Jeden Monat das Gleiche: Bei Vollmond klagen besonders viele Menschen über Schlaflosigkeit. Der Glauben, dass das Himmelgestirn Einfluss auf Körper und Gesundheit hat, ist verbreitet. Was steckt dahinter?
Viele Menschen bringen Schlaflosigkeit und Vollmond in einen Zusammenhang. Das ist wissenschaftlich jedoch nicht bestätigt: "In vielen Studien wurde festgestellt, dass der Mond keinen Einfluss auf Schlafstörungen hat", berichtet Prof. Dr. Jürgen Zulley vom Schlafmedizinischen Zentrum der Universität Regensburg. Die Menschen, die angeblich bei Vollmond schlecht schlafen, würden in der Regel vier Tage vor oder nach Vollmond ebenfalls an Schlafstörungen leiden.
Schlaflosigkeit durch Vollmond?
Da es keinen wissenschaftlichen Beweis für den Zusammenhang von Schlaflosigkeit und Vollmond gibt, geht der Psychologe und Schlafforscher Zulley vielmehr von einem psychologischen Effekt aus: "Es handelt sich um eine selbst erfüllende Prophezeiung: Viele erwarten, dass sie schlecht schlafen und dann schlafen sie auch schlecht." Diese Anspannung führt zu den erwarteten Störungen. Denn je entspannter der Mensch, desto besser schläft er auch.
Ein anderer Grund, warum der Glaube an den Schlafkiller Vollmond immer noch eine große Anhängerschaft hat, liegt in der selektiven Wahrnehmung der Schlaflosen. "Erfahren wir beispielsweise nach einer schlaflosen Nacht, dass Vollmond war, werden wir automatisch diese Tatsache als Erklärungsmuster aufgreifen", so Zulley. Die vielen Male, in denen der Mensch trotz Vollmond durchgeschlafen hat, fallen in diesem Moment dann nicht mehr ins Gewicht.
Wird Schlafwandeln begünstigt?
Auch für das sogenannte Schlafwandeln wird der Mond verantwortlich gemacht. Dieses Phänomen gehört für Zulley ebenfalls in den Bereich der Mythen. "Es wird zwar diskutiert, dass Schlafwandler auf eine Lichtquelle zugehen. Aber der Mond spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Der Mond hat etwa 0,2 Lux. Jedes andere elektrische Licht ist heller."
Aber was ist dann dran an den anderen Mond-Mythen? Schließlich ist der Glaube, dass der Mond eine außergewöhnliche Wirkung auf die Menschen besitzt, uralt. Seit Menschengedenken ranken sich Erzählungen über die geheimnisvollen Kräfte des Himmelskörpers. So soll so genanntes Mondholz härter und widerstandsfähiger sein. Dieses Holz wird bei Neumond geschlagen. "Auch das stimmt nicht", betont Zulley und verweist auf eine Studie der Universität Dresden.
Mehr Babys und mehr Unfälle?
Dennoch gibt es die Überzeugung, dass der Mond Einfluss auf Tiere und Pflanzen hat. "Das Mondlicht kann durchaus Auswirkungen auf das Tierreich haben, aber das bedeutet eben im Umkehrschluss noch lange nicht, dass es beim Menschen auch so sein muss." So ist weder belegt, dass bei Vollmond mehr Babys zur Welt kommen noch dass mehr Unfälle passieren. Auch die Überzeugung, dass bei Vollmond mehr Menschen an Depressionen leiden, verweist Zulley ins Reich der Mythen. "Der Mond ist daran unschuldig", betont der Hochschulprofessor.
Vollmond-Mythen haben positive Wirkung
Auch wenn Zulley die gesundheitsrelevanten Mondmythen in den Bereich des Aberglaubens ansiedelt, so sieht er doch auch deren positive Wirkung. "Wir Menschen brauchen Erklärungen, warum etwas so ist, wie es ist. Wir müssen uns die Welt erklären und gerade dabei helfen die Mondmythen." Diese wirken übrigens wie ein Placebo, also wie ein Scheinmedikament.
"Der Mensch weiß vorgeblich, warum er schlechter schläft und allein das lässt ihn entspannter sein. Er weiß, dass seine Schlafstörung vorbeigehen werden, weil sie ja vom Mond beeinflusst werden. Allein deshalb geht es ihm besser und er leidet weniger", betont Zulley. So haben diese Mondmythen durchaus positive Effekte. Es lohne es sich aber nicht, dafür Geld auszugeben. "Glauben Sie ruhig, dass Ihre depressive Verstimmung am Vollmond liegt. Denn dann können Sie sich sicher sein, dass sie vorbeigeht. Allein das wird Ihre Stimmung aufhellen!"
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