Über eine Million Menschen müssen wegen Harnsteinen in Deutschland pro Jahr ärztlich versorgt werden. Wie sie entstehen, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und ob man der Entstehung von Harnsteinen vorbeugen kann – diese und weitere Fragen klären wir mit einem Experten der Urologie.
Die Zahl der Harnstein-Patientinnen und Patienten steigt seit Jahren. Neben Vorerkrankungen oder Infekten führen vor allem die zunehmende Adipositas in der Bevölkerung, eine verbreitete schlechte Ernährungsweise und eine zu geringe Trinkmenge zu diesem Anstieg. Harn- und insbesondere Nierensteine können lange unentdeckt bleiben und unbemerkt wachsen. Wandern sie in die Harnleiter, verursachen sie meist starke Schmerzen.
Was sind Harnsteine und wie entstehen sie?
Der Körper scheidet über den Urin Abfallprodukte des Stoffwechsels aus. Neben Wasser oder Hormonen befinden sich darin bestimmte steinbildende Substanzen, die bei gesunden Menschen gelöst sind und ausgeschieden werden. Erhöht sich die Konzentration dieser Stoffe, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung oder ungesunder Ernährungsweise, können sie einen Kristall formen und einen Stein ausbilden. Welche Stoffe genau zur Entstehung eines Steins führen, das kann individuell verschieden sein. In den meisten Fällen bestehen die Steine aber aus Calciumoxalat oder aus Harnsäure.
"Liegen die Substanzen, aus denen die Steine bestehen, im Urin bezüglich der Konzentration im Überschuss vor, fangen sie an, sich zusammenzuballen. Erst bilden sich Mikrokristalle, dann wachsen sie zu Steinen aus. Dieser Prozess beginnt in den meisten Fällen in der Niere und kann je nach Steinsorte über wenige Wochen bis über Jahrzehnte ablaufen", sagt Christian Fisang, Chefarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor am Harnsteinzentrum Rhein Ahr am Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler.
Alle Steine, die im Harntrakt vorkommen, werden als Harnsteine bezeichnet. Von Nierensteinen im Speziellen spricht man, wenn diese noch direkt in der Niere sind.
Wer ist von Harnsteinen betroffen?
Etwa fünf Prozent der in Deutschland lebenden Menschen erkranken einmal in ihrem Leben an einem Harnstein. Männer sind etwa dreimal häufiger betroffen als Frauen. Die Zahl der Harnstein-Patientinnen und -Patienten hat sich laut Urologenportal in den letzten zehn Jahren aber verdreifacht, die Tendenz ist weiter steigend.
Woran es liegt, dass immer mehr Menschen von Harnsteinleiden betroffen sind, erläutert Fisang wie folgt: "Dass die Steinerkrankung an sich deutlich zunimmt, liegt vor allem daran, dass unsere Ernährungsweise schlechter geworden ist, immer mehr Menschen übergewichtig sind, es mehr Diabetiker, mehr Menschen mit Bluthochdruck und mehr Nierenerkrankungen gibt. Aber auch der Klimawandel lässt sich direkt in Steinerkrankungen übersetzen. Denn bei höheren Temperaturen und veränderter Luftfeuchtigkeit verändert sich auch die Urinzusammensetzung ungünstig bezogen auf Steinleiden."
Wer bereits einmal einen Harnstein hatte, für den erhöht sich zudem das Risiko erneut einen Harnstein zu bekommen, vor allem wenn die betroffene Person nicht therapiert wurde. Deshalb sind eine individuelle Behandlung und das Anpassen der Lebensweise besonders wichtig.
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Welche Symptome sind typisch bei Harnsteinen?
Nicht nur die Zusammensetzung der Steine unterscheidet sich, auch die Lage der Steine im Körper ist von Patient zu Patient verschieden. Theoretisch können sie im kompletten Harntrakt auftreten oder sich für eine längere Zeit nur in der Niere ablagern. Dementsprechend unterschiedlich können auch die Beschwerden sein.
Kleine Steine oder Steine in der Niere werden von Patientinnen und Patienten oft gar nicht bemerkt, da sie in der Regel keine Beschwerden verursachen. Je nach Patientin oder Patienten können die Steine deshalb auch über Jahre in der Niere liegen und werden meist zufällig bei anderen Untersuchungen entdeckt. Sobald die Steine aber Richtung Harnleiter wandern, machen sich in der Regel starke Schmerzen bemerkbar.
"Bei körperlicher Aktivität kann es durch Zufall passieren, dass ein vorhandener Nierenstein beginnt von der Niere aus weiterzuwandern. Fällt er dann vom Nierenbecken in den Harnleiter, verschließt er ihn und der Urin kann nicht mehr abfließen. Dann kommt es zu einem akuten Druckanstieg und zur sogenannten Nierenkolik, die mit starken Schmerzen verbunden ist. Sie verläuft meist wellenförmig mit einem Schmerz, der kommt und geht. In der Regel berichten Betroffene vor allem von Schmerzen in den Flanken, die in den rechten oder linken Unterbauch ausstrahlen, je nachdem, ob die linke oder die rechte Niere betroffen ist", sagt der Experte im Gespräch mit unserer Redaktion.
Betroffene klagen meist außerdem über einen verstärkten Harndrang, Unruhe oder Blut im Urin. Das kann darauf hindeuten, dass die Schleimhaut bereits durch einen Stein verletzt wurde.
Welche Ursachen gibt es?
Was beim Einzelnen zur Steinbildung geführt hat, lässt sich am Stein selbst untersuchen. Steine, die über den Urin abgehen, sollten deshalb möglichst mit einem Sieb aufgefangen werden; bei einer operativen Entfernung werden die Steine zur Untersuchung aufbewahrt. Ihre Zusammensetzung kann dann im Labor analysiert werden.
Eine ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung und eine zu geringe Trinkmenge fördern die Ausbildung von Harnsteinen, da Abbauprodukte des Stoffwechsels so vermehrt im Urin vorkommen und nicht mehr ausreichend abtransportiert werden können. Die Stoffe lagern sich an und bilden mit der Zeit einen Stein. Auch Erkrankungen der Harnwege, des Stoffwechsels oder andere Grunderkrankungen können Ursache für ein Harnsteinleiden sein. Bei Gicht steigt beispielsweise die Konzentration von Harnsäure im Urin, auch ein steinbildender Stoff.
Aufgrund des häufigen Vorkommens von Calciumoxalat-Steinen kann auch eine oxalatreiche Ernährung zur Steinbildung führen und häufig wurde deshalb empfohlen, bestimmte oxalatreiche Lebensmittel wie Spinat, schwarzer Tee oder Rote Bete zu meiden. Heutzutage weiß man, dass Harnstein-Patienten und mögliche Ursachen der Steine individueller betrachtet werden müssen und individuelle Empfehlungen sinnvoller sind.
"Man kann nicht pauschal empfehlen, dass man dies oder das nicht mehr essen sollte und dann wird es schon nicht zur Steinbildung kommen. Man muss mehr ins Detail gehen und eine Stoffwechselabklärung des Patienten vornehmen und ihn individuell zu seiner Lebensweise und Ernährung beraten. Auch mögliche andere Erkrankungen spielen eine Rolle. Oxalsäure aus der Nahrung wird beispielsweise nur dann aus dem Darm ins Blut aufgenommen und auch von der Niere ausgeschieden, wenn es sich um freie, ungebundene Oxalsäure handelt. Sobald man in den Spinat aber etwas Sahne gibt, sorgt das Calcium in der Sahne dafür, dass die Oxalsäure durch das Calcium gebunden und nicht vom Darm aufgenommen wird. Es gibt extrem viele Lebensmittel, die für sich betrachtet unvorteilhaft sind, aber in Kombination mit anderen harmlos, und das muss in einer Ernährungsberatung erklärt werden. Es ist also sehr diffizil", erklärt der Urologe.
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Wie werden Harn- und Nierensteine behandelt?
Ob und wie ein Steinvorkommen behandelt wird oder zunächst eine Beobachtung des Wachstums ausreicht, hängt nicht nur vom Stein ab, sondern auch von den Lebensumständen, dem Alter oder dem Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten.
"Es ist ein hochgradig vernetztes System. Wenn ich einen Patienten mit Nierenstein behandle, dann behandle ich nicht nur den Nierenstein, sondern muss allumfassend klären, ob es andere Risikofaktoren gibt. Ist es tatsächlich nur die zu geringe Menge an aufgenommener Flüssigkeit oder deutet der Stein möglicherweise auf eine ernsthafte Erkrankung hin. Inzwischen ist es nämlich so, dass wir den Stein nicht mehr als eigene Erkrankung betrachten, sondern er ist in vielen Fällen vielmehr ein Symptom, zum Beispiel von Diabetes, eines metabolischen Syndroms, kann Hinweis auf eine bösartige Erkrankung sein, auf Verkalkungen von Herz-Kreislauf-Gefäßen und vielem mehr", sagt Fisang.
Um den Stein sicher lokalisieren und seine Größe einschätzen zu können, kommen Ultraschalluntersuchung oder Röntgenaufnahmen in Form einer Computertomographie (CT) zum Einsatz. Über eine Blut- und Urinprobe kann festgestellt werden, ob eine Infektion vorliegt oder die Konzentration von Calcium oder Harnsäure erhöht ist, bevor der Stein dem Körper entnommen wird und analysiert werden kann.
Viele Patienten haben zunächst sehr kleine Steine, sie finden auf natürlichem Weg über den Urin den Weg aus dem Körper. Hier genügt es, über einen bestimmten Zeitraum viel zu trinken und sich zu bewegen, um den Stein zu lockern. Schmerzlindernde Medikamente können dazu beitragen, die Symptome währenddessen so gering wie möglich zu halten, Muskelentspanner erleichtern dem Körper das Ausscheiden des Steins.
Eine etwas ältere Methode, die sogenannte Extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL), zerbröselt die Steine mittels Stoßwellenverfahren von außen und kommt auch heute noch zum Einsatz. Hier müssen die entstandenen kleinen Krümel aber von der Patientin oder dem Patienten noch selbst ausgeschieden werden.
Daneben haben sich minimal-invasive Operationsmethoden etabliert. Hierbei werden Endoskope, schlauchartige und flexible Kamera-Geräte, entweder von außen in die Niere oder über den Harnleiter in den Körper geführt, die Steine dann per Laser zerstört und entfernt.
Wie kann ich der Entstehung von Harnsteinen vorbeugen?
Damit es nicht zu einer erneuten Steinbildung kommt, ist es wichtig nach der Steinentfernung auch deren Ursache zu bekämpfen. In vielen Fällen besteht ein Zusammenhang von Ernährung und Steinbildung. Durch eine Ernährungsumstellung kann das Risiko eines erneuten Harnsteinleidens gesenkt sowie dem erstmaligen Entstehen vorgebeugt werden. Fisang empfiehlt eine vorwiegend vegetarische Mischkost mit viel Gemüse und wenig Fleisch. Zudem kann es je nach Gesundheitszustand ratsam sein, täglich ein Glas Orangensaft zu trinken. Das darin enthaltene Citrat bindet steinbildendes Calcium im Urin und verhindert so eine Kristallisation.
Mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr können auch gesunde Menschen der Bildung von Harnsteinen vorbeugen. Gerade in den Sommermonaten und bei körperlicher Aktivität trinken viele Menschen nämlich zu wenig. Risikopatientinnen und -patienten wird geraten, deutlich mehr zu trinken als die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Wassermenge von 1,5 Litern täglich.
"Die wichtigste Maßnahme, um vorzubeugen ist, so viel zu trinken, dass man zwei bis zweieinhalb Liter täglich ausscheidet. Es kann also sein, dass ein Stein-Patient an einem warmen Tag, an dem er auch Sport treibt, vier bis fünf Liter trinken muss. Und das rund um die Uhr; es ist weniger gut, nur ab und zu eine größere Menge Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Jemand, der gesund ist und vorbeugen möchte, sollte immer so viel trinken, dass der Urin in etwa wasserklar ist. Für die meisten Menschen bedeutet das an warmen Tagen und bei nur moderater Bewegung etwa zweieinhalb Liter Flüssigkeit. Wer ins Fitnessstudio oder zum Joggen geht, sollte einen Liter zusätzlich trinken", sagt der Experte.
Was für den Einzelnen ideal ist, sollte individuell in einem Harnsteinzentrum besprochen werden.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Dr. Christian Finsang
- gesundheitsinformation.de: "Nierensteine und Harnleitersteine"
- alexianer-krefeld.de: "Schonend und Effektiv"
- urologenportal.de: "Harnsteine" (PDF zum Herunterladen)
- dge.de: "Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE"
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