Wer wünscht sich nicht langes Liebesglück? Betrachtet man aber die Scheidungsraten, scheint es wahrlich eine Kunst zu sein. Die Paartherapeutin Anette Frankenberger erklärt, worin der Schlüssel liegt.
Wenn es in der Ehe oder Beziehung kriselt, fällt es vielen Paaren schwer, eine Lösung zu finden. Oft folgt ein stetiges Auseinander- und Nebeneinanderherleben oder schließlich die Lösung voneinander. Die Paartherapeutin Anette Frankenberger hat aber eine gute Nachricht: "Der Weg aus einer Krise ist oft leichter, als man denkt. Ja, er muss sich sogar gut anfühlen: Schließlich wollen beide glücklicher werden und nicht unglücklicher."
Das teure Diamanten-Collier, die Abenteuer-Weltreise, der gemeinsame Tanzkurs, das anstrengende Krisengespräch, das womöglich doch nur mit Wutausbrüchen und Tränen endet – all das könne man sich ersparen: "So etwas wie ein Tangokurs kann eine vertrackte Beziehung sogar in die Vollkatastrophe steuern", beobachtet sie, "da müssen schon beide Partner wirklich Lust drauf haben."
Grundrezept für lange Beziehung in einem Wort
Sie nennt eine Frage, die sich jeder in einer Beziehung stellen sollte:
- "Bin ich eigentlich noch auf dem neuesten Stand, was meinen Partner/meine Partnerin betrifft? Kenne ich ihn oder sie wirklich?"
Der Hauptfehler in Ehen nämlich – neben einem Mangel an Freundlichkeit im Alltag und gegenseitigem Vertrauen: "Anzunehmen, ich wüsste, wie der andere ist", fasst die Münchner Therapeutin im Gespräch mit unserer Redaktion zusammen. "Alles, was wir zu Beginn über den anderen erfahren haben, speichern wir ab, hinterfragen es nicht mehr, erfragen oft überhaupt nichts mehr. Dabei bleibt ein Mensch immer spannend. Wenn ich ihn aber gar nicht mehr sehe, sehe ich auch nicht mehr, was uns eigentlich verbindet und was ich an ihm schätze. Jeder kennt das ja umgekehrt von sich selbst: wie schön es ist, sich wahrgenommen zu fühlen."
Als wichtigen Schlüssel für eine lange glückliche Ehe nennt sie ein Wort: Neugierde.
"Damit sind beide Richtungen der Wahrnehmung abgedeckt: Ich schaue den anderen an, weil er oder sie mich interessiert, und der andere fühlt sich gesehen." Wer sich in einer Beziehung nur noch quält, sollte sich möglichst in Würde und Respekt trennen, meint Frankenberger, "will ich aber mit meinem Partner zusammenbleiben, muss ich neugierig auf ihn bleiben!"
Über Fragen den anderen neu kennenlernen
Leichter gesagt als getan, wenn zwei Menschen schon seit Jahren als Eltern zwar noch gut funktionieren, sich aber als liebendes Paar aus den Augen verloren haben und im anderen höchstens noch einen Smalltalk-Partner sehen. Wie nur legt man da den Hebel um? Frankenberger empfiehlt als möglichen Weg Bücher wie "100 Fragen, die Ihre Beziehung retten", "Alles über mich" oder "Alles über uns", in denen sich Fragen wie diese finden:
- Wann/in welchen Situationen fühle/fühlte ich mich dir besonders verbunden und bei dir geborgen?
- Was war entscheidend dafür, dass es mit uns mehr wurde als nur eine kurze Affäre?
- Was hat sich anders entwickelt, als ich es damals erwartet hätte?
- Welche Rituale sind uns besonders wichtig?
"Solche Fragen an einem gemütlichen Abend auf der Couch helfen, aus dem Trott und tiefer miteinander ins Gespräch zu kommen. Es kostet nicht so viel Überwindung wie ein 'Wir müssen heute mal ernsthaft über unsere Beziehung sprechen', sondern hat etwas Spielerisches." Es sei auch die Möglichkeit, die gemeinsame Vergangenheit wieder schätzen zu lernen:
- Was haben wir nicht schon alles gemeistert und überstanden zusammen?
- Was waren die Dinge, die uns gemeinsam besondere Freude gemacht haben?
- Was tut uns als Paar gut – auch jetzt noch?
Typisch: Eine Ehe, zwei Sprachen
Auch im Alltag sei Fragen der Weg, sich dem anderen zuzuwenden: Wie geht es dir heute? Wie war dein Tag? Was macht eigentlich dein Rücken/dein Kopfschmerz? Frankenberger nennt zwei weitere Punkte, mit denen jeder sich grundsätzlich befassen sollte:
- Wann fühle ich mich eigentlich geliebt?
- Was ist für ihn/sie wohl Zeichen der Zuneigung?
Oft käme ans Licht, dass Eheleute seit Jahrzehnten unterschiedliche "Sprachen der Liebe" sprechen: "Er erachtet als zum Beispiel als Ausdruck seiner Zuneigung, ihr die Sommerreifen zu montieren. Sie versteht aber etwas völlig anderes unter einem Liebesbeweis und wartet deshalb vergeblich auf ein Zeichen." So deuten und signalisieren zwei Liebende oft aneinander vorbei, obwohl es so einfach sein könnte: "Wer viel Alltagszärtlichkeit gibt, für den ist genau das die Sprache der Liebe. Das mal zu erkennen, hilft mir als Partner. Noch besser ist natürlich, darüber zu sprechen. So erfahre ich, was der andere braucht, statt von mir selbst auszugehen."
Lösbare von unlösbaren Problemen unterscheiden
Die letzten Worte gehören eigentlich rot unterstrichen. Denn wer immer von sich ausgeht, führt womöglich auch ewige Kämpfe gegen Wesenszüge des anderen, die der niemals ablegen wird. "Einen solchen Kampf gewinnen Sie nie, weil Sie einen anderen Menschen nicht grundlegend ändern können", sagt Frankenberger. Deshalb empfiehlt sie Paaren:
- In einer Beziehung lernen, lösbare von unlösbaren Problemen zu unterscheiden.
Unterschiedliche Wahrnehmungen von Ordnung und Chaos seien ein Beispiel für unlösbare Probleme: "Ich kann es nur akzeptieren und die Lösung auf anderem Weg suchen, zum Beispiel mit Hilfe einer Putzkraft." Bei lösbaren Problemen könnte man immer Wege finden, indem man sie ausspricht: "Wenn ich zum Beispiel mit der Aufteilung der Hausarbeit unglücklich bin. Oder in zwei Schlafzimmern schlafen möchte, weil der andere schnarcht."
Ein Paar, das sie in ihrer Praxis begleitete, entschied sich in der Rente noch dazu, in unterschiedliche Wohnungen zu ziehen: "Weil sie sein Chaos nicht mehr ertragen konnte. Für die beiden war so ein 'together apart' (zusammen auseinander, Anm.) eine zugegeben ungewöhnliche, aber bessere Lösung als unglücklich zusammenzuleben oder sich scheiden zu lassen." Der Knackpunkt sei die Erkenntnis gewesen: "Auf Dauer kann sich keiner von uns beiden verbiegen."
Formel fürs Glück – und warum wir immer eine Wahl haben
Ihr "Haus der Beziehung" mal gründlich renovieren müssen sehr viele Paare im Laufe einer Ehe. Neben Kommunikation und Fragen seien es die vielen kleinen Dinge im Alltag, die zum unentbehrlichen Werkzeug werden: "Ein Blümchen hier, ein Zettelchen dort, sehr viele freundliche Worte, Danke sagen und um etwas bitten können", zählt Frankenberger auf.
Der amerikanische Therapeut John Gottman fasst all das unter dem Motto "Small things often" ("Kleine Dinge oft") zusammen. Der Psychologe, der auch "Einstein der Liebe" genannt wird, stellte sogar eine Formel für glückliche Ehen auf: "5:1". Frankenberger erklärt: "Es geht hier um den Umgang miteinander. Positive Handlungen sollten negative Verhaltensweisen mindestens um das Fünffache überwiegen."
Eine Schilderung aus Gottmans eigener Erfahrung nennt die Therapeutin dabei als beispielhaft: "Er liegt im Bett und liest. Zufällig fällt sein Blick auf den Spiegel im angrenzenden Bad, in dem er das Gesicht seiner Frau erblickt. Sie sieht traurig aus." Wie immer hätte man in solch einer Situation die Wahl: "Ich kann weiterlesen. Oder ich kann mich erkundigen, was sie bedrückt – mit dem Risiko, dass es mit mir zu tun hat." Zu- oder Abwenden: Darin sieht Frankenberger etwas Essenzielles: "Weil es diese Momente jeden Tag gibt. Es gilt, sie wahrzunehmen und zu ergreifen."
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