Die Nase läuft, der Hals kratzt – da ist doch noch ein Rest von dem Antibiotikum, das der Freund neulich eingenommen hat. Ob einen das schnell wieder gesund machen wird? Eine solche Einnahme ist keine gute Idee, sagen Experten: Sie fördert die Resistenzen von Bakterien. Und gegen Schnupfen, den Viren auslösen, helfen Antibiotika ohnehin nicht.

Mehr zum Thema Gesundheit

Bei einer Erkältung sind Antibiotika meistens ziemlich wirkungslos. In neun von zehn Fällen lösen nämlich keine Bakterien, sondern Viren den Schnupfen aus. Wenn man dann Antibiotika einnimmt, kann das sogar gefährlich sein: Das kann nämlich dazu beitragen, dass bestimmte Bakterien im Körper resistent gegen Antibiotika werden. Deshalb sollte man diese Medikamente nur nehmen, wenn der Arzt sie verschrieben hat – und das tut er nur dann, wenn eine bakterielle Infektion vorliegt.

Doch wie wirken Antibiotika eigentlich? Einige dieser Mittel töten die Bakterien bei einer Infektion im Körper direkt ab. Andere sorgen dafür, dass sie sich nicht mehr vermehren können. Dann kann das Immunsystem des Körpers die Infektion besser bekämpfen, also zum Beispiel gegen eine Blasenentzündung vorgehen.

Resistente Bakterien können sich weiter vermehren

Immer wieder gibt es aber auch Fälle, in denen ein bestimmtes Antibiotikum nicht mehr wirkt. Man spricht in einem solchen Fall von einer Antibiotika-Resistenz. Doch wie entsteht die eigentlich? "Antibiotika-Resistenzen kommen ganz natürlich in der Umwelt vor", sagt Dr. Uwe Koppe. Er ist Epidemiologe im Robert Koch-Institut. Das Erbgut von Bakterien verändert sich ständig. Dabei können auch Veränderungen entstehen, die solche Bakterien unempfindlich gegenüber Antibiotika machen. Solche Veränderungen nennt man Mutationen.

Die Resistenzen können die Bakterien untereinander weitergeben. "Bakterien können auch mehrere Resistenzgene aufnehmen", sagt Dr. Koppe. "So entstehen multiresistente Bakterien." Sie können einer Vielzahl von Antibiotika widerstehen.

Bakterienstämme, die eine Resistenz gegenüber einem Antibiotikum besitzen, haben einen Vorteil: Sie sterben bei einer Behandlung nicht ab, sondern können sich weiter vermehren und ausbreiten.

Resistenzen können sich auch in der Landwirtschaft und in der Umwelt entwickeln

Es begünstigt die Entstehung und die Verbreitung von solchen multiresistenten Keimen, wenn Antibiotika zu oft oder über einen zu langen Zeitraum angewendet werden ­– oder auch, wenn man die Einnahme zu früh abbricht. Konkret heißt das bei der Behandlung einer Infektion: Wenn ein Antibiotikum nicht mehr wirkt, muss ein Patient mit einem anderen Antibiotikum weiterbehandelt werden. "Falls dies nicht geschieht, können Bakterienstämme, die eine Resistenz gegenüber dem Antibiotikum besitzen, überleben, sich weiter vermehren und ausbreiten", sagt Dr. Koppe.

Solche Resistenzen können sich nicht nur im Körper von Menschen entwickeln, wenn Antibiotika auf eine ungünstige Weise eingesetzt werden. "Auch in der Landwirtschaft und der Umwelt können sich Resistenzen entwickeln", erläutert der Experte. "Man hat zum Beispiel die Verbreitung bestimmter Bakterien wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) auch in der Landwirtschaft und Tiermast beobachten können." Welchen Anteil Landwirtschaft und Umwelt am Resistenzproblem beim Menschen haben, hängt aber von vielen Faktoren ab, so Dr. Koppe, zum Beispiel von der Art des Erregers und auch von der Tierart.

Durch Handel und Tourismus können sich Bakterien schnell verbreiten

Der globale Handel und der Tourismus verstärken das Problem mit resistenten Bakterien noch, weil die Erreger sich deutlich schneller als früher ausbreiten können. "Global betrachtet ist das Problem der Antibiotikaresistenzen in einigen Regionen der Welt größer als in Deutschland", sagt Dr. Koppe. "Aber durch die zunehmende Globalisierung besteht immer auch das Risiko, dass sich resistente Erreger weltweit verbreiten. Man hat in den letzten Jahren die Verbreitung bestimmter Resistenzgene über viele Länder hinweg beobachten können."

Deshalb sei es besonders wichtig, international zusammenzuarbeiten, um die Verfügbarkeit und den Zugang zu wirksamen Antibiotika weiter zu gewährleisten, meint der Experte.

Die meisten Infektionen mit multiresistenten Keimen lassen sich heute gut mit anderen Antibiotika behandeln – sofern man sie rechtzeitig als solche erkennt. "Es gibt allerdings bereits heute einzelne Fälle, in denen Menschen überhaupt nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden können", erklärt Dr. Koppe. "Und solche Fälle werden in Zukunft womöglich noch zunehmen."

Die Weltgesundheitsorganisation hat im Februar 2017 eine Liste mit den Bakterien erstellt, die weltweit eine große Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen. Für sie sollen nun neue Antibiotika entwickelt werden. "Ein Wundermittel gegen antibiotikaresistente Keime wird es aber nie geben", sagt der Experte: "Auch gegen neu entwickelte Antibiotika werden Bakterien Resistenzen entwickeln." Daher sei es auch in Zukunft ebenso wichtig wie heute, Antibiotika verantwortungsvoll einzusetzen.

Weitere Informationen zum Thema "Multiresistente Keime" finden Sie auch auf den Seiten des Robert Koch Instituts (RKI).

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.