Patienten mit Long Covid leiden mehr als vier Wochen nach der Infektion unter den Symptomen. Wenn keine organische Ursache gefunden wird, kann es vorkommen, dass eine psychosomatische Ursache unterstellt wird. Eine Expertin erklärt, wie ernst man Long Covid nehmen sollte.

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Patienten mit Long Covid leiden länger als vier Wochen nach der eigentlichen Virusinfektion unter Beschwerden wie Müdigkeit, Muskelschwäche, kognitiver Erschöpfung und Kurzatmigkeit. Dabei kann die Symptomatik auch nach einem nur leichten Verlauf mit Covid-19 auftreten. Da der Arzt häufig keine organische Ursache findet, kommt es vor, dass eine psychosomatische Ursache diagnostiziert wird.

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Long Covid: Entzündungsabläufe im Körper

"Das sollte eigentlich nicht sein", sagt Christa Roth-Sackenheim, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. "Eigentlich sind Neurologen geschult, Symptommuster zu erkennen. Das Covid-Virus verursacht eine viral induzierte Sepsis im ganzen Körper. Das heißt, dass Entzündungsabläufe in allen Geweben stattfinden." Dass Ärzte wie auch der Neurologe Professor Christoph Kleinschnitz von der Universitätsklinik Essen rein psychosomatische Ursachen unterstellen, kann sie sich nicht erklären.

"Die ganz große Mehrheit der Long-Covid-Patienten ist körperlich schwer krank", so Roth-Sackenheim. Die Patienten seien plötzlich sehr schwach und hätten ein extrem hohes Schlafbedürfnis. "Teilweise schlafen sie 20 Stunden am Tag und wachen danach nicht erholt auf. Das ist so verstörend für die Betroffenen, dass sie dadurch zusätzlich psychisch belastet und niedergeschlagen sind. Das ist eine Folge der körperlichen Situation und nicht umgekehrt."

Postvirales Syndrom auch von anderen Viren bekannt

Ihrer Ansicht nach ist die Ursache dieses Krankheitsbildes nicht nur psychologisch zu begründen. Dass Patienten nach Virusinfektionen auf einmal nicht mehr leistungsfähig sind, kenne man von anderen Viruserkrankungen, wie beispielsweise dem Pfeiffer'schen Drüsenfieber, weiß die Expertin.

Nun sind durch Long-Covid Hunderttausende von einem solchen postviralem Syndrom betroffen, sodass weitergehend nach Therapien und Medikamenten geforscht wird. "Es sind so viele, dass die Wissenschaft nun sagt: 'Da muss offensichtlich etwas im Immunsystem geschehen. Das verstehen wir noch nicht ganz, aber es ist so häufig und gleichartig, dass wir es untersuchen müssen.'"

"Pandemie der Undiagnostizierten und Unbehandelten"

"Zu sagen, wer an Long Covid leidet, hat schlicht psychische Probleme, ist aus medizinischer Sicht falsch", betont Roth-Sackenheim. "Wir haben eine Pandemie der Undiagnostizierten und Unbehandelten, die Long Covid haben. Man kann die eventuell psychologisch oder psychosomatisch unterstützen, weil sie total aus ihrem gewohnten Alltag fallen, aber nicht umgekehrt."

Da es keine offiziell zur Behandlung von Long Covid freigegebenen Medikamente gibt, ist ihrer Einschätzung nach das Gespräch zwischen Arzt und Patient besonders wichtig. In ihm sollte über die Erkrankung aufgeklärt und Informationen vermittelt werden.

Ärztliche Aufklärung als Behandlungsansatz

"Das heißt, dass man mit den Patienten spricht und ihnen sagt: 'Ich denke, Sie haben Long Covid, weil das und das von dem Muster bei Ihnen vorliegt. Das ist etwas, das zu der Erkrankung gehört. Sie haben nichts falsch gemacht. Im schlimmsten Fall schreiben wir Sie krank und gucken, dass Sie weiter sozial abgesichert sind'", so die Ärztin.

Die fachkundige Aufklärung im Gespräch ist ihrer Einschätzung nach ein erster wichtiger Behandlungsansatz. Es sei wichtig und wesentlich, dass erkrankte Ratsuchende Informationen bekommen und dass man sie zum Beispiel mit Selbsthilfegruppen vernetzt.

Betroffene sollten Verständnis einfordern

Wenn das soziale Umfeld verständnislos reagiert und die Long-Covid-Erkrankung nicht ernst nimmt, wird die Situation für Long-Covid-Patienten noch belastender. "Ich rate jedem Betroffenen, dafür zu werben und einzufordern, dass man ihn ernst nimmt. Man kann sagen: 'Du hast mich vorher gekannt, du siehst wie es mir jetzt geht – alles, was mir eigentlich passiert ist, ist, dass ich Covid hatte'", so die Psychotherapeutin.

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"Wenn es Freunde sind, die sich gar nicht überzeugen lassen, würde ich raten, den Kontakt abzubrechen. Bei Familie oder Ehepartner ist das schwieriger." Dann ist es besonders wichtig, dass auch die Angehörigen sich informieren.

Über die Gesprächspartnerin

  • Dr. Christa Roth-Sackenheim ist niedergelassene Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie und Psychosomatische Medizin. Zudem ist sie Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) und stellvertretende Vorsitzende im Berufsverband Deutscher Nervenärzte.

Verwendete Quellen

  • Gespräch mit Dr. Christa Roth-Sackenheim
  • wdr.de: Behandlung von Long Covid: "Im psychologischen Bereich ansetzen"
Frau, Asien, Corona-Pandemie, Quarantäne, Isolation, 2020

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