Homeoffice in Zeiten des Coronavirus. Klingt wie die perfekte Lösung, wären da nicht die Kids, die auch zu Hause rumtoben. Schnell geraten Eltern wie Kinder an ihre Grenzen.

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Arbeitsrechtlich ist die Sache klar: Homeoffice ist immer noch Arbeit - und keine Kinderbetreuung. In Zeiten von Corona müssen Eltern jedoch beides meistern. Doch wie können Eltern jetzt die große Herausforderung der Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen bewältigen? Wie schaffen sie den Spagat zwischen "Mama, mir ist langweilig" und Telefonmeeting?

Wir haben mit dem Familientherapeuten Jochen Rögelein gesprochen. Sein Motto: Struktur ist alles in diesen Tagen! Gemeinsames Aufstehen, Frühstücken und klare Zeiten für Arbeit und Spiel sind jetzt lebensnotwendig!

Herr Rögelein, Eltern sind im Homeoffice, bei den Kindern fällt wegen des Coronavirus' die Kita und Schule aus. Wie erklärt man seinen kleinen Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen am besten diese neue Situation?

Jochen Rögelein: Suchen Sie sich Erklärvideos im Internet passend zum Alter der Kinder, in denen erklärt wird, was ein Virus ist und dass das krankmachen kann, aber nicht muss und dass man deswegen versucht, Ansteckungen zu vermeiden.

Vielleicht gibt es sogar Bilderbücher im Haus zum Thema Erkältung und Fieber. Erklären Sie Ihren Kindern, dass andere jetzt nicht gefährliche Menschen sind, sondern, dass es wichtig ist, wegen der Ansteckungsgefahr, einen größeren Abstand als sonst einzuhalten.

Und zu guter Letzt: Nutzen Sie die Gelegenheit, auch die Themen rund um Sauberkeit und Händewaschen anzusprechen und spielerisch in den Alltag zu integrieren.

Jetzt treffen Kinder auf Eltern im Homeoffice. Wie vermeidet man Konflikte, wenn die Eltern arbeiten sollen und die Kinder sich langweilen?

Das Problem, das viele Eltern jetzt haben, ist: Wenn Kinder gelernt haben, dass ihre Eltern stets mit dem Entertainment der Kinder beschäftigt sind, damit ja keine Langeweile aufkommt, werden sich die Kleinen wie Konsumenten mit Erwartungshaltungen verhalten.

Doch: Kinder müssen sich auch langweilen können, das regt ihre Fantasie und ihre Motivation an, sich zu beschäftigen und zwar mit dem, was sie interessiert.

Mein Tipp: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen von Ihrem gelangweilten Kind, weder in der Corona-Krise noch zu anderen Zeiten.

Es ist jetzt die beste Zeit, das Kind an tägliche To-Dos heran zu führen und es daran je nach Altersklasse zu beteiligen. Neunjährige können Wäsche aufhängen oder Staub wischen, während Sie arbeiten. Nur bei kleinen Kindern im Kindergartenalter werden Eltern die Betreuung selber übernehmen müssen.

Hier können sich Vater und Mutter abwechseln, während der eine Elternteil arbeitet. Und: Man kann einem Vierjährigen in Ruhe erklären, dass er sich auch mal alleine beim Spielen beschäftigen muss.

Eine Idee: Kinder können, während Sie Wichtiges erledigen, auch mit Freunden oder Freundinnen skypen.

Was hilft bei der erzwungenen Quarantäne, damit Eltern einen kühlen Kopf bewahren?

Bei Quarantänemaßnahmen ist es wichtig, sich eine Tagesstruktur zu formen und durchaus auch darauf zu achten, dass das Kind auch zur Ruhe, zur Selbstbeschäftigung und zu stillen Zeiten angehalten wird. In diesen Momenten können Sie in Ruhe arbeiten. Niemand hält dauernde Action aus oder kann das leisten.

Leiten Sie vor allem Ihre Schulkinder an, selbstständig zu arbeiten, schließlich haben sie ja jetzt keine Ferien, sondern sollen Schule als Homelearning erfahren. Ebenfalls wichtig: die nötigen Pausen einzuplanen, in denen alle auch nur gemeinsam als Familie entspannen können.

Kinder müssen nicht ständig betreut, beaufsichtigt oder bespaßt werden! Das wird von vielen Eltern leider oft falsch verstanden. Eltern können diese Zeit nutzen, um hier vielleicht auch einmal über ihre Haltung nachdenken und mal etwas anderes auszuprobieren. Und: Auch als Eltern dürfen Sie sich abgrenzen.

"Mir ist langweilig", "Ich habe Hunger", "Mama, spiel mit mir?", "Papa, was tust du da?" Was können Eltern tun, wenn Kinder im Sekundentakt beim Arbeiten stören?

Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen von kindlicher Langeweile, sondern bestärken Sie das Kind ganz cool darin, sich zu langweilen. Sie werden erstaunt sein, wie das Kind reagieren wird. Kindeswille darf nicht mit Kindeswohl verwechselt werden.

Wie kann man Kinder jetzt beschäftigen, damit Eltern in Ruhe ein paar Dinge für die Arbeit im Homeoffice erledigen können?

Kinder werden normalerweise mit viel Spielen und anderen Aktivitäten je nach Alter beschäftigt. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem sie auch öfter mit ganz normalen Dingen beschäftigt werden können, wie den Schrank sortieren, aufräumen, beim Saubermachen helfen oder bei der Gartenarbeit.

Haben Sie als Eltern keine Scheu davor. Es schadet dem Kind nicht, wenn ihm jetzt Kochen oder haushaltsnahe Tätigkeiten beigebracht werden.

Ihre drei essentiellen Tipps für Eltern und Kinder in dieser verrückten Zeit?

Schaffen Sie jetzt Strukturen des Tages!

Schaffen Sie Zeiten für Beziehung und Kommunikation in der Familie und unterscheiden Sie das klar vom Arbeiten!

Und in Zeiten des Coronavirus' ebenfalls wichtig: Sorgen Sie für eine gute soziale Distanz und Pflege des Nasen- und Rachenraumes, um das persönliche Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko zu senken.

Jochen Rögelein ist Familien- und Paartherapeut in München. Er ist seit über 30 Jahren in der Gesundheitsbranche tätig. Seit Mitte der 1990er Jahre setzt er sich intensiv mit Partnerschafts-, Männer- und Sexualthemen auseinander.
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