Der tropische Regenwald ist einer der wichtigsten CO2-Speicher der Welt. Aber immer mehr davon wird zerstört. In Brasilien jedoch ging die Anzahl der vernichteten Gebiete unter Präsident Lula da Silva um gut ein Drittel zurück.

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Die Abholzung im brasilianischen Amazonas-Regenwald ist seit dem erneuten Amtsantritt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva im Januar 2023 um ein Drittel zurückgegangen. Wie die Regierung am Donnerstag bekannt gab, wurden im brasilianischen Teil des Amazonas-Gebiets laut Satellitenbildern des Nationalen Instituts für Weltraumforschung von Januar bis Juni 2.649 Quadratkilometer Wald zerstört. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren demnach noch 3.988 Quadratkilometer Wald zerstört worden.

Rückgang der Abholzung im brasilianischen Regenwald

"Wir haben einen stetigen Abwärtstrend bei der Abholzung des Amazonas erreicht", sagte Umweltministerin Marina Silva vor Journalisten. Im Juni war der Rückgang mit 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat demnach besonders deutlich. Silva sagte, dies sei auf Lulas Politik zur Bekämpfung des Klimawandels und der Zerstörung des Regenwaldes zurückzuführen.

Der linksgerichtete Lula hatte sein Amt im Januar mit dem Versprechen angetreten, sich für ein Ende der ungezügelten Umweltzerstörung unter seinem rechtsradikalen Vorgänger Jair Bolsonaro einzusetzen. Unter Bolsonaro war die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes von 2019 bis 2022 im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt um 75 Prozent angestiegen.

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Lula hatte im Juni einen umfassenden Schutzplan für den Amazonas vorgestellt. Er sieht unter anderem die sofortige Beschlagnahmung der Hälfte aller illegal genutzten Flächen innerhalb von Schutzgebieten sowie die Ausweisung von drei Millionen Hektar neuer Schutzgebiete bis 2027 vor.

Umweltschützer begrüßen die Entwicklung. "Die Regierung handelt wieder, setzt geltendes Recht um und schützt den einzigartigen Schatz des Amazonas", sagte der Leiter der Organisation Observatório do Clima, Marcio Astrini. "Das führt dazu, dass die Abholzungsraten sinken."

Der Amazonas-Regenwald erstreckt sich über neun Länder, größtenteils liegt er in Brasilien. Er ist einer der wenigen verbliebenen großen Urwälder der Welt und beherbergt mehr Pflanzen- und Tierarten als jeder andere Ort der Erde. Zudem ist er mit seinen Milliarden Bäumen ein wichtiger Kohlenstoffspeicher.

Regenwald von der Größe der Schweiz abgeholzt

Grund zum Feiern gibt es dennoch nur bedingt. Im vergangenen Jahr wurde laut Berechnungen des World Resources Institute (WRI) tropischer Urwald in der Größenordnung der Schweiz vernichtet. Das heißt, 4,1 Millionen Hektar Regenwald wurden zerstört. Die lag unter anderem an Bränden, aber auch an der Abholzung.

Die Gesamtfläche des binnen eines Jahres zerstörten tropischen Urwaldes war laut Bericht in den vergangenen 20 Jahren nur 2016, 2017 und 2020 größer. So seien im vergangenen Jahr zehn Prozent mehr tropischer Urwald zerstört worden als 2021, damals waren es rund 3,75 Millionen Hektar. "Es sind nicht nur die Wälder, die die Menschheit in Rekordzeit zerstört, es ist unsere Lebensgrundlage", sagte Susanne Winter, Programmleiterin Wald bei der Naturschutzorganisation WWF Deutschland.

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Besonders stark sei weiterhin der tropische Wald in Brasilien und in der Demokratischen Republik Kongo betroffen, hieß es vom WRI in Washington.

Rund 729.000 Quadratkilometer wurden im brasilianischen Amazonasgebiet nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) bis zum Jahr 2020 insgesamt bereits abgeholzt, was 17 Prozent des Ökosystems entspricht. Das brasilianische Amazonas-Gebiet gilt als wichtiger CO₂-Speicher, erstreckt sich über neun Bundesstaaten und entspricht flächenmäßig der Größe Westeuropas. Es hat eine wichtige Funktion im internationalen Kampf gegen den Klimawandel.

Nach einem früheren Rückgang waren Abholzung und Brände in der Amtszeit des im Oktober abgewählten rechten Präsidenten Jair Bolsonaro wieder sehr stark angestiegen. Bolsonaro sah die Region vor allem als ungenutztes wirtschaftliches Potenzial und wollte weitere Flächen für Landwirtschaft und Bergbau erschließen lassen. Die Umwelt- und Kontrollbehörden wurden geschwächt.

Kongobecken ist der zweitgrößte tropische Regenwald nach dem Amazonas

Nach dem Amazonas-Regenwald ist das Kongobecken das größte verbliebene tropische Waldgebiet – und eines der außergewöhnlichsten Ökosysteme der Welt. Die "Lunge Afrikas" erstreckt sich von der Demokratischen Republik Kongo auch in die angrenzenden Länder Gabun, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Äquatorialguinea und die Republik Kongo. Laut WWF gibt es im Kongobecken rund 10.000 Arten tropischer Pflanzen, von denen knapp ein Drittel nur in dieser Region vorkommen.

Dank dieser vielfältigen, dichten Vegetation gehört der Regenwald des Kongobeckens zu den wichtigsten Kohlenstoffsenken weltweit. Das heißt, der Wald entzieht der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid – laut Wissenschaftlern der Universität Leeds jährlich 1,5 Milliarden Tonnen. Gleichzeitig werden im Kongobecken große Mengen an Erdöl und Erdgas vermutet. Das will die kongolesische Regierung künftig fördern und hat im vergangenen Jahr trotz Protesten von Natur- und Klimaschützern entsprechende Projekte ausgeschrieben.

In Ghana, Bolivien und Angola habe der Verlust des Waldes am stärksten zugenommen, hieß es vom WRI. Unter anderem Indonesien und Malaysia dagegen hätten den Verlust ihrer Wälder auf niedrigem Niveau halten können.

Mithilfe der Plattform Global Forest Watch beobachten zahlreiche Naturschutzorganisationen unter Leitung des WRI seit 2014 unter anderem mit Satellitentechnik Veränderungen von Waldlandschaften weltweit. Das WRI erstellte den darauf basierenden Report jährlich gemeinsam mit Forschenden der Universität Maryland.

Urwald, also vom Menschen weitgehend unberührter Naturwald, hat eine große Bedeutung bei der Erhaltung von Biodiversität und ist bei der Speicherung von Kohlendioxid – kurz CO₂ – besonders wichtig. Durch die 2022 zerstörte Fläche seien 2,7 Milliarden Tonnen CO₂ freigesetzt worden, rechneten die Autoren der Studie vor. Dies entspreche ungefähr den jährlichen Emissionen durch fossile Brennstoffe in Indien. "Mitten in der Biodiversitäts- und Klimakrise können wir uns das schlichtweg nicht leisten", sagte Winter vom WWF Deutschland. (afp/dpa/the)

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