Remdesivir gilt als Hoffnungsträger bei der Suche nach Mitteln zur Behandlung von COVID-19, schon früh starteten Studien zur Wirksamkeit der Substanz. Nun liegen erste Ergebnisse vor.
Der Wirkstoff Remdesivir kann die Behandlungsdauer von COVID-19-Patienten einer US-Studie zufolge verkürzen. Die Ergebnisse der Untersuchung seien sehr positiv zu bewerten, sagte der Immunologe und Chef des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten (NIAID) der USA, Anthony Fauci am Mittwoch (Ortszeit).
Eine im Fachmagazin "The Lancet" vorgestellte chinesische Studie kommt hingegen zu dem Schluss, dass sich der Zustand der Patienten mit Remdesivir nicht wesentlich verbessert. Aus Patientenmangel wurde diese Studie allerdings frühzeitig abgebrochen.
Fauci über Remdesivir: "Signifikante positive Wirkung"
Laut Fauci, ein Berater von US-Präsident
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Patienten mit der Lungenkrankheit COVID-19, die in Krankenhäusern Remdesivir bekamen, waren laut Fauci nach durchschnittlich elf Tagen wieder genesen, die Patienten der Kontrollgruppe erst nach 15 Tagen. Damit seien jedoch nicht alle Probleme gelöst, sagte Fauci während eines Treffens im Büro von Präsident Trump weiter. Zwar sei auch die Sterblichkeitsrate etwas geringer gewesen, dieses Ergebnis sei aber bislang nicht statistisch signifikant.
In die chinesische Studie wurden 237 Patienten aus zehn Krankenhäusern in Wuhan eingeschlossen, dem Ursprungsort der Pandemie. 158 bekamen Remdesivir, 79 ein wirkungsloses Scheinmedikament. Die Forscher stellten keinen statistisch bedeutsamen Einfluss auf die Krankheitsdauer oder die Sterberate fest.
Neben dem vorzeitigen Abbruch der Studie weisen sie allerdings auf eine weitere Schwächen der Studie hin: Die meisten ihrer Patienten waren erst recht spät im Krankheitsverlauf mit Remdesivir behandelt worden. Ein früherer Therapiebeginn verbessere die Behandlungsergebnisse womöglich.
Britischer Wissenschaftler warnt davor, der Versuchung zu erliegen
Man dürfe nicht auf hochwertige Forschung zu Wirkstoffen verzichten, die in ersten Behandlungsversuchen erfolgversprechend waren, betont der britische Medizinstatistiker John Norrie von der University of Edinburg in einem begleitenden Kommentar zu der Studie.
"Das ist eine besondere Herausforderung inmitten einer Pandemie, die Versuchung ist groß, die Schwelle für überzeugende Beweise zu senken." Man müsse es vermeiden, unwirksame und möglicherweise gefährliche Maßnahmen einzusetzen, weil dies mehr schade als nutze und klinische Studien zu wirklich wirksamen Mitteln erschwere.
Deutsche Experten halten Ergebnisse für belastbar
Nach Ansicht deutscher Experten sind die Ergebnisse der US-Studie ausreichend belastbar. Es seien genügend Patienten untersucht worden; unter Therapie mit Remdesivir seien sie früher aus dem Krankenhaus entlassen worden, sagt etwa Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. "Somit sind wesentliche Endpunkte der Studie erreicht worden, so dass an einer raschen Zulassung der Substanz aus meiner Sicht wenig Zweifel bestehen dürfte."
Auch Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln, Leiter einer klinischen Prüfung von Remdesivir (GS-5734) bei Patienten in Deutschland, rechnet aufgrund der positiven Ergebnisse mit einer baldigen Zulassung.
Remdesivir wurde ursprünglich gegen das Ebolavirus entwickelt und zeigte in Laborversuchen einige Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2. In Zellversuchen stoppte es die Vermehrung des Virus, in Tierversuchen wirkte es gegen andere Coronavirus-Infektionen wie Sars und Mers. Remdesivir ist bislang in keinem Land der Welt zugelassen.
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US-Regierung will "schnelle Genehmigung"
Die Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) sei derzeit in Gesprächen mit dem Arzneimittelhersteller Gilead, um Remdesivir rasch für Patienten in Krankenhäusern verfügbar zu machen, sagte Fauci. Eine formelle Zulassung des Medikaments dauere jedoch noch wesentlich länger und erfordere weitere Studien.
Trump sagte am Mittwochabend (Ortszeit) auf die Frage, ob er sich von der Behörde einen beschleunigten Zulassungsprozess für das Mittel wünsche, er wolle, dass man so schnell wie möglich vorangehe. "Wir wünschen uns sehr schnelle Genehmigungen."
Das Biotech-Unternehmen Gilead erklärte in einer Pressemitteilung, man sei sich der "positiven Daten" aus der klinischen Studie bewusst, die Kommunikation liege aber beim NIAID. (hub/dpa)
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