Fitter, schöner, schlanker in nur 20 Minuten: Kein Wunder, dass EMS-Training mit diesem Heilsversprechen von sich reden macht und immer populärer wird. Doch kann die Elektronische Muskel-Stimulation halten, was die Anbieter versprechen?
"Eigentlich würde ich ja gerne Sport machen, aber ich habe einfach keine Zeit" - diese Aussage ist für Befürworter des EMS-Trainings nur eine Ausrede.
Angeblich reichen wöchentlich bereits 20 Minuten der Elektro-Stimulation der Muskeln, um einen Effekt zu erzielen, für den bei herkömmlichem Training ein größerer Zeitaufwand nötig wäre.
Der Trick: Bei der Elektromyostimulation, kurz EMS, werden die Muskeln mithilfe von leichtem Reizstrom aktiviert.
Was ist EMS-Training?
Für manche Anfänger etwas gewöhnungsbedürftig ist der Umstand, dass man angefeuchtete Unterbekleidung trägt, damit der Strom schneller leitet. Darüber trägt man futuristisch anmutende Spezialkleidung.
Sie besteht aus Weste, Hüftgurt und Manschetten für Arme und Beine. Diese sind mit Elektroden verkabelt. Während der vier Sekunden dauernden Elektroimpulse wird eine Übung unter Anleitung des Trainers ausgeführt.
Nach etwa vier Sekunden Pause geht es weiter. Der Trainer ist nicht nur für die korrekte Umsetzung der Übungen zuständig, er steuert auch die Elektro-Stimulationen.
Nach dem Einsatz in der Reha, Physiotherapie und dem Profisport bieten mittlerweile auch Fitness-Studios diese Methode an. Versprochen werden neben dem raschen Muskelaufbau auch Gewichtsverlust und die Linderung von Schmerzen. Sogar gegen Cellulite soll das Strom-Training helfen.
Kann man mit EMS Muskeln aufbauen?
Ganzkörpertraining ohne Geräte und Gewichte, dafür aber mit elektrischer Muskelstimulation - die Idee klingt zunächst ungewöhnlich, doch im Leistungssport hat sich die Methode als Trainingsergänzung etabliert. Doch können auch Laien mit dem EMS-Training Muskeln aufbauen?
Unter der Aufsicht eines geschulten Trainers schon. Denn effektiv ist das Training nur in Verbindung mit den richtigen Übungen und der richtigen Taktung und Dosierung der elektrischen Impulse.
Die leichten Stromstöße sollen den Trainingseffekt beschleunigen, indem sie die natürliche Kontraktion der Muskeln verstärken. So fühlen sich Übungen mit dem eigenen Körpergewicht wie Sit-Ups oder Kniebeugen anstrengender an als ohne die Hightech-Montur, doch genau deshalb soll EMS-Training so effektiv sein.
Die Impulse erreichen auch die tieferen Muskelschichten und führen zu intensiven Kontraktionen. Auch würden die schnellen Muskelfasern direkt angesteuert. Für das gleiche Ergebnis müsse man mit anderen Trainingsmethoden deutlich länger aktiv sein, so die Überzeugung der EMS-Befürworter.
Die Wirkung des EMS-Trainings bestätigte unter anderem eine Untersuchung der Sporthochschule Köln. Der Trainingserfolg nach sechs Monaten: ein Muskelwachstum von stolzen 14 Prozent.
Ersetzt EMS-Training andere sportliche Aktivitäten?
In kürzester Zeit Muskeln aufbauen klingt natürlich wie ein Wundermittel. Immerhin zu einem halben Wunder reicht es: Sportexperten sind sich nicht nur einig über die Effizienz von EMS-Training, sondern auch, dass es den herkömmlichen Ausdauer- und Kraftsport nicht ersetzen, sondern nur ergänzen soll.
In dem Punkt haben es also ambitionierte Fitnessfans auch nicht leichter als Profiathleten.
Traumfigur dank Stromschlägen?
Der Muskelaufbau durch EMS-Training hilft auch beim Abnehmen. Denn die gewonnene Muskelmasse bringt einen höheren Grundumsatz mit sich. Der Körper verbraucht mehr Kalorien - auch in den trainingsfreien Pausenzeiten.
Ein weiterer positiver Effekt des Muskeltrainings: Wo Muskeln vorhanden sind, kann sich Fett nicht leicht anlagern. Zudem wird dem EMS-Training eine anregende Wirkung auf den Stoffwechsel nachgesagt, welche sich auch nach dem Training noch bemerkbar macht.
Wie für den Muskelkraftzuwachs gilt auch für die Reduzierung des Körperumfangs: Die ersten Ergebnisse sollten sich nach vier bis sechs Wochen zeigen. Wichtig dabei: Die Waage kann lügen! Denn bekanntermaßen sind Muskeln schwerer als Fett. Aussagekräftiger als das Körpergewicht ist der Körperfettanteil.
Abnehmen mit EMS?
Doch wie viele Kalorien verbrennt man konkret beim EMS-Training? Eine Untersuchung von Prof. Dr. Wolfgang Kemmler von der Friedich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg lieferte bemerkenswerte Vergleichswerte hinsichtlich des Energieverbrauchs beim EMS-Training und klassischen Aktivitäten.
Während in 20 Minuten beim Joggen 210 Kalorien verbrannt wurden, waren es beim Fußball 250, beim Seilspringen 300 und beim EMS-Training 515 Kalorien.
Wie bei jeder anderen sportlichen Aktivität ist auch für das EMS-Training der Spruch "Viel hilft viel" völlig falsch. Eine Regenerationsphase schont nicht nur den Körper, sie gibt ihm auch die Zeit, Fettreserven abzubauen.
Und ebenfalls wie bei anderen Fitnessprogrammen gilt: Nur im Zusammenspiel mit einer Ernährungsumstellung zeigen sich rasche Ergebnisse. Die Idee vom Traumkörper aus der Steckdose bleibt also ein Traum, wenn man nichts dafür tut.
Den Rücken stärken mit EMS
Durch Fettab- und Muskelaufbau wird nebenbei die Haut gestrafft. Das reduziert auch die optischen Spuren von Cellulite. Bei den Vorzügen des EMS-Trainings geht es aber nicht nur um fotogenes Bodyshaping: Auch gegen die Volkskrankheit Rückenschmerzen hilft die Methode.
In vielen Fällen sind eine schwache Muskulatur oder verklebte Faszien der Grund für die Pein. Trainierende mit einer schwachen Rückenmuskulatur profitieren von EMS-Training, da die Tiefenmuskulatur im Rückenbereich angesprochen wird.
"Der Strom erfasst offensichtlich auch die tiefen Muskeln, die durch konventionelle Behandlungsmethoden nur schwer erreicht werden können", so das Fazit einer Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit an der Universität Bayreuth.
Rücken- und Rumpfmuskulatur können durch das Training gestärkt werden. Auch die Faszien, welche die Muskeln wie eine netzartige Haut umgeben, werden durch die elektrischen Impulse therapiert.
Ebenfalls positiv: Da das EMS-Training ohne Zusatzgewichte auskommt, werden die Gelenke nicht belastet. Auch eine verbesserte Körperhaltung zählt zu den angenehmen Nebeneffekten des Trainings mit elektrischen Impulsen.
Gegen Rückenschmerzen während der Schwangerschaft allerdings sollte EMS nicht zum Einsatz kommen: Schwangeren wird generell von der Methode abgeraten, ebenso Menschen mit einem Herzschrittmacher.
Verwendete Quellen:
- Bisp: "Kurz- und langfristige Trainingseffekte durch mechanische und elektrische Stimulation auf kraftdiagnostische Parameter"
- Kraftquelle Köln: "Kurz- und langfristige Trainingseffekte durch mechanische und elektrische Stimulation auf kraftdiagnostischer Parameter"
- Deutsche Zeitschrift für Sport Medizin: "In 20 Minuten fit und schlank? Pro und Contra Elektromyostimulation"
- Fitness Management: "Ganzkörper-EMS-Training (WB-EMS) vs. HIT-Training"
- EatSmarter: "10 Fakten über das neue EMS-Training"
- EMS-Training.de: "Studie: EMS-Training gegen Rückenbeschwerden"
- Fit Box: "Was ist EMS?"
- Personal Fitness: "Effektiv oder nur trendy?"
- Quarks: "EMS-Training: Wie effektiv ist es wirklich?"
- Stern: "EMS-Training – wie es funktioniert und wem es wirklich etwas bringt"
- Welt: "„EMS ist kein guter, ehrlicher Sport“"
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