Im Internet nach dem richtigen Arzt suchen: Das ist unkompliziert und liegt nahe. Es gibt aber auch ein paar Tücken, die leicht übersehen werden. Worauf Sie bei der Arztsuche achten sollten und wo Sie einen Wegweiser bei Corona-Verdacht finden.
"Kennst Du einen guten Arzt?" So fragen viele im Bekanntenkreis herum, immer verbreiteter ist aber auch die Suche nach einem Arzt im Internet. Auf Bewertungsportalen werden Ärztinnen und Ärzte mit Sternchen oder Kommentaren bewertet. Doch kann man sich darauf verlassen?
Zumindest nicht nur, rät Christiane Rock vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): "Persönliche Empfehlungen und der persönliche Kontakt bleiben wichtig." Ein Vorteil im Netz: Die Portale bieten neben der Suche nach Ärzten auch Gesundheitsinformationen an. "Bin ich also auf der Suche nach einem Facharzt, bekomme ich dort sicher einen ersten Überblick darüber, wo sich der nächste Facharzt befindet, welche Zusatzqualifikationen und Angebote er bereithält und ob er besondere Öffnungszeiten hat", sagt die Verbraucherschützerin.
Das Problem mit den Sternen
Geht es aber um die Beurteilung der menschlichen und medizinischen Qualitäten, wird es schwierig. "Bei jedem Stern handelt es sich um eine subjektive Einschätzung, die häufig nicht nachprüfbar ist", sagt Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), welche die Interessen freiberuflicher Ärzte und Psychotherapeuten vertritt. Außerdem schreiben dort laut Stahl eher diejenigen, die meckern wollen. "Wer zufrieden ist, äußert sich seltener", sagt er.
Am Ende kommt es darauf an, wie man miteinander zurechtkommt, so Stahl. Gerade Ärzte stünden immer im persönlichen Kontakt mit ihren Patienten. "Und diese Beziehungen bestehen oft schon sehr lange." Das individuelle Vertrauensverhältnis spielt eine entscheidende Rolle.
Werbung oder echte Bewertung?
Ein Problem: Objektive Einschätzungen zur Qualität von niedergelassenen Ärzten gibt es kaum. "Die Menschen hätten wirklich großes Interesse an seriös überprüften Angaben zu Fragen wie der Behandlungsqualität, doch daran mangelt es", kritisiert Jann Ohlendorf von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).
Bei den meisten Bewertungsportalen für Ärzte sind gewisse Zweifel an der Unabhängigkeit angebracht. Sie finanzieren sich laut Christiane Rock durch Werbung - und durch die Bewerteten selbst. "Ärzte können sich hervorgehobene Positionen und damit die Darstellung ihrer Praxis kaufen", erklärt die Verbraucherschützerin.
So wird den Ärzten eine bessere Trefferquote bei entsprechenden Anfragen über Suchmaschinen in Aussicht gestellt. Ein Beispiel: Bei einem großen Bewertungsportal können Mediziner zwischen verschiedenen Premium-Paketen wählen und dann etwa individuelle Bewertungskriterien formulieren. Oder sie bekommen vom Betreiber des Portals hochwertige Texte erstellt. "Verbraucher können hier nur schwer beurteilen, was eine aussagekräftige Bewertung oder doch nur eine dargestellte Werbung ist", erklärt Christiane Rock.
Kritisch bleiben und auf mehreren Portalen suchen
"Wie sind die Ergebnisse und Empfehlungen zu den Ärzten oder Praxen zustande gekommen?", fragt UPD-Sprecher Jann Ohlendorf. Das bleibe oft unklar. Die meisten Portale machten nur unvollständige Angaben zur Menge, Herkunft und Aktualität der Arztdaten und -bewertungen. Wie bei anderen Gesundheitsinformationen im Netz sollte man schauen, welcher Anbieter hinter dem Portal steckt - ist das nicht klar ersichtlich, lohnt ein Blick ins Impressum. Außerdem sollte hinter jeder Bewertung eine ausreichende Anzahl aktueller Einzelkritiken liegen. "Das erhöht die Aussagekraft", sagt Christiane Rock. Tipp der Verbraucherschützerin:
- die kostenlose und werbefreie Rechercheplattform Weisse Liste von der Bertelsmann Stiftung, die unter Schirmherrschaft der Bundespatientenbeauftragten steht
Auch Jann Ohlendorf von der UPD gibt diese Empfehlung. Generell gilt: Wer sich schon die Mühe macht, Bewertungen durchzulesen, sollten das auf mehreren Portalen tun, rät Christiane Rock. Und diese vergleichen, um ein Bild zu bekommen. Sie sagt aber auch: "Kein Portal ersetzt den persönlichen Eindruck vor Ort."
Corona-Verdacht: Zu welchem Arzt gehe ich?
Hilfe im Netz kann sich seit einigen Wochen auch holen, wer den Verdacht hat, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben: Mit einem Online-Wegweiser können Patienten leichter Ärzte finden, die sich in Corona-Zeiten auf Infektionsschutz eingestellt haben. Die Hausärztin Ulrike Leimer-Lipke, die selbst in einem Zelt vor ihrer Praxis Berlin-Reinickendorf Verdachtsfälle testet, hat dafür eine nicht kommerzielle Seite gestartet:
Bundesweit hätten sich Praxen organisiert und selbst oder gemeinsam mit Kollegen kreative Lösungen gefunden - dies wolle man sichtbar machen, erklärte Leimer-Lipke. Auf dem Portal sollen sich Ärzte eintragen können, die zum Beispiel geschützte Sprechstunden für nicht infizierte Patienten, separate Covid-19-Sprechstunden oder auch Antikörpertests als Hinweis auf eine durchgemachte Infektion anbieten. "Bitte, liebe Kollegen, loggt euch alle ein", appellierte die Ärztin kürzlich im RBB, damit Patienten in ganz Deutschland geeignete Ärzte in ihrer Nähe finden können. (dpa/af)
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