In Deutschland leiden mehr als eineinhalb Millionen Menschen an Demenz. Forscher haben jetzt herausgefunden, dass sich das Risiko für eine Erkrankung erhöht, wenn man im fortgeschrittenen mittleren Alter schwer hört. Dabei könnte bereits eine Hörhilfe das Risiko senken.

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Wer im fortgeschrittenen mittleren Alter schwer hört, hat später ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken. Hierfür gebe es handfeste neue Belege, sagte Robert Perneczky vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) am Freitag zum Auftakt des Demenz-Kongresses "ResDem" in München.

"Wir wissen mittlerweile auch, dass der Einsatz von Hörhilfen eine günstige, wirksame Methode ist, um die geistigen Fähigkeiten zu verbessern und eventuell auch das Demenzrisiko zu senken", sagte der Psychiater. Menschen, die von Geburt an taub seien oder in jungen Jahren einen Gehörverlust erlitten, haben laut Perneczky aber eher kein generell erhöhtes Demenzrisiko.

Schwerhörigkeit ist wichtiger Faktor

Eine Studie aus Taiwan mit Daten von rund 16.000 Menschen zeigt, dass insbesondere hörbeeinträchtigte Menschen, die zwischen 45 und 64 Jahren alt sind, im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Hörschwierigkeiten ein höheres Demenzrisiko haben.

"In der Liste der neuen Risikofaktoren ist Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter der wichtigste Faktor", sagte Perneczky. Diese unerwartete Erkenntnis eröffne neue Möglichkeiten, effektiv gegen die Erkrankung vorzugehen.

Grundsätzlich ist der Zusammenhang zwischen Demenz und Schwerhörigkeit schon länger bekannt. "Fehlende akustische Reize können die Entstehung einer Demenz begünstigen oder den Verlauf beschleunigen", heißt es in einem Merkblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zu Schwerhörigkeit und Demenz.

Eingeschränktes Hören und Demenz könnten auf unterschiedliche Weise zusammenhängen. "Symptome einer Demenz und Folgen einer Hörbehinderung können sich ähneln. Dies kann zu Fehldiagnosen führen", heißt es weiter.

Menschen nutzen ihre Hörgeräte häufig nicht

Ellen Nickel, Beraterin am Alzheimer-Telefon der Gesellschaft, ergänzte: "Sicherlich ist es ein Problem, wenn Hochbetagte, die an Demenz erkrankt sind, auch schwerhörig sind - und das eine das andere bedingt."

Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Demenz, zwei Drittel davon Alzheimer. Bis 2050 wird bei steigender Lebenserwartung mit drei Millionen Demenzpatienten gerechnet. Bis heute ist die Krankheit nicht heilbar.

Die Forscher wollen auf dem Kongress auch diskutieren, wie sie die neuen Erkenntnisse konkret umsetzen können. "Vielleicht sollte man früher zum Hörgerät greifen", sagte Perneczky. Oft bleibe Schwerhörigkeit unerkannt. Zwar sei hierzulande die Versorgung mit Hörgeräten gut. "Aber die Leute benutzen es oft nicht. Hörgerät heißt, dass man alt ist."

Depression erhöht Demenzrisiko

Für Demenz gibt es laut Perneczky bestimmte Risikofaktoren, darunter Schwerhörigkeit im fortgeschrittenen mittleren Alter, Depressionen, Diabetes, Rauchen, wenig Bewegung, Bluthochdruck und Übergewicht. "Wenn die Gefäße geschädigt sind, steigt das Demenzrisiko."

Warum eine unbehandelte Schwerhörigkeit später das Risiko von Demenz und kognitivem Verfall erhöht, ist nicht ganz klar. Zum einen ziehen sich Menschen, die schlecht hören, oft aus ihrem Sozialleben zurück - und haben so weniger Impulse für das Gehirn.

Sie entwickeln auch leichter eine Depression, für sich wiederum ein Risikofaktor. Ein Grund könnte sein, dass ein Mangel an auditiven Reizen die Hirnaktivität senkt, und das Gehirn nicht trainiert wird.

Eine andere These geht umgekehrt davon aus, dass das ständige Analysieren von Geräuschen über die Jahre hinweg für das Gehirn einen enormen Kraftakt bedeutet und die Überforderung anfälliger macht für Demenz. (ff/dpa)

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