Trotz der Schüsse auf ein Spezialeinsatzkommando im badischen Boxberg sieht die Verteidigung des angeklagten mutmaßlichen Reichsbürgers keine Merkmale für einen versuchten Mord bestätigt. Zwar habe der damals 54-Jährige im April vergangenen Jahres auf die Beamten geschossen, als ihm diese in seiner Wohnung eine illegal besessene Pistole abnehmen wollten. Die SEK-Beamten seien aber weder ahnungslos- noch wehrlos, sondern vorbereitet gewesen, sagte seine Anwältin in ihrem Plädoyer am Montag vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Auch habe ihr Mandant nicht aus Heimtücke gehandelt.

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Er habe sich an jenem Morgen in einer "absoluten psychischen Ausnahmesituation" befunden, sagte die Juristin. Es sei ihm bei der Abgabe der Schüsse darauf angekommen, ein Eindringen der SEK-Beamten in die Wohnung zu verhindern und seinen behinderten Sohn zu schützen. Der Mann habe zudem von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten in einem "vergifteten und radikalisierten, den Staat ablehnenden Umfeld" gelebt und "aufgrund der Isolation kein Korrektiv" mehr gehabt.

Die Bundesanwaltschaft fordert für den mutmaßlichen Reichsbürger lebenslange Haft wegen vierfachen versuchten Mordes, sie beantragt zudem Sicherungsverwahrung. Ein Termin für ein Urteil nach Dutzenden Verhandlungstagen steht noch nicht fest.

Der Angeklagte soll mit einem Schnellfeuergewehr auf die Polizisten geschossen haben. Ein Beamter wurde von mehreren Geschossen im Bein getroffen. Im Haus des Schützen fanden die Ermittler ein begehbares Waffenlager mit Gewehren und Maschinenpistolen, Tausenden Schuss Munition und Zubehör. Im Prozess hatte der Mann zwar zugegeben, geschossen zu haben. Ihm sei aber nicht bewusst gewesen, wer draußen vor der Tür stehe.

"Reichsbürger" und sogenannte Selbstverwalter erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 23 000 Anhängerinnen und Anhänger zu - Tendenz steigend.  © dpa

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