte man späteren Problemen vorbeugen. Heute sind die Empfehlungen in den Leitlinien aber weniger pauschal.

Es gebe gute medizinische Gründe dafür, Weisheitszähne zu entfernen, sagt Otto. "Aber es ist keinesfalls so, dass jeder Weisheitszahn entfernt werden muss".

Die Notwendigkeit zur Entfernung hängt vom Einzelfall ab. Wenn Weisheitszähne Schmerzen verursachen oder wiederholt entzündet sind, ist die Lage klar: Nichts wie raus damit. Ein Zahn, der vollständig durchbricht und sich gut in die Zahnleiste einreiht, kann aber durchaus im Kiefer bleiben.

Es kann sogar sinnvoll sein, die Weisheitszähne zu behalten, als Backup bei späterem Zahnverlust. Verlieren wir etwa einen unserer Backenzähne, kann er durch einen Weisheitszahn ersetzt werden – vorausgesetzt, das Wurzelwachstum ist noch nicht abgeschlossen und der Zahn passt in Form und Größe in die Lücke. "Wenn die Bedingungen stimmen, ist das eine gute Möglichkeit, ein Implantat zu umgehen", sagt Otto.

Ist aber absehbar, dass der Platz im Kiefer nicht ausreicht und es dadurch zu Komplikationen kommen wird, sei es besser, die Weisheitszähne vor dem 26. Lebensjahr zu entfernen. In diesem Alter ist der Kieferknochen noch elastischer und die Bedingungen für die Wundheilung besonders gut. "Es ist letztlich immer eine Risikoabwägung: Ist der Nutzen durch die Entfernung größer als die Risiken des Eingriffs?"

Welche Risiken birgt die Behandlung?

Wie alle chirurgischen Eingriffe bringt auch eine Weisheitszahn-OP Risiken mit sich. Blutungen, Nachblutungen, Schwellungen und Entzündungen können auftreten. Zu den schwerwiegenderen Risiken zählen Gefühlsstörungen in der Unterlippe oder der Zunge, wenn nahegelegene Nerven beschädigt werden. "Das ist zum Glück selten, und wenn es auftritt, in aller Regel vorübergehend", sagt Otto.

Vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten bestehe aber das Risiko, dass die Knochen-Regeneration nicht sofort einsetze. "Dann kann es sechs bis acht Wochen, manchmal sogar drei bis vier Monate dauern, bis der Knochen nachgewachsen ist", sagt Otto. In dieser Zeit besteht etwa bei Stürzen, Kontaktsportarten oder beim Kauen sehr fester Nahrung ein erhöhtes Risiko für einen Kieferbruch.

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Was ist nach der OP zu beachten?

In den ersten drei Tagen nach der OP empfiehlt der Experte daher Schonung, Kühlung und weiche Kost – nicht nur für ältere Patientinnen und Patienten. Empfehlenswert ist auch die Einnahme von Schmerzmitteln.

"Was man auf keinen Fall machen sollte, ist rauchen – das stört die Wundheilung massiv", sagt Otto. Auch auf Alkohol und Koffein sollte man nach der OP erst einmal verzichtet, ebenso wie auf übermäßige körperliche Belastung.

Während Sport oder Radfahren nach rund zwei Wochen wieder bedenkenlos möglich ist, sollten Kontaktsportarten wie Kickboxen oder Fußball in den ersten ein bis drei Monaten nach der OP besser vermieden werden. Stöße oder Schläge gegen das Gesicht können in dieser Zeit nicht nur besonders schmerzhaft sein, sondern auch schwerwiegendere Folgen haben.

Ist eine OP unter Vollnarkose möglich?

All die Informationen zu Risiken und Komplikationen mögen so manchem den Schweiß auf die Stirn treiben. Da kommt schnell die Idee auf – wenn es denn nun sein muss – die Weisheitszähne unter Vollnarkose entfernen zu lassen.

"Das ist eher die Ausnahme", sagt Otto. Dafür müsse es gute Gründe geben – etwa einen besonders komplizierten Fall oder eine ausgeprägte Zahnarztphobie. Zwar sind Narkosen heute sehr sicher, doch ein Restrisiko bleibt immer. In aller Regel könnten Weisheitszähne jedoch gut unter lokaler Betäubung entfernt werden. Die nächst höhere Betäubungs-Stufe sei eine Sedierung mit Medikamenten über die Vene. "Dabei sind Sie aber wach, Sie atmen und sind ansprechbar", schildert Otto.

Den Wunsch, möglichst nichts von der OP mitzubekommen, kann Otto durchaus nachvollziehen. Manche Patientinnen und Patienten empfänden Weisheitszahn-Entfernungen als traumatische Erlebnisse. Der Experte empfiehlt daher, den Eingriff von chirurgisch versierten Zahnärztinnen und Zahnärzten oder Fachärztinnen und -ärzten für Oral- oder Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie durchführen zu lassen, die Erfahrung mit solchen Eingriffen haben.

Wer sich nicht sicher sei, ob die Weisheitszähne nun wirklich entfernt werden müssen, könne sich auch immer eine zweite Meinung einholen, sagt Otto. "Es kann durchaus unterschiedliche Perspektiven auf ein und denselben Zahn geben."

Zur Person

  • Prof. Dr. Dr. Sven Otto ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Zusatzbezeichnung plastische Operationen im Kopf-Hals-Bereich) sowie Fachzahnarzt für Oralchirurgie und leitet die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Verwendete Quellen

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