• Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg lösen Angstgefühle und Stress bei den Menschen aus.
  • Was hilft uns, jetzt klarzukommen? Eine Psychologin erklärt, warum Ablenkung so wichtig ist und wie sie gelingt.

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Der Krieg in der Ukraine in Verbindung mit der generellen Zeit der Unsicherheit durch Corona – vor zwei Jahren war unsere Welt noch eine andere. Viele Menschen fallen jetzt aus ihrem Sicherheitsgefühl heraus.

"Wir glauben im Grunde an eine gerechte Welt", erklärt Sandra Jankowski, Diplom-Psychologin und Mitglied des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. "Wenn dieser Glaube durch Krisensituationen wie Corona und den Ukraine-Krieg erschüttert wird, leiden wir verstärkt unter Stress und Angstgefühlen."

Die Reaktionen sind individuell sehr unterschiedlich und reichen von Verdrängung über Gereiztheit, Schlafstörungen bis zu Panikattacken oder anderen psychischen Störungen. Bei der Bewältigung von Bedrohungen oder existentiellen Krisen haben die Menschen allerdings wenig "Übung".

Nachrichtenkonsum bewusst gestalten

Bei vielen löst das Kriegsgeschehen in der Ukraine eine große Angst aus, die zu einer hohen und dauerhaften Stressbelastung führen kann. Dazu kommt, dass die Gesellschaft bereits seit über zwei Jahren in einer ungewohnten und äußerst belastenden Situation leben muss. Denn die Corona-Pandemie ist nicht vorbei, nur weil sie in den Medien nicht mehr so stark präsent ist.

Angesichts der Vielzahl an schlechten Nachrichten fühlen sich viele regelrecht zermürbt und können teilweise gar nicht mehr aufhören, die News-Apps auf dem Smartphone nach den neusten Kriegs- und Katastrophenmeldungen zu scannen. Das exzessive Verfolgen schlechter Nachrichten wird auch als "Doomscrolling" bezeichnet und ist Experten zufolge nicht ungefährlich. "Der gesteigerte Konsum von negativen Schlagzeilen wirkt sich auf die Gefühlswelt aus und kann im schlimmsten Fall sogar gesundheitliche Folgen haben", warnt Sandra Jankowski.

Die Psychologin rät daher zum kontrollierten Umgang mit News und empfiehlt, sich beispielsweise drei Mal am Tag für eine Viertelstunde über das aktuelle Geschehen zu informieren. "Hilfreich ist es auch, am späten Abend direkt vor dem Schlafengehen auf Nachrichtensendungen zu verzichten."

Ablenkung ausdrücklich erlaubt

Die negativen Neuigkeiten geben den Menschen das Gefühl, nicht mehr in einer sicheren Welt zu leben. "Das führt dazu, dass der Körper in hohem Maße Stresshormone ausschüttet", erklärt die Psychologin. "Besteht diese Situation über einen längeren Zeitraum, kann das zu gesundheitlichen Problemen führen." Wichtig sei daher, die Stresshormone in regelmäßigen Abständen wieder abzubauen. Hilfreich sind dazu alle Aktivitäten, die der Entspannung dienen. Diese Ablenkung vom aktuellen Zeitgeschehen ist daher kein "nice to have", sondern aus gesundheitlichen Gründen absolut notwendig.

Einige Menschen können Stress am besten durch Sport und Bewegung abbauen, andere entspannen bei Yoga, autogenem Training, Meditation oder mentalen Phantasiereisen. Das Spektrum an Möglichkeiten der Entspannung ist sehr vielfältig. Jeder sollte sich selbst fragen, bei welchen Aktivitäten er besonders gut abschalten und auf andere Gedanken kommen kann. Wer sich corona-bedingt in den letzten Monaten eher zurückgezogen hat, kann beispielsweise den Frühling und die erwachende Natur bei Spaziergängen oder einer Jogging- oder Inline-Skate-Runde genießen. Für den Einstieg in Entspannungstechniken gibt es vielerorts Kurse in Fitness-Studios, alternativ hält das Internet eine Fülle an Videos mit Anleitungen zu Yoga oder anderen Techniken bereit.

Den Stress langfristig reduzieren

Ohne Ablenkung kreisen die Gedanken derzeit nahezu rund um die Uhr um kritische Themen. Für Abstand vom Krisenalltag sorgt daher die Musik. Bei ruhigen Klängen kann man "herunterkommen", sich auf eine ruhige Atmung konzentrieren und abschalten. "Einige hören auch ganz bestimmte Lieder, mit denen sie positive Erinnerungen verbinden", gibt die Psychologin ein weiteres Beispiel. "Andere wiederum lassen bei lauter Musik ihre Aggressionen heraus oder verausgaben sich beim Tanzen in der Wohnung."

Einige Menschen tauchen beim Lesen ganz tief in die Geschichte des Buches ein, andere powern sich lieber bei der Gartenarbeit an frischer Luft aus. "Alles was den Kopf frei macht und die Stimmung hebt ist gut geeignet, um uns von der aktuellen Situation abzulenken", betont Sandra Jankowski. "Das hat kurzfristige Effekte, hilft aber auch langfristig." Die Expertin rät dazu, jeden Tag mindestens 15 Minuten persönliche Entspannungszeit in den Tagesablauf einzuplanen und sich ausreichend Schlaf zu gönnen, denn in der Nacht baut der Körper ebenfalls Stresshormone ab.

Gemeinsam Sinnvolles tun

Neben der Ablenkung ist es wichtig, die aktuelle Krisensituation anzunehmen und sich mit anderen darüber auszutauschen. Wer sich isoliert, verliert sich rasch in seinen eigenen negativen Gedanken. Besser ist es, mit Freunden oder Bekannten über Ängste zu sprechen. Es stärkt das Gemeinschaftsgefühl wenn man merkt, dass auch andere in Sorge sind.
Der eigenen Hilflosigkeit kann man beispielsweise mit aktiver Flüchtlingshilfe begegnen. Vielerorts werden Sachspenden gesammelt und Ehrenamtliche für die Unterstützung der ankommenden Flüchtlinge gesucht. "Mit diesen Handlungen bringt man sich sinnvoll ein und versucht gleichzeitig, seinen inneren Glauben an eine gerechte Welt wiederherzustellen", erklärt die Psychologin. "Wer mit der Belastung durch die aktuelle Situation jedoch überfordert ist, sollte sich nicht scheuen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen."

Über die Expertin: Sandra Jankowski betreibt als Diplom-Psychologin eine Praxis für Coaching, Beratung und Psychotherapie in Eichwalde in der Nähe von Berlin und hat sich auf die Themen Stressbewältigung, Psychische Störungen sowie die Themen Familie, Paare und Erziehung spezialisiert.
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