Bei der Renntaktik Negative Splits läufst du die zweite Rennhälfte schneller. Was die Strategie bringt und wie du sie trainierst.
Was ist ein negativer Split?
Als negativer Split (engl. für Zwischenzeit) bezeichnet man im Laufsport die Strategie, im Wettkampf in der zweiten Rennhälfte schneller zu sein als in der ersten. Insbesondere auf der Langstrecke wird diese Strategie häufig empfohlen und angestrebt. Dabei kannst du die Tempoprogression natürlich auch in kleineren Abschnitten als der Hälfte realisieren. Zum Beispiel, indem du das Tempo beim Halbmarathon alle fünf Kilometer leicht erhöhst.
Welche Vorteile haben negative Splits?
Durch das langsamere Anfangstempo besteht ein geringeres Risiko, zu Beginn bereits die Energiereserven zu stark zu verbrauchen und dann hinten raus einzubrechen. Denn dann kann ein Rennen sehr lang und zäh werden. Zudem gibt es einen enormen psychologischen Vorteil: Es fühlt sich gut an, in der zweiten Hälfte des Rennens tendenziell eher zu überholen, die schnelleren Zeiten auf der Uhr zu sehen und mit einem guten Gefühl ins Ziel zu kommen.
Was sind die Nachteile der Renntaktik Negative Splits?
Allerdings erfordert das "gedrosselte" Anfangstempo sehr viel Disziplin. Gerade in großen und kompetitiven Straßenwettbewerben erfordert es Geduld, sich am Anfang nicht mitreißen zu lassen und dem guten Anfangsgefühl nicht zu sehr nachzugeben. Außerdem braucht es ein gutes Körperempfinden und Erfahrung, die richtige Geschwindigkeit zu finden – in beiden Teilen des Rennens. Natürlich kann man mit sehr klaren Zeitvorgaben arbeiten, die man durch Trainingsanalysen gut bestimmen kann, allerdings kann es sein, dass man dadurch auch Zeit liegen lässt. Denn die Tagesform und die Wettkampfsituation können nicht berechenbare Einflussfaktoren sein. Wer nie etwas riskiert, wird vielleicht auch nie überrascht.
Sind negative Splits in jedem Rennen sinnvoll?
Zunächst einmal gibt es keine direkte wissenschaftliche Studienlage dazu, dass negative Splits die beste Strategie für ein erfolgreiches Rennen sind. Schaut man sich die Splits bei Rekordrennen an, findet man tatsächlich selten negative Splits. Es wirkt eher, als würde derjenige gewinnen, der am wenigsten langsamer wird oder in den letzten Kilometern noch ein wenig zulegen kann.
Denn natürlich hängt die Strategie auch von anderen Faktoren ab. Die genaue Planung von Zwischenzeiten ist insbesondere in flachen Straßenrennen, wie zum Beispiel den Marathonstrecken von Chicago, Berlin oder Valencia möglich. Bei allen Trailwettbewerben oder Straßenrennen mit einem deutlichen Höhenprofil hängt es stark vom Profil ab, wie die Renneinteilung überhaupt aussehen kann. Ein zweiter wesentlicher Faktor ist das Wetter. Kannst du von konstanten Bedingungen ausgehen oder gibt es Abschnitte mit sehr viel Wind? Wie verlaufen die Temperaturen? Gibt es Niederschlag? Wie ist die Sonneneinstrahlung im Verlauf der Strecke?
Besonders bei den Profis kommen noch taktische Überlegungen dazu. Geht es um die Platzierung oder mehr um die Endzeit? Was sind die eigenen Stärken und was sind die der Gegnerinnen oder Gegner? Gehe ich das Tempo der Ausreißergruppe mit oder bleibe ich zurück? Diese Fragen sind für Hobbysportlerinnen und Freizeitläufer vielleicht weniger relevant. Jedoch stehst du, gerade bei kleineren Veranstaltungen, auch vor der Entscheidung, ob du alleine läufst oder ein vielleicht etwas zu hohes/niedriges Tempo anschlägst, dafür aber von einer Gruppe profitierst.
Was für ein Typ bist du? Wer Sicherheit und Zahlen mag, dem fällt das konservative Anfangstempo vielleicht leichter als dem, der das Risiko liebt und mehr nach Gefühl läuft. Dann lautet das Spiel eher: Wie viel Anstrengung kann ich heute aushalten? Hier kann dir das Mindset der negativen Splits dennoch helfen: zu akzeptieren, dass es sich am Anfang leichter anfühlt als hinten raus. Auch wenn die Geschwindigkeit gleich bleibt oder du sogar ein wenig langsamer wirst.
Wie trainiere ich für die Strategie Negative Splits?
Im Training solltest du vor allem das Körpergefühl üben. Um Zwischenzeiten und gefühlte Anstrengung zu vergleichen und daraus für den Wettkampf zu lernen. Bei manchen Tempoeinheiten kannst du diese Strategie direkt umsetzen: Gestalte beispielsweise beim Intervalltraining jeden Tempolauf etwas schneller als den vorigen. Laufe zum Beispiel bei 5x1000m jeden 1000er 5 Sekunden schneller als den vorigen. Bei Tempodauerläufen versuchst du, in der zweiten Hälfte leicht schneller zu sein als zu Beginn. Oder du machst einen Crescendo-Lauf, zum Beispiel einen 8-km-Lauf, bei dem du jeden Kilometer das Tempo leicht steigerst. Damit lernst du, zu spüren, welche Geschwindigkeit sich wie anfühlt und vor allem auch, dass sich Geschwindigkeit und gefühlte Anstrengung nicht immer decken und selbst während einer Einheit verändern. Hier findest du Beispiele für Intervalleinheiten für 10 Kilometer, Halbmarathon und Marathon:
Wie berechne ich negative Splits?
Schaut man auf die Zwischenzeiten der Lauf-Profis an, so ergibt sich, dass die zweite Hälfte maximal 2–5 % schneller gelaufen wird. In vielen Coaching-Empfehlungen liest man allerdings Werte von 5–10 %. Wenn du negative Splits erstmals anwenden möchtest, solltest du nur einen geringen Pace-Unterschied für beide Rennhälften einplanen.
Es gibt zwei gängige Berechnungen:
1. Die 51/49-Methode
Die 51/49-Methode bietet sich an, wenn du eine sehr genaue Vorstellung deines Leistungsniveaus hast. Basierend auf der angestrebten Zielzeit berechnest du für die erste Hälfte 51 Prozent der Zeit, für die zweite Hälfte 49 Prozent der Zeit.
Beispiel: Du möchtest den Halbmarathon in 1:45 Stunden laufen. Für die erste Hälfte ergibt dies eine Zeit von 53:33 Minuten (Pace: 5:05 min/km) und für die zweite Hälfte eine Zeit von 51:27 Minuten (Pace: 4:53 min/km). Ausführliche Tempotabellen für Halbmarathons und Marathons bei unterschiedlichen Renntaktiken und Zielzeiten findest du hier:
2. Die Halbier-Methode
Gerade wenn Sie eher ein Mindestziel haben, zum Beispiel die 4-Stunden-Marke im Marathon zu knacken, eignet sich die Halbier-Methode. Dann gilt für das Tempo in der ersten Hälfte:
Zielzeit durch zwei, also im Beispiel 2 Stunden. Das ergibt einen Kilometerschnitt von 5:41 min/km. Wenn du die zweite Hälfte nun beispielsweise 5 % schneller laufen möchtest, rechnest du 120 Minuten x 0,05 = 6 Minuten. Diese ziehst du von der Gesamtzeit der ersten Hälfte ab: 120 Minuten – 6 Minuten = 114 Minuten, also 1:54 Stunden. In der zweiten Hälfte strebst du also einen Schnitt von 5:24 min/ km an. Die gleiche Rechnung kannst du für 10-km-Läufe oder Halbmarathons verwenden.

Fazit: Energiesparender Start dank negativer Splits
Negative Splits, also in der zweiten Wettkampfhälfte schneller zu laufen als in der ersten, ist eine besonders im Marathon beliebte und häufig erfolgreiche Strategie, um zu Beginn nicht zu viel Energie zu verpulvern. Ob es die beste Strategie für dein Rennen ist, entscheiden allerdings auch Faktoren wie Erfahrung, Training, eigene Stärken und Vorlieben, Tagesform, Zielsetzung und Wettkampfsituation. Falls du dich für die Taktik der schnelleren zweiten Hälfte entscheidest, solltest du dies im Training ausgiebig üben. Doch auch unabhängig von deiner Rennstrategie ist die Umsetzung negativer Splits im Training hilfreich. © Runner’s World