- Laut dem "Jahrbuch Sucht 2022" konsumieren die Deutschen zu viel Alkohol: Im Schnitt trinken Bürgerinnen und Bürger über 15 Jahren 14,4 Liter Reinalkohol pro Jahr.
- Die Getränke sind immer und überall verfügbar und gehören für viele zum geselligen Zusammensein dazu.
- Dr. Tobias Schwarz, Referent für Suchtprävention der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion unter anderem, wie man es schafft, auch mal "Nein" zu sagen.
Herr Schwarz, wie viel Alkohol ist zu viel - und welche Mengen sind für die Gesundheit unbedenklich?
Tobias Schwarz: Alkoholkonsum ist immer ungesund, das gilt auch für kleine Mengen. Einen vollkommen unbedenklichen Alkoholkonsum gibt es darum nicht. Grundsätzlich gilt: Je weniger Alkohol wir trinken, desto besser. Solange wir bestimmte Alkoholmengen nicht überschreiten, ist das gesundheitliche Risiko verhältnismäßig niedrig. Das wird als risikoarmer Konsum bezeichnet. Dabei gilt für erwachsene Frauen: nicht mehr als ein kleines alkoholisches Getränk pro Tag. Bei erwachsenen Männern: nicht mehr als zwei kleine alkoholische Getränke pro Tag. Und an mindestens zwei Tagen pro Woche sollten wir ganz auf Alkohol verzichten, damit das Trinken nicht zur Gewohnheit wird.
Weshalb gelten für Frauen und Männer andere Richtlinien?
Für Männer und Frauen gelten unterschiedliche Werte, da der Flüssigkeitsgehalt des Körpers bei Frauen geringer ist als bei Männern. Die gleiche Menge Alkohol führt deshalb bei Frauen zu einem höheren Alkoholgehalt im Blut. Jugendliche sollten gar keinen Alkohol trinken. Und der Konsum älterer Menschen sollte unter diesen Grenzwerten liegen.
Wie schafft man es, einen verantwortungsvollen Umgang mit alkoholischen Getränken zu entwickeln?
Erwachsene, die trotz der gesundheitlichen Risiken hin und wieder Alkohol trinken, können sich an vier Regeln orientieren. Erstens: Trinken Sie nicht täglich Alkohol, denn täglicher Konsum führt zu einer Gewöhnung, aus der sich eine Abhängigkeit entwickeln kann. Verzichten Sie darum an mindestens zwei Tagen pro Woche ganz auf Alkohol. Zweitens: Wenn Sie Alkohol trinken, dann möglichst wenig. Drittens: Vermeiden Sie es, sich zu betrinken. Bei einem Rausch steigt die Gefahr, Ihrer Gesundheit zu schaden, um ein Vielfaches. Viertens: Trinken Sie keinen Alkohol in der Schwangerschaft, denn Alkohol gefährdet die Gesundheit des werdenden Kindes. Und am Arbeitsplatz sowie im Straßenverkehr gilt Alkoholverzicht, denn Alkohol ist eine der häufigsten Unfallursachen. Auch wer krank ist oder Medikamente einnimmt, sollte die Finger vom Glas lassen: Alkohol kann unberechenbare Nebenwirkungen auslösen.
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Der Konsum von Alkohol ist in Deutschland immer und überall möglich. Wer bewusst auf Alkohol verzichtet, muss sich manchmal erklären. Weshalb muss man sich eher dafür rechtfertigen, keinen Alkohol zu trinken als Alkohol zu sich zu nehmen?
Alkohol gehört für viele Menschen zu sozialen Anlässen ganz selbstverständlich dazu. Entsprechend oft und scheinbar selbstverständlich wird Alkohol angeboten. Allerdings verbreitet sich mehr und mehr das Bewusstsein, dass Alkohol kein gewöhnliches 'Genussmittel' ist und dass es viele gute Gründe gibt, auf Alkohol zu verzichten. Längst gehört es zum guten Ton, als Gastgeber auch attraktive alkoholfreie Getränke anzubieten. Niemand sollte Freunde oder Gäste zum Trinken von Alkohol drängen, wenn sie das nicht möchten.
Wie kann man seinen Mitmenschen klarmachen, dass man nichts oder nur wenig trinken möchte?
Wer zu Alkohol "Nein" sagen will, kann sich schon vorher hilfreiche Argumente zurechtlegen. Einen Grund für den Alkoholverzicht zu nennen, kann dazu führen, dass diese Entscheidung von anderen eher akzeptiert wird. "Nein danke, ich möchte morgen fit sein" genügt meistens schon als Begründung. Wichtig ist, sich selbst klarzumachen: Es ist völlig in Ordnung, Alkohol abzulehnen.
Ein Glas Wein beim Abendessen oder ein Bier im Biergarten sind schnell getrunken. Wie schafft man es, seinen Konsum herunterzufahren – trotz des "sozialen Drucks", Alkohol zu konsumieren?
Viele Menschen trinken Alkohol einfach aus Gewohnheit. Das kann man ändern, indem man gewohnte Routinen durchbricht – also sich zum Beispiel abends nicht ein Glas Wein einschenkt, sondern anders Entspannung findet. Hilfreich kann auch sein, sich konkrete Ziele zu setzen – beispielsweise eine alkoholfreie Woche – und sich dann dafür zu belohnen. Wer dabei merkt, dass es nicht leichtfällt, den Konsum herunterzufahren, kann sich ganz bewusst eine längere Auszeit vornehmen und diese gut vorbereiten – auch, um für sich selbst zu überprüfen: Habe ich mich schon an den Alkohol gewöhnt?
Und was, wenn es einem sehr schwerfällt, auf Alkohol zu verzichten?
Wenn man merkt, dass man Alkohol trinkt, um Stress oder Probleme zu vergessen, oder wenn die Mengen, die man täglich trinkt, größer werden, ist es wichtig, sich Unterstützung zu suchen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unterstützt mit Tipps zur Reduktion des Alkoholkonsums auf der BZgA-Website der Kampagne "Alkohol? Kenn dein Limit." und informiert zu Beratungsangeboten.
Welche Maßnahmen trifft das BZgA, um dem hohen Konsum von Alkohol entgegenzuwirken?
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung legt im Rahmen der Alkoholpräventionskampagnen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Zielgruppe Kinder und Jugendliche. Sie werden mit altersgerechten Online- und Social-Media-Angeboten informiert. Zielsetzung ist, den Einstieg in den Konsum von Alkohol zu verzögern. Die BZgA führt bundesweit Maßnahmen in Schulen und Vereinen durch, unterstützt Fachkräfte, Lehrkräfte und Verantwortliche in Sportvereinen dabei, dem unkritischen Konsum von Alkohol entgegenzuwirken.
Wie werden Erwachsene aufgeklärt?
Mit den Informationsformaten für Erwachsene erreicht die BZgA neben der Allgemeinbevölkerung, insbesondere Schwangere und Eltern. Menschen, die wegen ihres Alkoholkonsums oder dem von Freunden oder Familienangehörigen Unterstützung benötigen, bietet die BZgA sowohl telefonisch als auch online persönliche und anonyme Beratung: Das BZgA-Infotelefon zur Suchtvorbeugung unter der Nummer 0221 89 20 31 ist Montag bis Donnerstag von 10 bis 22 Uhr und Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr erreichbar.
Ist es sinnvoll, wenn Eltern ihre Kinder auch selbst über Alkoholkonsum aufklären?
Jugendliche reagieren empfindlicher auf Alkohol, weil sich ihre Organe und vor allem ihr Gehirn noch entwickeln. Bei jungen Menschen kann Alkohol bereits in kleinen Mengen erheblichen Schaden anrichten, deshalb sollten sie gar keinen Alkohol trinken. Alle Erwachsenen haben ihnen gegenüber besondere Verantwortung – sie haben eine Vorbildfunktion, besonders als Eltern. Deswegen ist es Aufgabe der Erwachsenen, mit Kindern über die Risiken des Konsums von Alkohol zu sprechen und auch, sich selbst zu fragen, was man vorlebt, wenn im Beisein von Kindern und Jugendlichen Alkohol getrunken wird.
Sollte man auch Freunde und Bekannte darauf ansprechen, wenn Sie oft einen über den Durst trinken?
Wer beim Nachwuchs, bei Freunden oder Bekannten beobachtet, dass sie zu viel oder zu oft trinken, sollte nicht darüber hinwegsehen. Ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen ist in der Regel als erster Schritt hilfreich, um Betroffenen zu signalisieren, dass man sich sorgt und helfen möchte. Zeigt sich die betroffene Person offen, Hilfe anzunehmen, sollte sie sich an eine Suchtberatungsstelle wenden. Die Beratung dort ist kostenfrei und anonym und steht auch Eltern und Angehörigen offen. Die BZgA informiert zu Unterstützungsangeboten.
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