Heute vor drei Jahren verbreitet sich die bahnbrechende Meldung: Der erste Penis wurde erfolgreich transplantiert. Ein 21-jähriger Südafrikaner bekommt in einer neunstündigen Operation einen Spenderpenis. Schon nach drei Wochen kann er wieder eine Erektion erleben. Doch so gut verläuft es nicht immer.
Der Empfänger wird schon zwei Jahre vor der Operation sehr genau ausgesucht. Entscheidend sind dabei weniger das Alter oder die Blutgruppe sondern seine mentale Stabilität.
Neues Körperteil muss auch mental angenommen werden
Denn nicht nur der Verlust eines Körperteils hinterlässt ein Trauma. Auch das eines anderen Menschen zu bekommen, kann das Selbstbild erschüttern und zu Depressionen führen. Im schlimmsten Fall stößt der Körper die neue Extremität sogar ab.
"Die Frage des Erfolges wird bei einer Körperteil-Transplantation anders gestellt als bei der Transplantation eines lebensnotwendigen Organs.
Die Transplantation einer Extremität ist für das Überleben nicht entscheidend. Wenn jemand zum Beispiel eine Hand transplantiert bekommt, ist die Frustrationstoleranz bei einer nicht ganz einwandfreien Funktion viel geringer als bei einem Organ.
Man spricht viel früher von einem Misserfolg. Denn eine Transplantation beeinflusst das ganze Leben, darum erwartet man, dass die Extremität zu 100 Prozent funktioniert", sagt der Transplantationschirurg und Medizinethiker Prof. Dr. Eckhard Nagel im Gespräch mit unserer Redaktion.
Neuer Penis muss wieder abgenommen werden
Welchen negativen Einfluss diese Erwartungshaltung hat, kann man bei der allerersten Penisübertragung 2005 in China sehen. Der Mann muss seinen neuen Penis nach nur zwei Wochen wieder abnehmen lassen, weil nicht nur er, sondern auch seine Frau mit dem fremden Organ nicht klar gekommen sind und infolgedessen mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten.
Körper will fremdes Organ töten
Eine der größten Hürden neben der psychischen Belastung hat den komplizierten Namen Human-Leukocyte-Antigen-System (HLA-System).
Man kann sich das HLA-System wie einen Barcode-Scanner im Supermarkt vorstellen: Jeder Teil eines Individuums, vom Organ bis hin zum Gefäß hat seinen eigenen Barcode.
Wenn nun etwas Fremdes in unseren Körper gelangt, dann unterscheidet das Immunsystem anhand spezifischer Merkmale zwischen fremdem und eigenem Gewebe.
"Im Prinzip werden bei allen Patienten die transplantierten Organe als fremd identifiziert und durch den eigenen Körper abgestoßen. Darum müssen alle Patienten ihr Leben lang sogenannte Immunsupressiva einnehmen. Das bekannteste ist Cortison", sagt Prof. Dr. Nagel.
Dank der Immunsuppressiva gehören Transplantationen heute zum medizinischen Standard. Jährlich werden in Deutschland tausende Organe transplantiert. Ein Großteil davon sind Nieren, Herz und Lunge. Auch die Bauchspeicheldrüse, Haut- und Hornhauttransplantationen gehören zum Repertoire.
Einhaltung der Regeln nach der Transplantation überlebenswichtig
"Nach einer Organtransplantation müssen die Patienten täglich ihre Immunsuppresiva einnehmen. Das bedeutet allerdings, dass die gesamte Abwehrkraft des Körpers ein Leben lang reduziert ist. Also alles, was den Körper schützt, wird zum Teil unterdrückt. Der Mensch muss den Körper im Schutz gegen den Stress von außen aktiv unterstützen. Das bedeutet unter anderem: kein Besuch von großen Veranstaltung gerade zur Grippezeit und auch kein Sonnenbaden."
Das kann schnell zur Belastung werden. Allerdings hat Prof. Dr. Nagel bei seinen Patienten die Erfahrung gemacht, dass man sich auch an die Medikamente gewöhnen kann.
"Vor einigen Wochen habe ich einen Patienten 15 Jahre nach seiner Transplantation wiedergesehen. Er hatte mit zehn ein neues Organ bekommen. Er zeigte mir seine Medikamente. Morgens muss er neun Medikamente nehmen und Abends sieben. Ich fragte ihn: 'Wie kommst Du denn damit klar?' Für ihn war das irgendwann zum Alltag geworden und er hat es nicht als Einschränkung empfunden."
Spektakuläre Transplantation: Von Gebärmutter bis hin zu ganzem Gesicht
Neben den Standard-Transplantationen gibt es auch immer wieder extrem außergewöhnliche Transplantationen. 2013 beispielsweise wird einer Frau in Schweden eine fremde Gebärmutter transplantiert. Nur ein Jahr später kann sie mit dieser ein Kind zur Welt bringen.
Einem acht Jahre alten Jungen werden 2015 zwei neue Hände transplantiert, nachdem er seine durch eine Infektion verliert. Die Operation dauert zehn Stunden und nimmt ein Team aus 40 Ärzten und Krankenschwestern in Beschlag.
In Barcelona wird 2015 eine besonders komplizierte Transplantation durchgeführt. Ein Patient, der an einer Krankheit leidet, die sein Gesicht entstellt, bekommt nicht nur ein neues Gesicht, sondern zusätzlich Transplantate für Mund, Zunge, Hals und Rachen.
Die letzte Herausforderung: Kopftransplantation
Viele Ärzte halten es für unmöglich; der italienische Neurochirurg Sergio Canavero aber nicht. Er redet schon seit Jahren davon, einen Kopf zu transplantieren. Der Termin wird immer wieder nach hinten geschoben. Erst sollte die OP vergangenes Jahr stattfinden, nun ist sie für das Frühjahr 2018 angesetzt. Prof. Nagel hält von diesem Vorhaben allerdings wenig.
"Wenn ich geahnt hätte, dass man mit einem vollkommenen fiktiven Gedanken so viel Aufmerksamkeit erreichen kann, dann hätte ich die Kopftransplantation auch schon vorgeschlagen", sagt er leicht ironisch.
Die größte Herausforderung bei der Kopftransplantation ist laut Sergio Canavero die Verbindung der Nervenfasern des Rückenmarks von Kopf und Spenderkörper. Bisher konnten in noch keinem Tierversuch Kopf und Körper zufriedenstellend verbunden werden.
"Das ist nicht nur biologisch schwachsinnig sondern entspricht auch gar nicht dem Grundgedanken der Transplantation. Eine Transplantation ist dafür gedacht, über den Tod eines Menschen hinaus die Möglichkeit zu haben, durch eine spezifische Weitergabe eines Organs ein anderes Individuum in dessen Persönlichkeit am Leben zu erhalten. Die Transplantation eines Kopfes auf einen Körper hat mit dem Erhalt der personalen Identität gar nichts mehr zu tun", sagt Prof. Nagel.
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