- Seit bald drei Jahren lebt Deutschland mit Corona.
- Noch weiß niemand, wie sich das Virus und unser Umgang damit in den nächsten Jahren entwickeln wird.
- Ein Experte erklärt, warum eine Langzeitstrategie fehlt.
Die Wörter "Corona" und "Langfristigkeit" miteinander in Verbindung zu setzen, ist immer noch schwierig. Denn wie sich das Virus und damit unser Leben in den kommenden Jahren entwickeln wird, weiß niemand. "Wir können die nächsten zehn Jahre wirklich nicht gut einschätzen", sagt Bernd Salzberger, Professor und Leiter des Bereiches Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg. Die Erfahrungswerte seien (noch) nicht ausreichend genug. Deswegen fehle auch eine Langzeitstrategie.
Seit dem Ausbruch sind fast drei Jahre vergangen. Und auch wenn die Krankheitsverläufe milder geworden sind, es auf vielen Weihnachtsmärkten im Land keinerlei Schutzmaßnahmen mehr gibt und auch die Isolationspflicht in einigen Bundesländern abgeschafft wurde, ist die Wahrscheinlichkeit, an Corona zu erkranken, immer noch groß. Und das wird wohl auch in den nächsten Jahren so bleiben. Aber was macht das mit unseren Körpern, was bedeutet das für uns als Gesellschaft, unser Gesundheitssystem und unsere Arbeitswelt?
"Ehrlich gesagt, wissen wir das nicht genau", sagt Salzberger. Er gibt allerdings zu bedenken, dass "wir jedes Jahr mit vielen Erregern konfrontiert werden". Beispielsweise stecken sich viele Menschen viele Male in ihrem Leben mit den Grippeviren an. "Übrigens auch mit einigen Coronaviren", sagt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. "Ob wir uns zehn- oder dreimal infizieren und wie unser Körper damit umgehen wird, kann niemand voraussagen."
Eine langfristige Entwicklung ist nicht abzusehen
Auch die Gefahr, an Long Covid zu erkranken, ist immer noch präsent. In Zukunft wird wohl ein beträchtlicher Teil unserer Gesellschaft eine solche Erkrankung durchlaufen haben. "Auch hier ist die langfristige Entwicklung nicht abzusehen", sagt Salzberger. "Vermutlich wächst aber nicht mit jeder Infektion die Gefahr, sie wird eher geringer."
Doch Lösungsansätze, die aus dieser Unwissenheit eine Sicherheit machen könnten, gibt es derzeit nicht. "Wir wissen, dass Infektionswellen generell durch Impfungen und durch Immunitäten verhindert werden können", sagt der Experte. Diese Unempfänglichkeit des Organismus gegenüber bestimmten Infektionskrankheiten werde in der Regel mit jeder Infektion oder auch Impfung besser – "allerdings vor allem durch eine Mischung von beidem".
Sind die bisherigen Impfstoffe jetzt unbrauchbar?
Die jetzigen Impfstoffe schützten laut Salzberger zwar gut vor Infektionen mit dem ursprünglichen Virusstamm. Aber da sich das Coronavirus – wie auch das Grippevirus – immer wieder verändert, ist dieser Schutz durch die sogenannte Virusevolution verloren gegangen. "Mit den neuen Impfstoffen haben wir zum ersten Mal angepasste Impfstoffe. Wir wissen aber noch zu wenig darüber, ob sie eine bessere Wirkung gegen Infektionen bei den Omikron-Varianten haben", erklärt Salzberger.
Sind also jetzt die bisherigen Impfstoffe unbrauchbar? "Zuerst einmal sind wir froh, dass der frühe Einsatz dieser Impfstoffe viele Millionen Leben gerettet hat", betont Salzberger. Zudem könnten sie immer noch etwas beitragen, auch wenn sie jetzt keinen Schutz mehr vor Infektionen bieten. "Die alten Impfstoffe können – wie zum Beispiel das ursprüngliche Comirnaty – als Booster eingesetzt werden und so bei Risikopatienten die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen bei einer Infektion reduzieren."
Zudem werden sie an andere Länder abgegeben, zum Beispiel über Covax (Covid-19 Vaccines Global Access). Diese Initiative der WHO will einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen gewährleisten. "Aber ein Teil wird sicher auch vernichtet, wenn das Haltbarkeitsdatum überschritten ist", sagt Salzberger.
Für die Zukunft und für neue Varianten von SARS-CoV-2 "brauchen wir aber entweder regelmäßig angepasste Impfstoffe oder neue mittels neuer Methoden entwickelte, die eine bessere Schleimhautimmunität machen und vielleicht auch einen breiteren Schutz vor neuen Varianten bieten". Hieran wird laut Salzberger "fieberhaft gearbeitet".
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