• Wenn wir nur das siebte Jahr überstanden haben, ist alles gut. Ja, so denken viele Paare!
  • Und tatsächlich: Es gibt typische Trennungsphasen – das siebte Jahr zählt aber nicht dazu.

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Marilyn Monroe und ihrer umwerfenden Darstellung in "Das verflixte 7. Jahr" ("The Seven Year Itch", 1955) ist es wohl zu verdanken, dass sich einer der größten aller Ehe-Mythen hartnäckig hält. So magisch jedoch die Zahl 7 auch sein mag: "Weder die Erfahrung in der Paartherapie noch irgendeine Statistik belegen, dass irgendetwas am siebten Ehejahr auffallend verflixt ist", klärt Therapeutin Anette Frankenberger im Gespräch mit unserer Redaktion auf.

Werfen wir zuerst einen kurzen Blick aufs klassische "Schlussmachen": Die meisten Beziehungen gehen bereits im ersten Jahr in die Brüche. Das fand der US-Soziologe Michael Rosenfeld in seiner Studie "Wie Paare zusammen kommen und bleiben" ("How couples meet and stay together") heraus. Wer diese Zeit übersteht – Frankenberger nennt sie die "Erprobungsphase" – und sich schließlich fest bindet, ist vor Verflixtheit allerdings nicht gefeit. Frankenberger nennt drei Phasen einer Beziehung, in denen es auffallend häufig zu Scheidungen kommt:

  • Jahre drei bis fünf
  • Nach 15 Jahren
  • Nach 25 Jahren

Jahre drei bis fünf: Wenn Kinder an der Ehe nagen

Gibt es eine Erklärung für diese Phasen? "Wir alle erleben viele große und kleine Krisen im Leben", erläutert die Münchner Paartherapeutin. "In einer Ehe hängen solche Krisen sehr häufig mit Entwicklungskrisen der Kinder zusammen." Die Kleinkind-Phase sei für Ehen sehr belastend: "Die Herausforderung dabei ist, weiterhin Paar - und nicht 'nur' Eltern - zu sein. Man funktioniert noch irgendwie, durchlebt schlaflose Nächte, Zärtlichkeiten und Zuwendung richten sich aufs Baby, gelten aber immer weniger dem Partner. Daran gehen viele Ehen innerhalb der ersten fünf Jahre zugrunde."

Nach 15 Jahren: "Papa ist in der Pubertät"

Ein weiterer Markstein folgt erst deutlich später, wenn die Kinder in die Pubertät kommen: "In dieser Zeit – ich drücke es mal frech aus – kommen auch viele Eltern noch einmal in eine Pubertät", beobachtet Frankenberger. Midlife-Crisis nennt sie es aber nicht: "Es ist eine Art von Sinnkrise, die mit 37 genauso kommen kann wie mit 53 Jahren, typischerweise jedenfalls nach etwa 15 Ehejahren. Dann tauchen Fragen auf wie: War’s das jetzt, wird mein Leben so weitergehen? War dieses Leben eigentlich das, was ich wollte? Auf was habe ich alles verzichtet, was habe ich nicht alles verpasst?"

Und tatsächlich mündet diese Phase nicht selten in der Trennung. Aufschlussreich dazu ist der Blick in die Scheidungsstatistik: Laut Statistischem Bundesamt liegt die durchschnittliche Ehedauer bei 15 Jahren, im Jahr 2020 waren es exakt 14,8 Jahre.

Scheidung nach der Silberhochzeit – warum jetzt noch?

Die dritte typische Trennungswelle ist auch unter dem Schlagwort "Scheidung nach der Silberhochzeit" bekannt. Prominente Fälle wie US-Milliardär Bill Gates und seine Ehefrau Melinda, die sich nach 27 Jahren trennten, werfen in der Öffentlichkeit dann immer viele Fragen auf. Dabei sind sie nicht so selten, sondern werden im Gegenteil immer häufiger.

"Nach den erwähnten 15 Jahren ist tatsächlich erst mal eine lange Pause", fasst Frankenberger zusammen, "dann kommt aber bei vielen eine Zäsur: Die Kinder sind raus aus dem Gröbsten oder sogar außer Haus - für viele der Anlass, noch einmal ein neues Leben zu beginnen." Und auch hier wieder das klassische Eltern-Dilemma: "Sie haben ihre Kinder auf den Weg gebracht, sich jahrelang um sie gekümmert – aber kaum noch umeinander. Ihr Haus der Beziehung ist jetzt eine Bruchbude, es wurde nicht mehr gepflegt, viel Ungeklärtes hat sich angestaut."

Unter Therapeuten sei es fast eine Binsenweisheit: "Je länger ein Paar zusammen ist, desto weniger kennt man einander." Zur Veranschaulichung erzählt Frankenberger eine beliebte Anekdote über ein Paar, das am 50. Hochzeitstag gemeinsam am Frühstückstisch sitzt: "Sie denkt sich: 'Zur Feier des Tages nehme ich mir heute endlich mal die obere Hälfte!‘ Er denkt: 'Ach wie schön, endlich bekomme ich die untere Hälfte, auf die ich all die Jahre verzichten musste.‘"

"Ganz typisch", meint Frankenberger, "die ersten Dinge, die wir von anderen annehmen in einer Beziehung, werden nie mehr geklärt. Als sei es nicht notwendig oder gäbe keine Gelegenheit, sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Das ist einer der größten Fehler, den Eheleute machen: Sie gehen davon aus zu wissen, wie der andere ist." Statt miteinander zu kommunizieren, verschiebe sich der Austausch auf den Freundeskreis oder Gespräche mit Kindern: "Oft auch in unzulässiger Weise, indem man sich bei den Kindern über den Partner oder die Partnerin auslässt", beobachtet die Familientherapeutin.

Wir sind länger jung: Da geht doch noch was?

Eine große Rolle bei späten Trennungen spielten auch die zunehmende Lebenserwartung und Fitness: "Nach 25 Jahren Ehe sind heute viele noch verhältnismäßig jung. Viele sagen sich: Ich habe locker noch 20 bis 30 gute Jahre vor mir, da geht doch noch was!"

Die Chancen, noch einmal in einer neuen Beziehung glücklich zu werden, stünden tatsächlich gut: "Gemeinsamkeiten sind die Grundlage für ein glückliches Miteinander, und die lassen sich heute via Partnerbörsen im Internet so schnell wie nie abklopfen. Vieles lässt sich schon vor dem Kennenlernen klären, über das ich später dann nicht mehr fallen kann", beschreibt Frankenberger. Auch sei es etwas anderes, einen Menschen in dieser späten Lebensphase kennenzulernen: "Viele Krisen und Erfahrungen sind schon gemeistert, an denen wir reifen konnten. Wir sind weniger suchend, eher 'angekommen‘ im Leben, und wenn Sie so wollen: 'fertiger‘ als Menschen."

Miteinander alt werden: Gemeinsame Zeit als Schatz

Eines dürfe man aber nicht vergessen: "Das Gewicht, das ein lange gelebtes gemeinsames Leben bedeutet, teilt man in neuen Bekanntschaften nicht." Für die einen sei dieses Gewicht ohnehin eine Last, die sie quält. "Dann ist es besser, einen Lebensabschnitt hinter sich zu lassen und neu anzufangen." Sie erlebe aber auch Paare, die einander noch sehr zugetan seien und es trotz Widrigkeiten schließlich schafften – nach Kindern, Krisen und allen Höhen und Tiefen des Lebens –, einander neu zu entdecken. "Dann sind die gemeinsamen Jahrzehnte wie ein Schatz, den ich eben nur mit diesem einen Menschen teile. Ein 'miteinander alt werden‘, wie man es sich anfangs gewünscht hatte mit seiner ganz einzigartigen Geschichte."

Zur Person: Anette Frankenberger arbeitet seit 1994 in München als systemische Paar- und Familientherapeutin sowie Supervisorin in eigener Praxis. Seit 1989 ist sie als Dozentin in der Erwachsenenbildung und Erziehungsberatung tätig.
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