Eine Spiroergometrie gibt Aufschluss über Lungengesundheit, Stoffwechsel und Leistungsfähigkeit. Ideal für strukturiertes Training.
Was ist ein realistisches Marathonrenntempo für mich? In welchen Trainingsbereichen sollte ich laufen, um mein Training möglichst effizient zu gestalten? Um Fragen wie diese so individuell wie möglich zu beantworten, können Läuferinnen und Läufer eine Leistungsdiagnostik durchführen. Eine solche Untersuchung versucht, die physiologische Reaktion der Testperson auf unterschiedliche Belastungen darzustellen. Die Spiroergometrie ist eine beliebte Art der Leistungsdiagnostik, sie konzentriert sich in diesem Zusammenhang auf die Atemgase. In diesem Artikel stellen wir Ihnen die Spiroergometrie genauer vor und beantworten häufige Fragen.
Was ist eine Spiroergometrie?
Der Fremdwortteil Spiro umschreibt Atmung, Ergo bedeutet Arbeit und Metrie Messen. Spiroergometrie ist also eine Form der (Sport)medizinischen Diagnostik, bei der unter Belastung die Atemgase analysiert werden, um Aufschluss über Lungengesundheit, Stoffwechsel und Leistungsfähigkeit zu geben. Sie wird auch als großer Lungenfunktionstest bezeichnet. Als kleiner Lungenfunktionstest gilt die Spirometrie. Hier fehlt also der Teil "unter Belastung". Dieser Test dient zur reinen gesundheitlichen Untersuchung der Lungenfunktion in Ruhe.
Die Spiroergometrie existiert etwa seit den 60er-Jahren und ist damit älter als die Laktatdiagnostik, die erst in den 70er-Jahren Einzug erhielt. Insbesondere im angloamerikanischen Raum ist es immer noch die bevorzugte Methode zur Bestimmung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Im Vergleich zur hier mehr geläufigen Laktatdiagnostik bietet die Spiroergometrie folgende Vorteile:
- Zwischen den Stufen gibt es keine Unterbrechung, zu der es beim Laktattest kommt, wenn der Tester oder die Testerin erneut Blut abnehmen muss. Dadurch kann auch ein deutlich kürzerer Rampentest* verwendet werden.
- Die Messung erfolgt permanent und bietet dadurch ein vollständiges Bild und ist nicht nur eine Momentaufnahme am Ende einer Stufe.
- Das Gelingen der Testung ist nicht abhängig von der Erfahrung des Testers oder der Testerin abhängig.
- Die Messung erfolgt nicht-invasiv ohne Nadeln und ohne Blut.
* Rampentest: Bei einem Rampentest wird wie bei einem Stufentest bis zur Erschöpfung gelaufen. Allerdings passiert die Intensitätssteigerung deutlich schneller, in der Regel jede Minute (vgl. Stufentest alle drei Minuten). Dadurch wird die gleiche maximale Herzfrequenz erreicht, allerdings eine höhere maximale Sauerstoffaufnahme gemessen, weil nicht das Muskelsystem durch die lange Belastung zu einem Abbruchfaktor wird, sondern (fast) nur die Energiebereitstellungssysteme.
Die Nachteile der Spiroergometrie sind hingegen:
- Das Atmen durch die Maske fühlt sich zunächst ungewohnt und häufig auch unangenehm an. Zudem schränkt die Maske das Sichtfeld ein, was gerade beim Laufen Einfluss auf das Bewegungsempfinden haben kann.
- Reden beeinträchtigt die Messung unmittelbar.
- Die Bestimmung der ventilatorischen Schwellen, die ähnlich der Laktatschwellen nach unterschiedlichen zugrunde liegenden Verfahren ablaufen kann, ist ähnlich umstritten wie die Laktatschwellen. Die Ergebnisse müssen mit Vorsicht genossen werden. Der intraindividuelle Vergleich durch Wiederholungsdiagnostiken ist aussagekräftiger als die Ergebnisse einer Einmaltestung.
Spiroergometrie und Laktattest können auch kombiniert werden, um die Daten beider Verfahren nutzen zu können und noch präzisere Trainingsempfehlungen geben zu können.
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Wie läuft eine Spiroergometrie ab?
Da bei der Spiroergometrie die Atemgase analysiert werden, muss durch das Tragen einer Maske über Mund und Nase ein geschlossenes System hergestellt werden. Die Atemluft strömt durch einen Sensor, der Atemzüge und Atemvolumen erfasst. Zusätzlich wird die Konzentration der Atemgase jedes Atemzugs analysiert. In der Regel wird im Labor getestet und wie bei jeder Diagnostik ist es am besten, während der bevorzugten Aktivität getestet zu werden, Läuferinnen und Läufer also auf dem Laufband, Radsportlerinnen und -sportler auf dem Radergometer. Mittlerweile gibt es sogar transportfähige Systeme, mit denen die Durchführung von Feldtests möglich ist.
Wieso ist eine Spiroergometrie für Läufer sinnvoll?
Sinnvoll ist eine Leistungsdiagnostik für alle, die ambitioniert und vor allem strukturiert trainieren wollen. Einen wirklich hohen Nutzen erzielen Sie erst durch eine Wiederholungsdiagnostik, in der die Ergebnisse verglichen und die Effektivität der Trainingsmaßnahmen überprüft werden können.
Um möglichst brauchbare Ergebnisse zu erzielen, sollten Sie die Untersuchung wie einen Wettkampf betrachten. Gestalten Sie Ihr Training und Ihre Ernährung zwei Tage vor und am Untersuchungstag so wie in der Vorbereitung auf einen Wettkampf. Das gilt auch für die Kleidung bei der Spiroergometrie selbst – schließlich werden Sie sich im Rahmen der Untersuchung ausbelasten. Wählen Sie leichte Kleidung sowie Socken und Schuhe, mit denen Sie gute Erfahrungen gemacht haben.
Was wird bei einer Spiroergometrie gemessen?
Bei einer Spiroergometrie wird Ihre Atmung auf folgende Messwerte hin untersucht:
- Sauerstoff-Aufnahme (VO2)
- Kohlenstoffdioxid-Abgabe (VCO2)
- Atemfrequenz: Atemzüge pro Minute
- Atemzugvolumen: Eingeatmetes Luftvolumen pro Atemzug in Liter
Zusätzlich werden Körperdaten und Herzfrequenz erfasst, um die Werte für die Trainingssteuerung nutzbar zu machen. Daraus kann man weiter folgende Parameter errechnen:
- Atemminutenvolumen (AMV): errechnet sich aus Atemfrequenz und Atemzugvolumen und gibt das umgesetzte Luftvolumen in Liter pro Minute an. In Ruhe liegt der Wert bei 6 bis 8 Litern pro Minute, unter Belastung liegt er bei 100 bis 125 l/min. Maximalwerte unter Ausbelastung wurden bei 250 l/min gemessen.
- Atemäquivalent: errechnet sich aus dem Verhältnis von Atemminutenvolumen und Sauerstoffaufnahme pro Minute (AMV / VO2/min) und gibt an, wie viel Luftvolumen eingeatmet werden muss, um einen Liter Sauerstoff ins Blut aufzunehmen. Es gibt damit Aufschluss über die Ökonomie der Atmung. Normalwerte liegen bei 25, man atmet also 25 Liter Luft ein, um einen Liter Sauerstoff ins Blut aufzunehmen. Bei zunehmender Belastung steigt der Wert, was bedeutet, dass die Atmung ineffektiver wird. Man braucht mehr Luftvolumen für die gleiche Menge Sauerstoff.
- Relative Maximale Sauerstoffaufnahme (rel VO2max): Bei Spitzenathleten liegt diese bei gut 80 ml pro Minute pro Kilogramm Körpergewicht. Untrainierte zeigen Werte von 30–50 ml/min/kg. Als Vergleich: in Ruhe liegt die Sauerstoffaufnahme bei 15–25 ml/min/kg. Der Maximalwert wird allerdings nur bei vollständiger Ausbelastung erreicht, weshalb ein langes Stufenprotokoll ungeeignet ist, um den Wert valide zu bestimmen. Für die Trainingsteuerung hat er allerdings wenig Bedeutung, weshalb die Annäherung im Stufentest ausreichend ist. Wer es genauer wissen will, sollte auf einen Rampentest zurückgreifen.
- Respiratorischer Quotient (RER): berechnet sich aus dem Verhältnis von abgeatmetem CO2 und aufgenommenem O2 und gibt damit Auskunft über die momentane Stoffwechsellage. Ein Wert von 0,7 bedeutet eine vollständige Energiegewinnung aus Fetten, ein Wert von 1 die aus Kohlenhydraten. In und kurz nach einer Ausbelastung kommt es zu einem spannenden Phänomen: Der Wert übersteigt 1. Das liegt daran, dass die CO2-Puffersysteme ihr kurzfristig abgefangenes CO2 wieder abgeben.
Somit ist der RER auch ein guter Indikator, ob der Test eine Ausbelastung hervorgerufen hat. Vor allem können damit aber Trainingspotentiale in Bezug auf den Fett- und Kohlenhydrat-Stoffwechsel erkannt sowie Trainingsbereiche festgelegt werden.
Wie sollte ich anhand der Ergebnisse mein Lauftraining anpassen?
Zu einer guten Leistungsdiagnostik sollten individuelle Trainingsvorgaben oder die Erstellung eines persönlichen Trainingsplans anhand der Ergebnisse und Ihrer Laufziele gehören. Dazu gehört einerseits der Trainingsfokus, andererseits Vorgaben für einzelne Trainingseinheiten wie Tempovorgaben für Dauerläufe.
Ein wichtiges Trainingsziel kann sein, die VO2max zu steigern. Sie determiniert die Ausdauerleistungskapazität. Um diese Kapazität zu erhöhen und damit Ihre läuferische Leistungsfähigkeit bei Wettkämpfen zu verbessern, sollten Sie intensive Intervalleinheiten absolvieren. Insbesondere hochintensives Intervalltraining (HIIT-Training) ist hier sehr effektiv.
Bei wem der RER-Wert zu schnell ansteigt, der sollte den Fokus auf ein Fettstoffwechseltraining legen. Heißt: lange und sehr niedrig intensive Einheiten.
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Welcher Arzt macht eine Spiroergometrie? Was kostet eine Spiroergometrie?
Eine Spiroergometrie sollte bei einem Vertragsarzt Ihrer Krankenkasse mit dem Zusatz Sportmedizin durchgeführt werden. Als individuelle Gesundheitsleistung können Sie bei einer solchen Untersuchung mit rund 170 Euro Kosten und einer Dauer von etwa einer Stunde rechnen. Private Kassen übernehmen die Untersuchung meist vollständig. Einige gesetzliche Krankenkassen übernehmen zumindest einen Teil der Kosten für Sportlerinnen und Sportler für die Prävention. Die TK übernimmt beispielsweise alle zwei Jahre zumindest 80 % der Kosten für eine sportmedizinische Untersuchung, maximal jedoch 120 Euro. Bei Verdacht auf eine Herz- oder Lungenkrankheit werden die Kosten vollständig übernommen. Informieren Sie sich zu den Details bei Ihrer Krankenkasse.
Fazit: Eine Spiroergometrie hilft beim strukturierten Wettkampftraining
Die Spiroergometrie ist eine Untersuchung der Lungenfunktion und Analyse der Atemgase unter Belastung. Es werden Atemfrequenz, Atemvolumen, Sauerstoffaufnahme und Kohlenstoffdioxidabgabe gemessen. Aus diesen Daten können die Parameter relative maximale Sauerstoffaufnahme, Atemminutenvolumen, Atemäquivalent und der respiratorische Quotient errechnet werden. Diese können Aufschluss über Substratverstoffwechslung und Ökonomie der Atmung bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten geben, wodurch Potenziale im Training von Ausdauerathleten erkannt werden können.
Wollen Sie Ihre nächste Wettkampfvorbereitung noch strukturierter gestalten und gezielt an Ihren Potenzialen arbeiten, so lohnt sich eine Spiroergometrie bzw. am besten eine Eingangsuntersuchung und eine Wiederholungsuntersuchung im Verlauf der Vorbereitungsphase, um die Effektivität der Trainingsmaßnahmen zu kontrollieren. Kombinieren Sie die Untersuchung eventuell mit einer Laktatdiagnostik, um noch weitere Daten und einen genaueren Befund für Ihre Trainingsgestaltung zu generieren. © Runner’s World
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